Kurtisanengespräche. Pietro Aretino
Читать онлайн книгу.'ne Kost für die ganz feinen Kenner!
Nanna: Wohl bekomm's ihnen. Aber um wieder auf unsere Geschichte zu kommen: Nachdem der Bakkalaureus mir seine Standarte zweimal in der Festung selbst und einmal im Graben aufgepflanzt hatte, fragte er mich, ob ich schon zu Nacht gegessen hätte. Ich bemerkte an seinem Atem, daß er selber sich ganz gehörig den Wanst vollgeschlagen hatte wie 'ne Judengans und antwortete ihm darum: »Ja!« Da setzte er mich auf seinen Schoß, und die eine Hand schlang er mir um den Hals, mit der anderen aber tätschelte er mir bald die Bäckchen, bald die Brüstchen, und diese Liebkosungen untermischte er mit wundersüßen Küssen, so daß ich bei mir selber die Stunde und den Augenblick segnete, da ich Nonne geworden war, denn das Klosterleben schien mir das wahre Paradies zu sein. Und während wir uns solchem Minnespiel hingaben, kam dem Bakkalaureus ein launiger Einfall: Er beschloß, mit mir einen Gang durchs ganze Kloster zu machen. »Denn«, sagte er, »zum Schlafen haben wir ja morgen den ganzen Tag noch Zeit.« Und ich, die ich in vier Kammern so viele Wunder gesehen hatte, konnte es kaum erwarten, in den übrigen noch mehr zu sehen. Er zog sich nun die Schuhe aus, und ich schlenkerte mir die Pantoffeln von den Füßen, und an seiner Hand mich festhaltend, ging ich hinter ihm her und setzte dabei die Fußspitzen so behutsam, wie wenn ich auf Eiern ginge.
Antonia: Halt! Kehr noch mal um!
Nanna: Weshalb?
Antonia: Weil du die beiden Nonnen vergessen hast, die durch den Irrtum des Stallknechts aufs trockene gesetzt waren.
Nanna: Richtig! Mein Gedächtnis hat aber wirklich Löcher, daß es bald mal geflickt werden muß. Also die armen unglücklichen Weiblein mußten ihre Brunft an den Knöpfen der Kaminfeuerböcke auslassen. Sie bohrten sie sich hinein, indem sie sich darüberlehnten, und schlugen mit den Beinen um sich wie die Gepfählten in der Türkei. Und wenn die eine, die zuerst mit dem Tanz fertig war, der Freundin nicht zu Hilfe geeilt wäre, so wäre dieser der Knopf oben zum Munde herausgekommen.
Antonia: Oh! Die Geschichte, die ist aber wirklich großartig! Hahaha!
Nanna: Ich ging also hinter meinem Liebsten her, leise wie Öl, und sieh! da kommen wir zur Zelle der Köchin, die diese in ihrer Vergeßlichkeit halb offen gelassen hatte. Wir werfen einen Blick hinein und sehen sie sich auf Hundemanier mit einem Pilgersmann ergötzen. Er hatte sie – das denk ich mir wenigstens – um eine milde Gabe gebeten, für seine Wanderschaft nach San Jago in Galizien und hatte es gut bei ihr getroffen. Sein Mantel lag zusammengewickelt auf einer Kiste; der Pilgerstab, an dem ein Wunderbild hing, lehnte an der Wand, mit der Tasche voller Brotrinden spielte eine Katze, um die die Liebenden in ihrem Eifer sich nicht kümmerten, ja, sie sahen nicht mal, daß das Fäßchen umgefallen war, so daß aller Wein auslief. Natürlich mochten wir nicht bei einer so plumpen Schäferszene unsre Zeit verlieren, sondern wir eilten zur Kammer der Frau Kellermeisterin und blickten durch die Wandspalten. Sie hatte die süße Hoffnung genährt, ihr Pfarrer werde kommen, aber er hatte sein Wort gebrochen, worüber sie in solche Verzweiflung geriet, daß sie einen Strick an dem Deckenbalken festmachte, auf einen Schemel stieg, sich die Schlinge um den Hals legte und gerade eben mit dem Fuß den Schemel umstoßen und den Mund auf tun wollte, um zu sagen: »Ich vergebe dir!«, da kam ihr Pfarrer vor die Tür, stieß sie auf und sah die Kellermeisterin im Begriff, aus diesem Leben zu scheiden. Er stürzte auf sie zu, fing sie in seinen Armen auf und rief: »Was sind denn das für Sachen? Haltet Ihr mich denn wirklich, mein Herz, für einen Treubrüchigen? Und wo ist Eure göttliche Klugheit? Wo ist sie?« Als sie diese süßen Worte hörte, erhob sie den Kopf wie eine Ohnmächtige, der man kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hat, und sie kehrte zum Leben zurück, wie erstarrte Glieder sich am wärmenden Feuer beleben. Da warf der Pfarrer Strick und Schemel in eine Ecke und legte sie aufs Bett; sie aber gab ihm einen langen Kuß und sagte zu ihm: »Meine Gebete sind erhört worden. Nun wünsche ich, daß Ihr mein Porträt in Wachs vor dem Gnadenbilde zu San Gimignano niederlegen lasset mit der Inschrift: ›Sie empfahl sich ihrer Gnade und wurde erhört!‹« Nachdem sie dies gesagt, hängte der fromme Pfarrer sie an den Haken seines Galgens; aber schon vom ersten Mund voll Ziegenfleisch gesättigt, verlangte er Zickleinfleisch.
Antonia: Ich wollte dir schon längst was sagen, hab's aber immer wieder vergessen. Sprich doch frei von der Leber weg und sag: cu, ca, po und fo7. Sonst versteht dich ja höchstens die Sapienza Capranica8 mit deinem: Schlauch im Ring, Obelisk im Coliseo, Rübchen im Garten, Riegel im Loch, Schlüssel im Schloß, Stempel im Mörser, Nachtigall im Nest, Pfahl im Graben, Blasebalg vorm Ofenloch, Rapier in der Scheide und mit dem Pflock, der Schalmei, der Mohrrübe, der Mimi, der Kleinen, dem Kleinen, den Hinterpomeranzen, den Meßbuchblättern, dem Verbi gratia, dem Ding, der Geschichte, dem Stiel, dem Pfeil, der Wurzel, dem Rettich und dem Scheißdreck, möchtest du ihn – ich will nicht sagen ins Maul kriegen, denn sonst könntest du ja nicht erzählen, was ihr saht, als ihr auf den Fußspitzen durchs Kloster schlichet. Nenn doch das Ja ›ja‹ und das Nein ›nein‹, oder behalt es lieber ganz für dich.
Nanna: Was? Weißt du denn nicht, welchen Wert wir im Puff auf 'ne anständige Ausdrucksweise legen?
Antonia: Nu, nu – dann erzähl nur auf deine eigene Art, und rege dich bloß nicht auf!
Nanna: Na, also der Pfarrer bekam das Zickelfleisch und steckte das Messer hinein, das für so 'nen Braten sich gehört, und hatte 'ne närrische Freude daran zu sehen, wie's raus und rein fuhr. Er tat es mit solcher Herzenslust wie ein Bäckerjunge, der die Faust in den Teig hineinstößt und sie wieder herausholt. Kurz und gut, als Pfarrer Arlotto merkte, daß sein Mohnstengel steif geworden war, trug er die gute Seele von Kellermeisterin auf seinen Armen zum Bett, drückte mit aller Macht das Petschaft ins weiche Wachs hinein und tründelte sich dann vom Kopfkissen nach dem Fußende und wieder zurück, so daß bei diesen Umdrehungen bald die Nonne auf dem Pfarrer lag, bald der Pfarrer auf der Nonne. Und so mit ›Hast du mich und kannst du mich!‹ und ›Hab ich dich und kann ich dich!‹ wälzten sie sich so lange, bis die Hochflut kam und die Bettlakenwiese überschwemmte. Dann fiel der eine hierhin und die andere dahin, schnaufend wie hochgezogene Blasebälge, die ja auch, wenn sie losgelassen werden, immer erst noch etwas Luft von sich geben, ehe sie stillestehen. Wir konnten uns das Lachen nicht verbeißen, als der Pfarrer den Schlüssel aus dem Loch herausgezogen hatte und des zum Zeichen einen so fürchterlichen Wind ließ – mit Respekt vor deiner Nase sei's gemeldet –, daß von dem Krach das ganze Kloster widerhallte. Und wenn mein Bakkalaureus und ich uns nicht einander den Mund mit der Hand zugehalten hätten, so würde man uns gehört haben, und wir wären entdeckt worden.
Antonia: Hahaha! Wer hätte da nicht den Mund bis zu den Ohren aufgerissen?
Nanna: Wir gingen nun weiter, unsere Führung dem Zufall überlassend, der wirklich alles tat, was wir verlangen konnten, und sahen die Novizenmeisterin, die einen Packträger unter ihrem Bette hervorzog. Der Kerl war dreckiger als ein Haufen Lumpen; sie aber sprach zu ihm: »Mein troischer Hektor, o Roland, mein Held! Hier bin ich, deine Dienerin, und verzeih mir die Unbequemlichkeit, die ich dir bereitete, indem ich dich versteckte; es ging eben nicht anders!« Der Strolch schob seine Lumpen beiseite und antwortete ihr mit einem Wink seines Gliedes, und da sie keinen Dolmetscher zur Hand hatte, um ihr diese Zeichensprache zu deuten, so legte sie sie auf ihre eigene Art aus. Der Lümmel fuhr ihr mit seiner Gartenschere in die Hecke, daß sie tausend Funken sah, und schlug ihr mit solcher Wollust seine Wolfsfangzähne in die Lippen, daß ihr die Tränen sektionsweise über die Backen marschierten. Wir konnten's nicht mehr aushaken, die Erdbeere im Bärenrachen zu sehen, und gingen anderswohin.
Antonia: Wohin denn?
Nanna: An eine Ritze, durch die wir eine Nonne erblickten, die sah aus wie die Mutter der Klosterzucht, wie die Tante der Bibel, wie die Schwiegermutter des Alten Testaments. Kaum wagte ich's, sie anzusehen. Auf dem Kopfe hatte sie etwa zwanzig Haare, dick wie Bürstenhaare, voll von Läuseeiern, auf der Stirn waren vielleicht hundert Runzeln, die Augenbrauen dicht und eisgrau, und aus den Augen troff etwas Gelbliches.
Antonia: Du hast scharfe Augen, daß du aus der Ferne sogar die Läuseeier bemerktest.
Nanna: Höre nur weiter! Ihr Mund und ihre Nase waren voll Schleim und Sabber, ihre Kinnladen wie ein beinerner Läusekamm, an dem nur noch die beiden Eckzähne vorhanden sind, die Lippen vertrocknet, das Kinn spitz wie ein Genuesenschädel,