Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

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Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада


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warum haben die Schneider nichts gesagt?“

      „Sind zu feige gewesen, Herr Hausvater, haben Schiss gehabt.“

      „Warum hast du's nicht zum Kunststopfen gegeben?“

      „Hab' gedacht, ich kriegte was auf den Deckel.“

      „Hier in der Hose sind auch Mottenlöcher“, lässt sich Batzke ungerührt vernehmen.

      „Schweinerei, verfluchte –! Ich sage, dieser Batzke ... Nie habe ich Motten gehabt ... Aber es geht nicht mit rechten Dingen zu, Batzke, da ist...“

      Eine Erleuchtung kommt ihm: „Die waren drin, als Sie kamen! Mitgebracht haben Sie die, Batzke!“

      „Müsste im Protokoll stehen. Müsste ich unterschrieben haben, Herr Hausvater.“

      „Und das haben Sie auch! Warten Sie!“ Der Hausvater reißt Akten aus dem Fach. „Wie lange sind Sie drin? Wann sind Sie aufgenommen?“

      „Wie soll ich das noch wissen, Hausvater?“ sagt Batzke gemütlich. „So oft wie ich rein- und rauskomme. Das steht doch alles in Ihren dicken Büchern.“

      Der Hausvater hat es schon gefunden. Er liest mit gerunzelter Braue das Aufnahmeprotokoll. Er liest es noch einmal. Und zum dritten Mal. Dann sagt er mit erzwungener Ruhe: „Also ich lass Ihnen den Anzug kunststopfen, Batzke.“

      „Ich hab' 'nen heilen Anzug mitgebracht Hausvater. Ich will mit 'nem heilen Anzug wieder raus. Ein gestopfter steht mir nicht zu.“

      „Das sieht kein Mensch, wenn der gestopft wird, Batzke. Die Stellen sind dann fester als die anderen.“

      „Brauch' keine festeren Stellen, Hausvater, ich will 'nen heilen Anzug.“

      „Woher soll ich den denn jetzt noch nehmen, Batzke? Seien Sie vernünftig. Bis Sonntag kriegen die Schneider doch keinen fertig.“

      „Gehen wir in die Stadt, Herr Hauptwachmeister. Kaufen wir einen. Ich trag auch Konfektion, Hausvater, ich bin gar nicht so.“

      „Und das Geld ... Muss ich wahrhaftig Ihretwegen beim Pfaffen betteln, dass die Gefangenenfürsorge Geld rausrückt –! – Was stehen Sie hier noch rum, Kufalt? Wollen Sie machen, dass Sie türmen!“

      „Meine Schuhe, Herr Hausvater!“

       „Was ist mit Ihren Schuhen heh? In Ihren Schuhen sind wohl auch die Motten? Gehen Sie, Herr Steinitz, lassen Sie den Kufalt durch. Einfach durchlassen. Ist ja auch so gekommen, der große Herr!“

      „Aber ich kann die Schuhe nicht...“

      „Ich kann sie auch nicht...! Himmeldonnerwetter, Steinitz, nehmen Sie den Kerl mit! Und Sie, Batzke, also hören Sie mal...“

      Kufalt ist auf dem Gang. Oberwachtmeister Steinitz lässt ihn ins Zellengefängnis. „Gehen Sie gleich auf Ihre Zelle, Kufalt. Nein, vorher melden Sie im Glaskasten beim Hauptwachtmeister, dass Sie zurück sind.“

      * * *

       6

      Als Kufalt am Glaskasten steht, um seine Meldung zu machen, ist der Kasten leer. Kein Hauptwachtmeister zu sehen. Kufalt hebt den Kopf und späht in den Bau: Nichts. Natürlich sind da Kalfaktoren im Gang, beim Schrubbern und Wachsen und Wichsen des Linoleums, und natürlich sind da Beamte unterwegs, aber hierher sieht keiner.

      Kufalt schaut in den Glaskasten. Die Schiebetür steht halb offen. Es muss gerade Post gekommen sein, ein ganzer Stoß Briefe liegt dort und obenauf liegt ein länglicher, gelber Umschlag mit einer weißen Einschreibequittung.

      Er sieht sich um. Niemand scheint auf ihn zu achten. Er späht durch die Tür. Nun liest er, was er schon ahnte: „Herrn Willi Kufalt, Zentralgefängnis.“

      Der lang ersehnte Brief von Schwager Werner Pause, der Brief mit Geld oder einer Anstellung.

      Es ist nur ein Griff, und Brief nebst Einschreibzettel sind in seiner Tasche geborgen. Langsam geht Kufalt über die Treppe zur Zelle.

      Da steht er nun an seinem Tisch unter dem Fenster, den Rücken sorgfältig gegen den Spion, damit niemand sehen kann, was er mit den Händen tut.

      Vorsichtig befingert er den Umschlag. Ja, es ist etwas drin, eine Einlage. Sie schicken ihm Geld! Es ist kein sehr umfangreicher Brief, scheint es, aber eine dickere Einlage ist darin.

      Also hat Werner ihm doch geholfen. Eigentlich, ganz drinnen, hat er nie daran geglaubt. Aber der Werner ist eben doch ein anständiger Kerl, da kann man sagen, was man will. Dass er erst, als die Sache passierte, so wütend war, nun, übelnehmen konnte man das eigentlich nicht.

      Ach, das gute Leben jetzt draußen. Wie wird es schön sein! Keine Entbehrungen, wenn er natürlich auch sehr, sehr sparsam sein wird. Aber man kann in ein Café gehen und vielleicht mal in eine Bar...

       Unter tausend Mark können sie nicht schicken, sonst ist es überhaupt kein Start. Und in vier oder fünf Wochen kann man dann noch einmal um eine größere Summe bitten, drei- oder viertausend, um sich ein nettes Geschäft einzurichten, vielleicht Zigaretten...

      Nein. – Nein. –

      Die Einlage ist kein Geld, ein Schlüssel, ein flacher Schlüssel, ein Kofferschlüssel. Schade ... Und der Brief:

      „Herrn Willi Kufalt,

      z. Z. Zentralgefängnis, Zelle 365.

      Wir beehren uns, Ihnen im Auftrage von Herrn Werner Pause mitzuteilen, dass Herr Pause Ihren Brief vom 3.4. und Ihre früheren Briefe erhalten hat. Herr Pause bedauert, Ihnen sagen zu müssen, dass z. Z. in seinen Büros keine Stellung für Sie frei ist, dass er aber auch, selbst wenn eine frei würde, sie aus sozialen Gesichtspunkten einem der vielen nicht vorbestraften Arbeitslosen geben müsste, die teilweise im tiefsten Elend leben. Was die weiter von Ihnen erbetene geldliche Unterstützung angeht, so bedauert Herr Pause, Sie auch in diesem Punkte abschlägig bescheiden zu müssen. Nach unseren Erkundigungen haben Sie während Ihrer Haftzeit eine nicht unbeträchtliche Summe für Arbeitsbelohnung verdient, die Sie direkt nach Ihrer Entlassung vor Entbehrungen schützen dürfte. Auch verweist Sie Herr Pause nachdrücklich auf die zahlreichen Fürsorgevereine, in deren Arbeitsgebiet Ihr Fall fällt und die sicher gerne etwas für Sie tun werden.

      Herr Pause lässt Sie nachdrücklichst ersuchen, weitere Zuschriften weder an ihn noch an seine Frau, Ihre Schwester, oder an Ihre Mutter zu richten. Die gehabten Aufregungen sind nur schwer und unvollkommen verwunden, ihre Wiederaufrührung würde nur schärferes Abrücken von Ihnen zur Folge haben. Herr Pause lässt Ihnen aber per Eilfracht einen Teil Ihrer Sachen zugehen, den Rest werden Sie erhalten, wenn Sie sich mindestens ein Jahr einwandfrei geführt haben. Den Kofferschlüssel fügen wir diesem Briefe bei.

      Indem wir Ihnen dieses mitteilen, verbleiben wir

      mit vorzüglicher Hochachtung

      Pause und Mahrholz

       ppa. Reinhold Stekens.“

      Der Maitag ist noch immer hell und strahlend, die Zelle ganz licht. Draußen ist Freistunde. Die Füße scharren und scharren.

      „Fünf Schritte Abstand! Abstand halten!“ ruft ein Wachtmeister. „Halten Sie den Mund, oder es gibt eine Anzeige!“

      Kufalt sitzt da, den Brief in der Hand. Er starrt vor sich hin.

      * * *

      Zweites Kapitel – Die Entlassung – 7

       Zweites Kapitel – Die Entlassung – 7

       Kufalt erinnert sich genau, wie das war, als Tilburg vor drei oder vier Jahren entlassen wurde. Tilburg war ein ganz gewöhnlicher Gefangener gewesen, er war nach keiner Richtung hin aufgefallen. Er war auch kein besonders schwerer Junge gewesen, hatte einen normalen Knast von zwei oder drei Jahren abgerissen. Was er während dieses Knasts erlebt und gedacht hatte, das konnte man ja nun nicht wissen. So was kann niemand im Kittchen wissen, nicht einmal der Betroffene.


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