Uppers End. Birgit Henriette Lutherer

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Uppers End - Birgit Henriette Lutherer


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dass ich alles andere war als das. Tomasin, das ist eine unverschämte Verleumdung!“

      „Mensch, Linda! Jetzt reg dich nicht so auf. Ich sagte, ich hatte dir den Schatten des Knausers gegeben. Das heißt noch lange nicht, dass du ein Geizhals warst. Hast du eben nicht richtig zugehört, als Upper Hannah die Sache erklärt hat?!“

      „Leute, hört auf euch so anzukeifen! Kommt mal wieder runter! Linda, Tomasin hat Recht. Aber ich erkläre es dir gerne noch einmal: Tomasin gab dir den Schatten des Knausers – ja. Ich hatte dir den Archetyp der hilfsbereiten Gönnerin mitgegeben – so. Du hattest in deinen ersten gut zwanzig Jahren nur deinen Archetyp gelebt. Nachdem du von Kanep deinen Schatten bekommen hattest, stand dir auch der Knauser zur Verfügung. Das hatte für dich zur Folge, dass dir auf einmal all die Leute bewusst wurden, die geizig waren. Sie sind dir sehr unangenehm aufgefallen. Du hast sie automatisch abgelehnt. Diese Geizhälse haben dir aber nur, na sagen wir mal“, Upper überlegte einen Moment „oh ja, das ist ein gutes Bild – sie haben dir einen Spiegel vorgehalten. Du hast in einen Spiegel geblickt und dort deinen Schatten des Knausers erblickt. Der hat dich so sehr erschreckt, dass du ihn erst mal für dich als Trugbild verleugnet hast. Mit der Zeit, und mit Hilfe deiner Erinnerung an Zuhause, hast du dieses Trugbild aber als deinen Schatten erkennen können und ihn akzeptiert. Von diesem Zeitpunkt an sahst du andere Knauser als das an was sie waren – nämlich einfach nur Geizhälse. Sie störten dich nicht mehr, weil sie keine Resonanz mehr bei dir fanden. Indem du deinen Schatten akzeptiertest, hattest du diesen Anteil in dir erlöst, im Sinne von aufgelöst. Verstehst du? Du warst immer die hilfsbereite Gönnerin – auch mit dem Schattenaspekt des Knausers in dir. Du hast die Sache mit deinem Schatten nur leider mit deiner Ankunft hier

      wieder vergessen.“

      „Ach so! Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden.“

      „Okay, kann´s weitergehen?“

      „Ja, Upper.“

      „Na endlich!“ seufzte Tomasin. Er begann schon vor Ungeduld seine Augen zu verdrehen. „Der Knauser also, er will nichts geben – meistens zumindest. Das, was er besitzt, ist so etwas wie ein Abgott für ihn. Er wähnt sich mit seinem Besitz leider in einer trügerischen Sicherheit. Denn nichts ist von Dauer. Der Besitz kann schnell, durch unvorhersehbare und unkontrollierbare Umstände, fort sein. Geizig zu sein macht einsam, denn die Sorge und die Aufmerksamkeit um den Besitz verhindert wahre Verbindung mit dem Umfeld. Knauser werden praktisch von ihrem Besitz besessen, ohne es selbst zu merken.“

      „Ja, genau. Das waren genau die Menschen, die ich nicht mochte. Sie waren auch so kalt und so verknöchert in ihrem Herzen. Brrr!“ Linda schüttelte sich bei der Erinnerung an diese Menschen.

      „Dein zweiter Schattenaspekt“, fuhr Tomasin fort „war der der Verbergerin. Du solltest dich fürchten und glauben, dass du deine Aufgabe alleine erfüllen müsstest - ganz ohne Hilfe von anderen. Wenn du diesen Aspekt gehabt hättest, hättest du dich vermutlich verborgen, weil dir die Erfüllung deiner Aufgabe als schier unmöglich erschienen wäre. Du hättest dich versteckt, weil du Angst vor deiner Berufung gehabt hättest, vor deinen Begabungen, deiner Macht und letztendlich vor dir selbst.“

      „Wieso hast du ihn mir gegeben und mir dann gesagt, ich solle ihn zurücklassen?“

      „Ähem, das sollte ein kleines Experiment sein, entschuldige bitte Linda.“ Verlegen versuchte Tomasin eine Ausrede zu finden. „Ich dachte mir, wenn du erst einmal ohne diesen Aspekt reisen würdest, also nur mit dem Archetypaspekt des Kraftstrotzenden – wer weiß, was dann passieren würde?“

      „Ich habe die Verbergerin in mir jedenfalls nicht vermisst! Der Kraftstrotzende war prima“, triumphierte Linda.

      „Aber ich – zum Donnerwetter nochmal!“, schimpfte Hannah. „Ich hatte eine Scheißangst!“

      „Vor wem, vor mir etwa? Ich war doch nur deine Tochter!“

      „Nicht vor dir – vor deinen Fähigkeiten! Du warst von Anfang an anders als deine Geschwister: gewitzter, aufgeweckter, schlauer, wissender. Ich hätte mir was von der Verbergerin in dir gewünscht. Das hätte mich beruhigt. Selbst die Hebamme damals in der Geburtsklinik hat direkt über dich gesagt, ´du seist eine andere Sorte´.“

      „Hannah, wie meinte sie das?“

      „Sie meinte du wärst anders als deine Geschwister, die sie auch auf die Welt geholt hatte.“

      „War die eine von deinen Notfall-Seins, Upper?“

      „Yep! Jemand musste drauf aufmerksam machen. Hat aber leider nicht gereicht“, gab Upper zu.

      „Okay, Schwamm drüber. Erzähl bitte weiter Tomasin. Welcher ist der dritte Aspekt?“

      „Gestatte mir zuvor bitte eine Frage Linda: „Wie war das für dich, als Kanep dir den Schatten brachte und du die Verbergerin in dir hattest?“

      „Nun ja, ich glaube mich zu erinnern, dass ich Menschen doof fand, die von sich überzeugt waren. Lange Zeit vermutete ich, ich sei neidisch auf sie. Ich konnte sie einfach nicht leiden, diese präsenten, erfolgreichen Typen. Ich selbst versteckte mich tatsächlich. Meine Größe und meine Fähigkeiten, die ich an mir entdeckte, ängstigten mich auf einmal selber. Doch dann half mir Kanep in den Spiegel zu sehen und diesen Schattenaspekt zu entlarven. Danach wurde alles gut.“

      „Das ist sehr interessant, danke. Ah ja, der dritte Schattenaspekt ist die Gierige. Dieser Aspekt verhindert Erfolg und Glück. Als Gierige gerätst du automatisch in einen Suchtkreislauf: du bist mit dir nicht im Reinen, magst dich oder deine Lebens-Situation nicht – dann gibst du dich deiner Hab-Gier hin – darauf folgen dann Schuldgefühle oder Scham – deshalb verachtest du dich dann selber – und dann beginnt der Suchtkreislauf von vorne.

      „Was heißt denn Hab-Gier? Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals gierig gewesen zu sein.“

      „Bist du nicht?! Denk mal genau nach, Linda! War da nicht was mit Essen und Trinken?“

      „Wieso? Gilt in deinen Augen Genuss denn auch als Gier?“

      „Nun ja, es kommt darauf an, in welchem Maß das geschieht. Bei dir hatte ich zeitweise schon Bedenken, ob es noch Genuss oder schon Gier war. Ein `zu viel haben wollen` bedeutet automatisch, dass du über ein gutes Maß hinaus schießt. Meiner Ansicht nach hast du dich so manches Mal hart an dieser Grenze bewegt – gerade, wenn du mal wieder an den Rand deiner Kräfte gelangt warst. Da hatte ich schon das ein oder andere Mal die Befürchtung, dass du in einen Suchtkreislauf geraten könntest.“

      „Wie jetzt, Sucht? Wieso Sucht, Upper?! Ich habe nie zu Drogen gegriffen. Das musst du doch wissen! Heroin, Kokain, Designer-Drogen und wie sie alle heißen habe ich von jeher abgelehnt.“

      „Und was ist mit einem Gläschen Wein – oder zwei, drei? Mit Gänsebraten, Schweinshaxen, Torten oder holländischen Gewürzkeksen? Gab es da nicht reichlich Gelegenheiten, etwas mehr als üblich davon zu nehmen? Erfüllte das nicht den Tatbestand der Völlerei – na? Aber gut, ich will mal nicht so sein und ein Auge zudrücken, Linda. Du warst ja letztendlich auch nur ein Mensch. Worauf ich eigentlich hinaus wollte war, dass all das, also wenn du den Schatten der Gierigen lebst, dass dich das vom wahren Genießen des Lebens abhält. Im Übrigen kann der Mensch nach vielen verschiedenen Dingen gierig sei. Das bezieht sich nicht allein aufs Essen und Trinken. Du kannst nach so ziemlich allem gierig sein. Da gäbe es zum Beispiel noch Geld, Sex, Bewundert-Werden, Aufmerksamkeit, Medikamente, Computerspiele, Sammeln von Dingen und noch viel, viel mehr. Mit allem kannst du den Schatten der Gier ausleben.“

      „Ich verstehe, Upper. Kanep brachte mir auch diesen Schattenaspekt. Deshalb kam ich plötzlich mit diversen Suchtpotenzialen in Kontakt. Zum Glück habe ich beizeiten diesen Aspekt im Spiegel erkennen können. Puh, da hab´ ich aber Schwein gehabt!“

      „Ja Linda, auch ein Quäntchen Glück gehört immer dazu“, fügte Upper noch zu. „Der rechtzeitige Blick in den Spiegel hat dich schlussendlich vor echter Sucht bewahrt.“

      „Danke. Und jetzt, Tomasin, erzähl mir bitte noch, welchen Schatten du Kanep mitgegeben hattest.“


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