Kurtisanengespräche. Pietro Aretino
Читать онлайн книгу.und Fleiß der Putzerin einen Glanz gekriegt, daß man sich in ihm spiegeln konnte. Er war randvoll von kaltem Wasser, und in seinem Bauch ruhten zwei Krügelchen aus durchsichtigem Glas, die schienen nicht etwa roten oder weißen Wein zu enthalten, sondern geschmolzene Rubinen und Topase. Nachdem dies alles hergerichtet war, zog die eine Nonne aus einem Koffer das Brot, weiß und locker wie Watte, und reichte es der anderen, die es auf den rechten Platz legte. Dann ruhten sie sich ein bißchen aus.
Antonia: Wahrhaftig, mit solcher Sorgfalt können auch nur Nonnen, denen es auf die Zeit nicht ankommt, eine Tafel ausputzen!
Nanna: Wie sie nun so dasitzen, schlägt ganz zitterig die dritte Stunde5. Da sagt die eine, die's gar nicht mehr erwarten kann: »Mit dem Vikar dauert's länger als die Weihnachtsmesse!« Versetzt die andre: »Kein Wunder, daß er säumt; der Bischof, der morgen firmt, wird ihm was aufgetragen haben.« Sie plauderten nun von tausend Firlefanzereien, damit ihnen das Warten nicht zu lang würde. Aber als wiederum eine geschlagene Glockenstunde vergangen war, da fingen sie an, auf ihn zu schimpfen wie Meister Pasquino auf die Kardinäle, und Lumpenkerl, Schweinehund, Schlappschwanz waren noch Festtagsnamen im Vergleich mit den anderen, die sie ihm gaben. Die eine stürzte ans Feuer, wo zwei Kapaunen schmorten, die waren so fett, daß sie nicht mehr hatten gehen können, und neben ihnen hielt ein Pfau die Wacht mit einem Bratspieß, der sich unter seinem Gewicht bog, als die Nonnen ihn vom Feuer nahmen. Und die eine hätte alles zum Fenster hinausgeworfen, wenn ihre Freundin sie nicht daran gehindert hätte. Während sie sich noch darüber streiten, kommt auf einmal der Stallknecht, der das Holz in die Zelle der beiden Lüsternen bringen sollte. Er hatte sich in der Tür geirrt, obwohl das Nönnchen, das ihm das Holzbündel auf die Schulter gehoben, ihm ganz richtig Bescheid gesagt hatte. Der Esel trat in die andere Zelle ein, in der der Herr Vikarius erwartet wurde, und schmiß seine Ladung Holz auf die Diele. Als dies die Nonnen nebenan hörten, schlugen sie sich die Nägel ins Gesicht und rissen sich die ganze Haut herunter.
Antonia: Was sagten denn die, zu denen der Kerl kam?
Nanna: Was hättest du wohl gesagt?
Antonia: Ich hätte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.
Nanna: Das taten sie auch! Fröhlich über das unerwartete Erscheinen des Stallknechts, wie die Tauben fröhlich flattern beim Anblick neuen Futters, empfingen sie ihn mit königlichen Ehren. Erst schoben sie den Türriegel vor, damit der Fuchs nicht aus der Falle entwischen könnte; dann hießen sie ihn in ihrer Mitte niedersitzen, nachdem sie ihn mit einem blitzsauberen Handtuch abgewischt hatten. Der Stallknecht war ein Bengel von etwa zwanzig Jahren, bartlos, pausbäckig, mit 'ner Stirn wie 'ne Backmulde und 'nem Gesäß wie ein Abt, groß und stark, und mit einem Gesicht wie Milch und Blut, ein rechter Gedankenscheißer, mehr für Festefeiern als fürs Arbeiten – kurz, er paßte ihnen nur zu gut in ihren Kram. Er schwatzte die komischsten Dummheiten von der Welt, als er sich da so an einer Tafel mit Kapaunen und Pfauenbraten sah, schob sich faustgroße Bissen ins Maul wie ein Scheunendrescher und soff wie ein Bürstenbinder. Den Nönnchen aber kam es vor, als dauerte es tausend Jahre, bis er ihnen mit seinem Klöppel durch die Haare führe, und sie stocherten bloß im Essen herum, wie's Leute tun, die keinen Hunger haben. Der Stallknecht hätte getafelt wie ein Fuhrherr, wenn nicht schließlich die Lüsternste die Geduld verloren – wie sie einer verliert, der Eremit wird – und sich auf seine Pfeife gestürzt hätte wie der Hühnergeier aufs Küchlein. Kaum hatte sie ihn drangefaßt, so sprang ein Stück Lanzenschaft hervor, das es mit Bivilacquas6. Hellebarde aufnehmen konnte, ein Ding wie die Posaune auf der Engelsburg, die ihren Bläser in die Luft reißt. Während nun die eine die Hand am Knüppel hatte, räumte die andere den Tisch ab. Ihre Kameradin schob sich den Kleinen zwischen die Beine und ließ sich auf des ruhig sitzen gebliebenen Stallknechts Flöte fallen. Und da sie so stürmisch schob und drängelte wie die Leute auf der Brücke, sobald der Segen erteilt ist, so fiel der Stuhl um und mit dem Stuhl der Stallknecht und die Nonne, und sie schossen einen Purzelbaum wie zwei Affen. Dabei schlüpfte der Riegel aus dem Loch heraus, und die andere Nonne, die inzwischen die Zähne gefletscht hatte wie 'ne alte Stute, kriegte Angst, der Kleine, der nichts auf dem bloßen Kopfe hatte, könnte sich erkälten, und deckte ihn schnell mit ihrem Verbi gratia zu. Darüber geriet ihre Freundin, die nun nicht mehr den dicken Nagel hatte, in solche Wut, daß sie ihr an die Gurgel sprang, und sie würgte, bis sie das Bißchen, was sie gegessen hatte, wieder von sich gab. Die andere drehte sich nach ihr um, ließ Stallknecht Stallknecht sein, und dann verwichsten die beiden Nonnen sich nach Noten wie die glückseligen Eckensteher und Sonnenbrüder.
Antonia: Hahaha!
Nanna: Gerade in dem Augenblick, wo der Kerl aufstand, um sie auseinanderzubringen, fühlte ich, wie sich mir eine Hand auf die Schulter legte, und ganz leise sagte jemand zu mir: »Gute Nacht, mein geliebtes Seelchen!« Ich zitterte vor Schreck am ganzen Leibe, um so mehr, da die Schlacht zwischen den beiden brünftigen Hündinnen – anders kann ich sie nicht nennen – meine Aufmerksamkeit so in Anspruch nahm, daß ich für gar nichts anderes mehr Gedanken hatte. Als ich nun die Hand auf meinem Rücken fühlte, fuhr ich schnell herum und schrie: »Ach Gott, wer ist denn das?« Und ich wollte aus Leibeskräften um Hilfe rufen, da sehe ich, es ist der Bakkalaureus, der mich hatte verlassen müssen, um den Bischof zu bewillkommnen, und da war ich ganz beruhigt. Trotzdem aber sagte ich: »Vater, ich bin nicht so eine! Geht weg! ... Ich will nicht! ... Wahrhaftig, ich werde schreien! ... Lieber ließe ich mir die Adern öffnen! ... Ich tu's nicht, sag ich Euch; nein, nein, ich tu's nicht! ... Gott soll mich vor so was bewahren ... Ihr müßtet Euch ja schämen! ... Was sind das für Sachen?! ... Man wird's erfahren!« ... Er aber sagt zu mir: »Wie kann in einem Cherubim, einem Himmelsthron, einem Seraphim solche Grausamkeit wohnen? Ich bin Euer Sklave, ich bete Euch an, denn Ihr allein seid mein Altar, meine Vesper, meine Komplete und meine Messe. Und wenn's Euch beliebt, daß ich sterben soll: Hier ist das Messer! Durchbohrt mir die Brust damit, und Ihr werdet in meinem Herzen Euren lieblichen Namen mit goldenen Lettern geschrieben sehen!« Mit diesen Worten wollte er mir ein wunderschönes Messer mit silbervergoldetem Griff in die Hand drücken, die Klinge aber war bis zur Hälfte aufs feinste damasziert. Ich wollte es durchaus nicht nehmen und hielt, ohne ihm zu antworten, das Gesicht zur Erde gesenkt. Er aber bestürmte mich mit so vielen Ausrufen und Klagen, daß ich dachte, er sänge ein Passionslied, und bog mir immerzu den Kopf zurück, bis ich schließlich mich besiegen ließ.
Antonia: Das ist lange nicht so schlimm, als wenn eine so tief sinkt, ihre Mitmenschen zu ermorden oder zu vergiften. Es war sogar 'ne frommere Tat von dir als der Monte di Pietà; und jede ehrenwerte Frau sollte sich an dir ein Exempel nehmen. Aber weiter!
Nanna: Und so ließ ich mich denn von seiner Mönchspredigt unterkriegen, worin er mir mehr Lügen sagte als 'ne Uhr, die nicht in Ordnung ist. Er legte mich auf den Rücken mit einem Laudamus te!, wie wenn er am Palmsonntag die Palmenwedel einzusegnen hätte, und mit seinem Singen sang er sich mir so ins Herz, daß ich ihn gewähren ließ. Aber was hätte ich denn nach deiner Meinung machen sollen, Antonia?
Antonia: Nichts andres, als was du tatest, Nanna!
Nanna: So fahre ich denn also fort. Aber höre – kannst du's dir denken?
Antonia: Was denn?
Nanna: Der fleischerne kam mir weniger hart vor als der gläserne!
Antonia: Ein großes Geheimnis!
Nanna: Wahrhaftig! Ich schwör's dir bei diesem Kreuz.
Antonia: Was brauchst du erst zu schwören? Ich glaub dir's ja und glaube es immerdar!
Nanna: Ich spritzte – aber kein Wasser ...
Antonia: Hahaha!
Nanna: ... sondern etwas klebriges Weißes, beinahe wie Schneckenschleim. Er machte es mir also dreimal, mit Respekt zu vermelden, zweimal auf die alt überlieferte Weise, und einmal nach moderner Art; und diese letztere, mag sie erfunden haben, wer will, gefällt mir ganz und gar nicht. Wahrhaftig nicht... nicht ein bißchen gefällt sie mir!
Antonia: Da hast du unrecht!
Nanna: So? Na denn meinetwegen, dann hab ich unrecht! Aber ich sage dir: Wer sie erfunden hat, das war einer, dem alles zum Überdruß geworden war und der bloß noch konnte, wenn er ... na, ich brauch es dir ja nicht zu