Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

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Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада


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anweisen, dass er Ihnen ein Paar alte Arbeitsstiefel von den Außenarbeitern gibt. Die tun vollkommen Dienst für Sie.“

      „Aber ich kann nicht...“

      „Sie werden können müssen, Kufalt ... Für Reisegeld bis Hamburg brauchen Sie fünf Mark, für die erste Woche zu leben zehn Mark. Ihnen werden also bei der Entlassung fünfzehn Mark siebenundachtzig ausbezahlt, der Rest wird an das Wohlfahrtsamt überwiesen.“

      „Herr Direktor hat aber...“ Kufalt überlegt.

      „Nun, was hat Herr Direktor...? Quatschen Sie sich rein aus, Kufalt. Ich habe heute nichts weiter mehr vor, als Sie abzufertigen.“

      „Herr Direktor hat verfügt, dass mir meine Arbeitsbelohnung bei der Entlassung voll ausbezahlt wird.“

      „Ach nee? Und warum weiß ich nichts von der Verfügung?“

      „Herr Direktor hat es heute früh genehmigt“, beharrt Kufalt.

      „Sie lügen, Kufalt. Herr Direktor kann das gar nicht verfügt haben, das widerspricht allen Anordnungen des Strafvollzugsamtes. Damit das Geld in einer Woche alle ist, und wir Steuerzahler dürfen Sie ernähren? Das möchten Sie!“

      „Herr Direktor hat es verfügt.“

      „Dann müsste es in Ihren Akten stehen. Da steht nichts.“

      „Ich verlange mein Geld voll ausbezahlt!“

      „Jawohl. Fünfzehn Mark siebenundachtzig. Unterschreiben Sie jetzt, dass Sie die Abrechnung anerkennen.“

      „Ich bitte um Vorführung bei...“

      Kufalt hat eine Erleuchtung: „Bei Herrn Pastor!“

      „Beim Pastor –?“

      „Jawohl, bei Herrn Pastor!“

      „Wachtmeister – aber es ist das letzte Mal, dass ich Sie vorführen lasse, Kufalt! Ihre Stänkereien habe ich satt! – Wachtmeister, führen Sie den Mann zum Pastor!“

      „Was machen Sie für Sachen, Kufalt“, sagt der Wachtmeister missbilligend auf dem Gang. „Sie machen sich ja ganz zunichte. Wie an die Wand gespuckt sehen Sie aus.“

      „Die sollen tun, was uns zusteht!“ sagt Kufalt.

      „Dumm sind Sie“, sagt der Wachtmeister. „Wären Sie dem Inspektor ein bisschen hinten reingekrochen wie der Batzke, hätten Sie Ihr ganzes Geld ausbezahlt gekriegt. Aber wenn Sie ihn immerzu ärgern!“

      „Ich verlang' mein Recht“, beharrt Kufalt.

      „Deswegen sind Sie eben dumm“, stellt der Wachtmeister fest.

      „Herr Pastor“, sagt Kufalt zu dem Geistlichen, der ihn ärgerlich betrachtet, „ich habe es mir überlegt, ich will die Anmeldung für Friedensheim doch unterschreiben.“

      „So? Wollen Sie das nun? Und wenn ich nun nicht glaube, dass Sie dessen würdig sind? Es ist ein gemeinnütziges Institut.“

       „Herr Direktor hat gesagt, ich soll dorthin.“

      „Herr Direktor hat sich eben in Ihnen getäuscht. – Nun, meinetwegen, unterschreiben Sie.“

      Kufalt schreibt.

      Und sagt stolz zum Inspektor: „Meine Arbeitsbelohnung ist nach Friedensheim zu überweisen. Herr Pastor hat eben meine Aufnahme genehmigt.“

      „Sie gehen nach Friedensheim? Mensch, Kufalt, Sie gehen nach Friedensheim?! Oh, Manning, Manning, und so was riskiert 'ne Lippe!“ Der Inspektor schüttelt sich vor Vergnügen.

      Kufalt ist wütend.

      „Kriecht zu Kreuz, der liebe, kleine Kufalt! Na, Sie werden noch an mich denken, wie ich hier gelacht habe!“

      Kufalt wird ängstlich, ihm ist sehr ungemütlich: „Fehlt was in Friedensheim?“

      „I wo! Was soll da fehlen?! Gar nichts fehlt da. Im Gegenteil. – Aber dann brauchen Sie natürlich keine fünfzehn Mark. Fünf Mark Reisegeld sind voll genug. Schreiben Sie, Ellmers, fünf Mark siebenundachtzig zur Auszahlung, dreihundertzehn Mark an Friedensheim.“

      Kufalt denkt an seinen Hunderter im Strumpf und protestiert gar nicht erst.

      „Na, Gott sei Dank, da steht ja nun der Name ‚Kufalt’. Wir sind fertig mit dem Mann, Wachtmeister. Führen Sie den Mann auf seine Zelle. Gott sei's getrommelt und gepfiffen. Drei solche wie Sie, Kufalt...“

      Als Kufalt am Glaskasten vorbeikommt, hebt der Hauptwachtmeister wieder den Kopf und sieht Kufalt wieder scharf an. Sagt aber nichts.

      Die Luft ist nicht sauber, findet Kufalt, und in der Zelle bindet er sofort Brief und Einschreibezettel zu einem Röllchen zusammen, klettert ans Fenster und bindet das Röhrchen seitlich so an einen der Gitterstäbe, dass es weder von außen noch von innen zu sehen ist.

      Dann holt er den Hunderter aus dem Strumpf und macht aus ihm ein Röllchen, das er fest zwischen die Gesäßbacken drückt.

      „Irgendwas ist nicht im Lote. Rusch glotzt so.“

      Nun aber ist er alle, er klappt sein Bett runter und wirft sich darauf, vollkommen erledigt.

      * * *

       12

      Er muss sehr fest geschlafen haben. Als er aufwacht, sieht er, dass – mit dem Rücken gegen ihn – eine kurze fette Gestalt an seinem Schränkchen steht, in Uniform, mit einem dicken, kurzgeschorenen Schädel darüber: der Hauptwachtmeister Rusch.

      Er hat das Gesangbuch in der Hand. Nun fasst er es bei beiden Deckeln, schüttelt es – und nichts fällt zur Erde. Dann schaut Rusch durch die Rückenhöhlung.

       Er legt das Gesangbuch in den Schrank zurück und kriegt die Bibel vor.

      Kufalt denkt: ‚Such du nur!’ und bleibt liegen, mit offenen Augen.

      Der Hauptwachtmeister schließt die Schranktür und geht an den Tisch. Er macht eine tiefe Kniebeuge und sieht unter die Tischplatte. Als er sich wieder aufrichten will, begegnet sein Blick dem des Gefangenen. Aber der Hauptwachtmeister hat sich in der Gewalt. Er geht gegen das Bett: „Schlafen! Schlafen! Heller Tag! Arbeiten!“

      „Die haben mir ja die Arbeit fortgeholt“, sagt Kufalt.

      „Scheuern! Rein machen! Wienern! Tischplatte ist ganz schietig! Drunter! Drunter!“

      „Mach' ich, Herr Hauptwachtmeister. Mach' ich, mach' den Tisch auch von unten reine!“ sagt Kufalt und eilt zum Tisch.

      „Halt! Wann haben Sie Post gehabt?“

      „Wann –? Ja, das ist lange her, Herr Hauptwachtmeister. Warten Sie...“

      „Heute keinen Brief bekommen?“

      „Nee. Ist ein Brief für mich da? Au fein, der ist von meinem Schwager, der schickt Geld.“

      „So!!!“ sagt der Hauptwachtmeister, betrachtet sich noch einmal seinen Gefangenen und murrt: „Wienern! Scheuern! Rein machen! Bett hoch machen!“ Und geht aus der Zelle.

      „Und mein Brief?“ ruft Kufalt, aber der Hauptwachtmeister ist schon fort.

      So stürzt er sich wirklich über den Tisch, er hat noch nie daran gedacht, dass man den auch von unten rein machen könnte. Und als er damit fertig ist, hängt er sein Schränkchen ab und scheuert die Rückwand.

      Er ist gerade dabei, als er merkt, dass ein ungewohnter Lärm durchs Haus geht. In allen Stationen wird Zelle um Zelle aufgeschlossen, etwas hineingerufen – Kufalt springt auf und lauscht. Aber er versteht nicht, bis er das Wort ‚Brief’ hört, dann ‚falscher’, er grinst.

      Näher und näher kommt seiner Zelle das Gerassel, nun sind sie in der Zelle nebenan, und nun...

      Seine Tür geht auf, ein Wachtmeister steckt den Kopf rein: „Ist hier ein falscher Brief ... ach so, Sie sind das Kufalt, nee,


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