Krisheena - Tor zum Abyss. Andreas Nass

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Krisheena - Tor zum Abyss - Andreas Nass


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testete ich meine Stimme und schluckte erneut, bevor ich sicherer wieder fortfuhr. »Ein Wirt weiß immer, wer in der Gegend neu ist.«

      Voller Tatendrang marschierte meine neue Verbündete zur Türe. Ich raffte mich auf und stiefelte hinter ihr her die Treppe hinab in den belebten Schankraum.

      Emsig bewegten sich die breiten Schultern des bärtigen Wirts hinter dem Tresen hin und her.

      »Ah, da seid ihr ja«, ein dicker Finger zeigte knapp oberhalb der Holzplatte auf uns. »So geht das nicht, einfach meine Gäste aus einem Gespräch zerren!« Sein Aufruhr diente mehr dazu, seinem Unmut Luft zu machen, als tatsächlich Rechenschaft zu verlangen.

      »Wir hatten zu reden«, sagte Moi’ra kühl.

      Dem starren Blick der kühlen Kämpferin konnte der aufgebrachte Wirt nicht standhalten. Er widmete sich wieder mit einem benutzten Putzlappen den großen Krügen.

      »Aber er war nicht gesprächig. Vielleicht könnt Ihr uns weiterhelfen.« Sie sprach feststellend, nicht fragend.

      »Die Blutige Axt ist ein Treffpunkt für viele Reisende.« Ich hatte seine Aufmerksamkeit. »Und wenn einer weiß, ob ein Fremder in die Stadt gekommen ist, dann doch ein Wirt Euren Formats.«

      Stolz des Lobes wuchs er ein wenig in die Höhe.

      »Kann sein, dass ich etwas weiß«, deutete er grummelnd an.

      Mehrere Münzen glänzten, als ich meine Hand wieder vom Tresen zog. Wortlos nahm er sie an sich und biss testend in sie hinein.

      »Gut.« Die Münzen verschwanden unter seine Schürze. »Ihr sucht jemanden, aber das ist in so einer großen Stadt nicht einfach. Bei dem ganzen Gesindel hier verliert auch jemand wie ich leicht den Überblick. Aber ich wäre nicht Gombor, wenn ich nicht von dem wachsamen Auge der Stadtwache wüsste. Sie bewachen alle Tore, niemand betritt oder verlässt die Stadt ohne ihr Wissen. Es sind alles Minotauren, groß gewachsene Krieger.«

      Hinter uns klirrte ein Krug. Grunzende Laute verrieten den Zank – ich erkannte die Schimpfworte eines Hygulls an seinen kläffenden Lauten.

      »Hey! He, das bezahlst du, du Kröte!«, bellte der aufgebrachte Gast einen hutzligen Gnom an. Die Hyänenschnauze beugte sich geifernd über die hoffnungslos unterlegene, kleine, menschenähnliche Gestalt.

      Um Schlimmeres zu verhindern, polterte der Wirt den Tresen entlang. Er verschwand aus meiner Sicht und tauchte an der Seite wieder auf. Meine erste Vermutung bestätigte sich. Die gedrungene Gestalt hatte kurze Beine. Ein stämmiger Zwerg. Ich lugte über die Theke. Dort verlief eine erhöhte Fußleiste.

      Wutschnaubend hielt der Ladenbesitzer auf die Streitenden zu, doch es war zu spät. Mit beiden Händen hatte der Hygull bereits ein Tablett mit dampfenden Schüsseln von einem anderen Tisch genommen und zum Schlag gegen den Gnom ausgeholt. Das dicke Holz zersplitterte, Suppe, Blut und Gehirn verteilte sich auf Gäste und Möbel.

      »Und wer kann jetzt wieder den Dreck beseitigen? Na?«, wollte der Zwerg mit geballter Faust drohend wissen. Um ihn herum warteten mehrere Augenpaare auf einen günstigen Moment, den Erschlagenen zu rächen.

      Auch wenn ich gerne der sich entwickelnden Kneipenschlägerei gefrönt hätte, war der Augenblick günstig, ohne Aufsehen die Kaschemme zu verlassen. Im Gehen sandte ich geistige Energien den Streithähnen zu, um ihre aggressive Stimmung weiter anzustacheln.

      Noch bevor wir die Straße betraten, vermischten sich die Anschuldigungen mit handgreiflichen Schlägen. Die Stadt fing an, mir zu gefallen.

      Es war nicht weiter schwierig, sich zum Hauptquartier der Minotauren durchzufragen. Jeder kannte diesen Ort, und ich nutzte die Gelegenheit, zwei vorbeikommende Wächter anzusprechen. Ihre Augen glitzerten, als sie meine Annäherung bemerkten.

      »Entschuldigt, wenn ich so direkt meine Worte an euch richte, aber ich bin völlig verwirrt von diesen ganzen Gassen und verschlungenen Wegen.« Ärgerlich wischte ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Mir wurde gesagt, wenn ich etwas brauche, sollte ich mich an die Stadtwache richten.«

      Um ihren Geist etwas abzulenken und meine folgende Bitte leichter zu befolgen, löste ich mit geneigtem Kopf mein Haarband, schüttelte kräftig meine Haare durch und sammelte die verteilten Strähnen mit beiden Händen ein. Dazu reckte ich die Arme über den Kopf, was meine weiblichen Kurven deutlich zur Geltung brachte. Als wäre es das Natürlichste der Welt, nahm ich mir viel Zeit, den langen Zopf zu bändigen.

      Beide Minotauren lehnten sich auf ihre großen Äxte und warteten geduldig. Ihre Augen wanderten von meinem Scheitel bis zu den Sohlen meiner hohen Stiefel.

      »Bringt ihr mich zu eurem Quartier?« Ein, zwei Augenblicke verstrichen, damit ihnen die Doppeldeutigkeit zu denken gab. »Es gibt doch ein Hauptquartier, oder?«

      »Ja, ja«, räusperte sich der links von mir Stehende.

      »Oh, das ist so lieb von euch! Ich bin Crish, das ist Moi’ra. Es ist ja so schön, auf so hilfsbereite …« Mein Wortschwall zog sich bis zum Eingang der Minotaurenhöhlen hin und gab ihnen keine Chance, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Sie kamen nicht einmal auf die Idee, uns zwei hübsche Mädels in eine Ecke zu zerren und zu vergewaltigen. »… und wer führt euch an?«

      Gezielte Fragen entlockten ihnen wertvolle Informationen.

      »Unser Leutnant, Torvac«, kam die raue Antwort.

      »Ist er auch ein Minotaurus, dieser Torvac?«, gab ich mich naiv.

      »Er ist der Stärkste von uns allen. Nur ein Minotaurus führt einen Minotaurus an!« Er sprach mit dem stolzen Brustton der Unabhängigkeit.

      »Ihn will ich sprechen! Geht das? Ja?« Sie konnten meinen bettelnden Augen nicht widerstehen.

      Wir bogen um ein längliches Gebäude und gingen geradewegs auf einen hohen Höhleneingang zu. Beide Minotauren grüßten respektvoll mit geschlossener Faust vor der Brust zwei Wachen am Eingang. Es gab also eine Hackordnung. Ich spürte ihre schmachtenden Blicke in meinem Rücken, was sicherlich noch durch meine schwingenden Hüften verstärkt wurde.

      Innen war es deutlich kühler als in den staubigen Gassen. Abzweigungen führten in zahlreiche von Fackeln beleuchtete Gänge. Schnell war mir klar, dass ich mich ohne weitere Hilfe hier völlig verlaufen würde. Ich sah keine Hinweise, auch nicht, als ich mich aufmerksam umsah. Keine Systematik hatte dieses Labyrinth geformt, dennoch wanderten wir, so hatte ich das Gefühl, sehr zielstrebig immer tiefer in den Komplex. Kleinere und größere Gruppen von Minotauren passierten uns. Viele gingen in einen sehr weitläufigen Raum, an dem wir kurz vorbeikamen. Zahlreiche Tische und Bänke füllten den Saal, offenbar der Speisenraum, und dort befand sich, an der gegorenen Würze erkennbar, auch ein Schankraum.

      Wände und Boden bestanden aus gestampftem Lehm. An einigen Stellen ragten Felsen heraus. In einem Gang sah ich Reihen von Vorhängen aus Stoff oder Leder, die allem Anschein nach als Sichtschutz für die dahinter befindlichen Räume dienten.

      Noch während ich mich interessiert umschaute, hielten wir an. Fast wäre ich in einen unserer Begleiter hinein gelaufen. Wir standen vor einem breiten, mit dickem Leder verdeckten Durchgang.

      »Wartet hier!«, gebot der Gesprächigere und schob sich in den Raum.

      Gelangweilt spielte ich mit einer Haarsträhne und lugte aus unschuldigen Augen zum verbliebenen Minotaurus hinüber. Ob er schüchtern war? Sein Fell hatte einen rötlichen Stich. Ich legte meinen Kopf schräg und sah ihn unverhohlen mit aufreizenden Augen an. Sein Blick wich meinem aus und wanderte an mir hinab. Seine verstärkte Rottönung schrieb ich einer Einbildung zu.

      Leder knarrte und eine große Hand winkte uns heran.

      »Ihr sollt eintreten!«

      Ich gewährte Moi’ra den Vortritt und schlüpfte hinter ihr her in die geräumige Höhle. Ein hoher, breiter Tisch stand in der Mitte, dahinter ein Stuhl mit mächtiger Rückenlehne. Kleine Verzierungen darin hatten die Form von Äxten und Hörnern. An einer Wandseite war ein Ritterschild mit dem Wappen einer flammenden Faust angebracht, dahinter


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