Kurtisanengespräche. Pietro Aretino

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Kurtisanengespräche - Pietro Aretino


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ohne Eier, und es sah aus, wie wenn sie mit Bindfäden am Busen angebunden wären, der Bauch – o du himmlische Barmherzigkeit! –, der war ganz rauh, tief eingesunken, und nur der Nabel war vorgetrieben. Allerdings hatte sie dafür ihren Wasserlauf mit Kohlblättern bekränzt, die aussahen, wie wenn ein Grindiger sie einen Monat lang auf dem Kopf gehabt hätte.

      Antonia: Der heilige Onufrius trug ja auch ein Schenkenzeichen um seine Scham.

      Nanna: Um so besser! Ihre Schenkel waren von Pergament bedeckt, und die Knie zitterten ihr dermaßen, daß man dachte, sie müßte jeden Augenblick hinfallen. Wie ihre Waden, ihre Arme und ihre Füße aussahen, magst du dir selber ausmalen, nur das will ich dir noch sagen: Die Nägel an ihren Händen waren so lang wie der, den Krallenlude als gefährliche Waffe an seinem kleinen Finger trug, aber die ihrigen waren voll Unrat. Sie hatte sich zur Erde gekauert und machte mit einem Stück Kohle Sterne, Monde, Vierecke, Kreise, Buchstaben und tausend andere Firlefanzereien. Und dabei rief sie die Geister der Hölle mit Namen an, die die Teufel selber nicht behalten könnten. Dann ging sie dreimal im Kreise um die von ihr gezeichneten Krähenfüße herum und richtete sich dann hoch auf, das Gesicht dem Himmel zugewandt, wobei sie fortwährend vor sich hin murmelte. Hierauf holte sie ein Figürchen aus ganz frischem Wachs herbei, worin wohl hundert Nadeln hineingesteckt waren – wenn du mal ein Alraunmännchen gesehen hast, so weißt du, wie das Ding aussah –, und legte diese so nahe ans Feuer, daß die Hitze wirken mußte, und drehte sie so, wie man Wachteln und Krammetsvögel dreht, damit sie gar werden, aber nicht anbrennen. Dabei sprach sie:

      Feuer, mein Feuer, senge

      Den Grausamen, der mich flieht!

      Dann begann sie immer schneller zu drehen – schneller als man im Hospital das Brot austeilt, und sprach weiter:

      Oh! rührte doch mein Herzeleid

      Den lieben Gott der Liebe!

      Als nun das Wachsbild anfing, ganz heiß zu werden, rief sie, den Blick auf den Boden geheftet:

      Schick, Teufel, meinen Goldmann mir,

      Sonst laß mich sterben gleich und hier!

      Kaum hatte sie diese Verschen gesagt, so klopft einer an die Tür, ganz atemlos, wie jemand, der in der Küche beim Mausen erwischt ist und seine Füße nicht geschont hat, um seinem Buckel eine Tracht Schläge zu ersparen. Sofort hörte sie auf mit ihrem Hexenkram und öffnete ihm.

      Antonia: Ganz nackt, wie sie war?

      Nanna: Ganz nackt, wie sie war. Der arme Mensch war der Schwarzen Kunst gefolgt wie der Hunger der Teuerung; er warf ihr die Arme um den Hals und küßte sie nicht weniger inbrünstig, als wenn sie die Rosa oder die Arcolana9 gewesen wäre, und pries ihre Schönheit wie ein Dichter, der Sonette auf seine Tullia macht. Und das vermaledeite Gerippe zierte sich wie eine Kokette und sagte kichernd: »Darf solches Fleisch allein im Bette ruhn?«

      Antonia: Brrr!

      Nanna: Ich will dir nicht übel machen, indem ich dir noch mehr von der alten Hexe erzähle, denn ich weiß auch nichts mehr von ihr, weil ich nichts weiter sehen mochte. Als der unglückliche Abbate, ein ganz junger Milchbart, sie auf einem Schemel Pedum tuorum bearbeitete, machte ich's wie Masinos Katze, die die Augen schloß, um keine Mäuse zu fangen. Doch zum Schluß! Nach der Alten beobachteten wir die Schneiderin, die sich mit ihrem Meister, dem Schneider, bügelte. Nachdem sie ihn splitternackt ausgezogen hatte, küßte sie ihm den Mund, die Brustzäpfchen, den Trommelschläger und die Trommel, wie die Amme dem Kleinchen, das sie säugt, das Gesichtchen, das Mündchen, die Händchen, das Bäuchelchen, das Pinselchen und das Popochen küßt, wie wenn sie die Milch, die er ihr abgelutscht hat, wieder heraushaben wollte. Natürlich hätten wir gern noch länger die Äuglein an die Spalten gelegt, um zu sehen, wie der Schneider der Schneiderin die Rocknähte auftrennte. Aber plötzlich hörten wir einen Schrei, und nach dem Schrei ein Kreischen, und gleich hinterher ein Oje, oje, und nach dem Oje, oje ein O Gott, o Gott, das uns förmlich ins Herz schnitt. Schnell liefen wir an den Ort, woher das Geschrei drang, das so laut war, daß es unsere Schritte übertönte, und da sahen wir eine Nonne, der guckte ein Kind schon halb aus dem Keller heraus, und gleich darauf spritzte sie's, das Köpfchen voran, vollends aus, was sie mit dem Klang vieler duftiger Winde begleitete. Und als man nun sah, daß es ein Knäblein war, da rief man seinen Vater, den Herrn Guardian, der mit zwei Nonnen reiferen Alters eilends herbeilief, und empfing ihn mit Jubel und stürmischer Ausgelassenheit. Der Guardian aber sagte: »Sintemalen hier auf diesem Tische Papier, Feder und Tinte ist, so will ich ihm die Nativität stellen!« Dann zeichnete er eine Million Punkte, zog Linien kreuz und quer und sprach, ich weiß nicht mehr, was für Zeug vom Hause der Venus, des Mars und des Merkurs, und verkündete sodann der Kumpanei: »Wisset, geliebte Schwestern, dieser mein natürlicher, leiblicher und geistlicher Sohn wird entweder der Messias oder der Antichrist oder Melchisedech werden.« Mein Bakkalaureus zupfte mich am Rock, denn er wollte das Loch sehen, woraus das Kind zum Vorschein gekommen war; ich winkte ihm aber ab und sagte, Schlachtschüssel möchte ich nur vom gemetzgeten Schwein.

      Antonia: Donnerwetter, da kriegt man Lust, Nonne zu werden!

      Nanna: Jetzt kommt 'ne andere Geschichte: Sechs Tage vor mir war in das Kloster, worin ich mich befand, von ihren Brüdern eine gebracht worden, das war eine ... ich will nicht sagen Schneppe ... ich sage bloß: eine Gott-weiß-was-sie-war; und aus Eifersucht auf ihren Liebsten, der einer von den Vornehmsten im ganzen Lande war, wie ich mir sagen ließ, hielt die Äbtissin sie einsam in einer Zelle eingesperrt und schloß sie nachts mit dem Schlüssel ein, den sie dann bei sich behielt. Der junge Liebhaber hatte bemerkt, daß ein mit Eisenstangen verwahrtes Fenster der Zelle auf den Garten ging; wie ein Specht kletterte er, mit seinen Nägeln sich ankrallend, an der Mauer zu diesem Fenster hinauf und gab dem Gänslein Atzung, soviel er nur hatte. Gerade in der Nacht, von der ich erzähle, kam er zu ihr, preßte sich ans Fenstergitter heran und tränkte sein Hündlein aus der Tasse, die sie ihm hinausstreckte, wobei sie sich mit den Armen an den schnöden Eisenstäben festhielt. Aber gerade als der Honig auf den Fladen troff, wurde ihm die Süßigkeit bitterer als die bitterste Arznei.

      Antonia: Wie kam denn das?

      Nanna: Der Ärmste kam in solche Verzückung bei dem ›Laß kommen, mir kommt's!‹, daß er die Hände losließ und von der Fensterbrüstung auf ein Dach, vom Dach auf einen Hühnerstall, und vom Hühnerstall auf die Erde stürzte und sich ein Bein brach.

      Antonia: Oh, hätte doch die Hexe von einer Äbtissin, die verlangte, daß eine in einem Bordell keusch sei, alle beide gebrochen!

      Nanna: Sie tat es ja nur aus Angst vor den Brüdern, die geschworen hatten, sie würden das ganze Kloster, mit allem, was drin sei, niederbrennen, wenn sie nur vom geringsten Skandälchen hörten. Aber um wieder zu unserer Geschichte zu kommen: Der Jüngling, der für seine Liebe den Hundelohn bekommen hatte, brachte mit seinem Lärm alles auf die Beine; eine jede eilte ans Fenster, hob die Läden hoch und sah im Mondenschein den armen Liebhaber zerschmettert daliegen. Zwei Weltpriester mußten aus den Betten ihrer Beischläferinnen aufstehen und wurden in den Garten geschickt; sie nahmen ihn auf ihre Arme und trugen ihn hinaus. Wie man im ganzen Land über diese Geschichte klatschte, brauch ich dir nicht zu sagen. Nach diesem Skandal gingen wir zu unserer Zelle zurück, denn wir bekamen Angst, bei diesem Belauschen fremder Heldentaten möchte uns der Tag überraschen; unterwegs jedoch hörten wir die Stimme eines Klosterbruders, das war ein rechter Schmierfink, aber ein prächtiger Kerl, und er erzählte einer großen Menge von Nonnen, Mönchen und Weltpriestern lustige Geschichten. Sie hatten die ganze Nacht bei Würfel- und Kartenspiel verbracht, und als sie nun des Zechens müde waren, fingen sie an zu schwatzen und baten den Mönch himmelhoch, er möchte ihnen doch was erzählen. Und er sprach: »Ich will euch 'ne Geschichte erzählen, die beginnt sehr lustig und endet sehr traurig, und sie handelt von einem großen Köter.« Alles schwieg nun mäuschenstill, und er begann: »Vor zwei Tagen ging ich über die Piazza und blieb stehen, um einer läufigen Hündin nachzusehen, die mit dem Geruch ihrer Brunft zwei Dutzend kleine Wauwaus angelockt hatte. Ihr Dingelchen war ganz geschwollen und so rot wie glühende Korallen, und fortwährend schnoberte bald mal der eine, bald mal der andere daran. Dies Spiel hatte ein ganzes Rudel Straßenjungen zusammengebracht, die sich darüber amüsierten, wie jetzt einer hinaufhüpfte,


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