Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

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Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада


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aus welchen Kreisen Sie stammen. Einen Arbeitersohn kann man natürlich nicht für einen Privatsekretärposten in feinem Hause empfehlen. Nicht wahr? Also, was ist der liebe Herr Vater?“

      „Tot.“

      Der Pastor ist immer noch nicht ganz zufrieden, aber er lässt es auf sich beruhen: „Soso. – Aber die Mutter, die lebt noch, nicht wahr? Die ist Ihnen noch geblieben?“

      „Herr Pastor“, sagt Kufalt und steht auf, „ich bitte, mir die Fragen kurz und knapp, wie sie dort vorgedruckt sind, vorzulesen!“

      „Aber, mein lieber, junger Freund, was haben wir denn? Ich verstehe Sie nicht. Ja, doch, doch, ich weiß, es ist eine wunde Stelle, wenn man mit seinen Nächsten auseinander ist. Daran darf nicht gerührt werden. Aber sie schreibt Ihnen doch, Ihre Mutter, sie schreibt doch?“

      „Nein, sie schreibt nicht!“ schreit Kufalt. „Und das wissen Sie ganz gut. Sie lesen ja die Briefe, Sie haben ja die Zensur.“

      „Aber, mein lieber, junger Freund, dann müssen Sie hinfahren! Zu Ihrer Mutter! Dann dürfen Sie nicht nach Friedensheim. Dann fahren Sie hin zu Ihrer Mutter, sicher verzeiht sie Ihnen!“

      „Herr Pastor“, fragt Kufalt kalt entschlossen, „was ist es mit dem Blumenstrauß?“

      Pastor Zumpe ist wirklich verblüfft. In einer ganz anderen Tonart völlig ohne Sanftheit fragt er: „Mit dem Blumenstrauß? Mit welchem Blumenstrauß?“

       „Ja, mit welchem Blumenstrauß wohl?!“ höhnt Kufalt jetzt ganz offen. „Was ist mit Ihrem Blumenstrauß, den Sie drei Wochen nach Weihnachten dem schwindsüchtigen Siemsen in die Zelle gebracht haben? Was ist mit der Anzeige von Siemsen geworden, die er gegen Sie an den Strafvollzugspräsidenten geschrieben hat? Ist die in Ihren Papierkorb gekommen?“

      Und Kufalt sieht sich wild im Zimmer nach dem Papierkorb um, als könnte die Anzeige heute, ein Vierteljahr später, noch drin liegen.

      Der Pastor ist erschüttert: „Aber mein lieber, junger Freund, so beruhigen Sie sich doch! So etwas muss Ihnen ja schaden. Sie sind einem Irrtum zum Opfer gefallen, einem jener hässlichen Gerüchte ... Wenn ich dem kranken Gefangenen Siemsen einen Blumenstrauß gebracht habe, so darum, um ihm eine Freude zu machen, aber doch nie...“

      Überwältigt bricht der Pastor ab.

      „Sie haben, Herr Pastor Zumpe“, sagt Kufalt wild, „dem Siemsen wie seiner Frau zu Weihnachten zehn Zentner Briketts und ein Lebensmittelpaket versprochen für seine Familie. Das war von der Gefangenenfürsorge bewilligt. Die Frau hat gewartet und gewartet mit den Kindern. Sie haben es einfach vergessen. Und als die Frau dann zu Ihnen gekommen ist, haben Sie sich verleugnen lassen. Und als Sie von ihr auf der Straße angesprochen worden sind, haben Sie gesagt, sie soll Sie zufrieden lassen, es sind keine Mittel mehr da. – Das ist so, Herr Pastor, das wissen alle Gefangenen im Bau und die Beamten wissen es auch.“

      „Hören Sie mal“, ruft der Pastor wütend, „das ist alles nicht wahr, Entstellungen sind das, Verleumdungen. Wissen Sie, dass ich Sie wegen Beamtenbeleidigung anzeigen kann? Die Siemsen ist eine zweifelhafte Person, sie lässt sich mit anderen Männern ein, einer Unterstützung ist sie gar nicht würdig!“

      „Wahrscheinlich soll sie ihre Gören verhungern lassen, statt auf den Strich zu gehen! – Und wie ist es denn, Herr Pastor, sind Sie nicht an dem Tage zu Siemsen mit Ihrem Blumenstrauß gekommen, als er in seiner Wut an den Strafvollzugspräsidenten geschrieben hatte?“

      „Aus Mitleid bin ich zu ihm gegangen. Die Anzeige war bloßer Unsinn, denn der Fürsorgeverein ist ein privater Verein und für den ist der Herr Präsident gar nicht zuständig!“

      „Darum haben Sie wohl dem Siemsen gute Worte gegeben, dass er die Anzeige zurücknimmt? Und das dumme Schwein tut's wirklich! Aber ich werde sie schreiben, wenn ich rauskomme, an die Zeitungen werde ich den Fall geben...“

      „Tun Sie das nur“, sagt der Pastor giftig. „Sie werden ja sehen, wie weit Sie kommen. Ich bin vierzig Jahre Pastor hier, ich habe andere Leute wie Sie ausgestanden. – Ist Ihre Mutter in der Lage, Sie zu ernähren?“

      „Nein.“

      „Welcher Religion sind Sie?“

       „Noch evangelisch. Aber ich trete so rasch wie möglich aus.“

      „Also evangelisch. – Was können Sie?“

      „Büroarbeiten.“

      „Welche?“

      „Alle.“

      „Können Sie spanische Geschäftsbriefe schreiben?“

      „Nein.“

      „Also, welche Büroarbeiten können Sie?“

      „Schreibmaschine, Stenographie, doppelte amerikanische und italienische Buchführung, bilanzsicher. Und so das Übliche.“

      „Also nicht spanisch. Können Sie Vervielfältigungsmaschinen bedienen?“

      „Nein.“

      „Falzmaschinen?“

      „Nein.“

      „Adressiermaschinen?“

      „Nein.“

      „Sehr wenig. So – nun haben Sie hier zu unterschreiben.“

      Kufalt überfliegt den Fragebogen. Plötzlich stutzt er. „Hier steht, dass ich die Hausordnung anerkenne. Wo ist denn die?“

      „Die Hausordnung ist die Hausordnung. Die müssen Sie natürlich anerkennen.“

      „Aber ich muss doch wissen, was ich anerkenne. Darf ich die mal sehen?“

      „Ich habe keine hier. Mein lieber Herr Kufalt, für Sie wird keine extra gemacht. Der haben sich alle unterworfen, also werden Sie' s auch müssen.“

      „Ich unterschreibe nicht, was ich nicht kenne.“

      „Ich dachte, Sie wünschten, in das Heim aufgenommen zu werden.“

      „Ja, aber die Hausordnung muss ich erst sehen. Sie haben sicher eine hier.“

      „Ich habe keine hier.“

      „Dann kann ich auch nicht unterschreiben.“

      „Und ich nicht Ihre Aufnahme empfehlen.“

      Kufalt steht einen Augenblick unschlüssig und betrachtet den Pastor. Der sitzt am Schreibtisch und blättert in Briefen.

      „Sie sollten die Briefe rascher zensieren, Herr Pastor“, sagt Kufalt. „Es ist eine Schweinerei, wenn die Briefe hier zwei Wochen liegen.“

      Der Pastor sieht gar nicht erst hoch. „Also Sie unterschreiben nicht?“

      „Nein“, sagt Kufalt und geht.

      * * *

       5

       Kufalt sieht sich auf dem Gang um. Drüben, bei der Aufnahme, stehen sechs, acht Mann, acht Mann in Zivil, neu eingelieferte Gefangene. Bei ihnen hat Oberwachtmeister Petrow Aufsicht, der bläst nichts, was ihn nicht brennt. Sonst ist der Gang leer.

      Kufalt geht in der anderen Richtung, vom Zellengefängnis fort, von Petrow fort, an all den Bürotüren vorbei, bis er zur Treppe, die ins Erdgeschoss führt, kommt. Dies ist eine Beamtentreppe, für Gefangene nicht zu betreten, aber er wagt es.

      Keiner begegnet ihm, er steigt nach unten, bis in den Keller, und hier stellt sich Kufalt an eine andere große Eisentür, die in des Hausvaters Reich führt. Der Pastor hat ihn auf einen Gedanken gebracht: in welchem Zustand wird sein Anzug sein?

      Fünf Jahre ist es her, seit er eingeliefert wurde, er versucht vergeblich, sich zu erinnern, was er damals anhatte. Er besaß damals nur, was er auf dem Leibe trug: Anzug und Wintermantel und Hut, und dazu in einer Aktentasche ein Nachthemd und eine Zahnbürste.

      Also wird er auch Wäsche kaufen müssen. Ehe er noch


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