Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
Читать онлайн книгу.kann die Entscheidung, ob das Bezugsrecht ausgeschlossen werden soll, gem. § 203 Abs. 2 S. 1 AktG in der Gründungssatzung oder in dem Ermächtigungsbeschluss auch dem Vorstand der Gesellschaft übertragen werden, welcher bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals dann lediglich noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (Ausschlussermächtigung). Letzteres – in der Praxis der häufigere Fall – muss in dem Ermächtigungsbeschluss oder der Gründungssatzung klar zum Ausdruck kommen. Nicht ausreichend ist insoweit die Ermächtigung zur Sachkapitalerhöhung mit genehmigtem Kapital.[557]
249
Der Bezugsrechtsausschluss in der Form des Direktausschlusses ist notwendiger Bestandteil des Ermächtigungsbeschlusses. Eine Ausschlussermächtigung kann dagegen nach h.M. nachträglich durch eine Satzungsänderung in ein bereits existierendes genehmigtes Kapital eingefügt werden.[558] Der Bezugsrechtsausschluss bedarf sowohl als Direktausschluss als auch in der Form der Ausschlussermächtigung einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Da diese Voraussetzung bereits in § 202 Abs. 2 AktG enthalten ist, spielt der Verweis für den Direktausschluss von § 203 Abs. 1 AktG auf § 186 Abs. 3 S. 2 AktG nur insoweit eine Rolle, als die Satzung der Gesellschaft für den Ausschluss des Bezugsrechts bestimmte Regelungen enthält.[559]
250
Weiterhin sind die Berichtspflichten des § 186 Abs. 4 AktG einzuhalten. Nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG hat der Vorstand der HV einen schriftlichen Bericht über den Grund für den teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechts vorzulegen. In dem Bericht ist der vorgeschlagene Ausgabebetrag nur zu begründen, wenn dieser bereits durch die HV selbst festgesetzt werden soll.[560]
251
Im Bericht des Vorstands an die HV ist insbesondere der Ausschluss des Bezugsrechts zu rechtfertigen.[561] Die sachliche Rechtfertigung für den Bezugsrechtsausschluss bei der Schaffung bzw. Ausnutzung genehmigten Kapitals richtet sich in abgeschwächter Form nach den bereits auf den Bezugsrechtsausschluss im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung anwendbaren Grundsätzen. Für die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses beim genehmigten Kapital kommt es im Ermächtigungsbeschluss nur darauf an, dass die Kapitalmaßnahme unter Ausschluss des Bezugsrechts im Interesse der Gesellschaft liegt.[562] Dies gilt sowohl für den Direktausschluss als auch die Ausschlussermächtigung. Hingegen ist es nicht notwendig, dass bereits im Zeitpunkt der Fassung des Ermächtigungsbeschlusses Angaben durch den Vorstand zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses gemacht werden,[563] wie dies bei der ordentlichen Kapitalerhöhung der Fall ist. Eine derartig konkrete Prüfung kann beim genehmigten Kapital im Zeitpunkt der Schaffung gerade nicht durchgeführt werden.[564] Ob der Vorstand bei seiner Entscheidung zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals prüfen muss, ob der Bezugsrechtsausschluss für die konkrete Maßnahme nicht nur im Interesse der Gesellschaft liegt, sondern darüber hinaus auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein muss, ist sehr umstritten und höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt.[565]
252
Aufgrund der Besonderheiten des genehmigten Kapitals ist es ausreichend, dass im Vorstandsbericht die beabsichtigte Maßnahme der HV generell-abstrakt beschrieben wird.[566] Erforderlich ist ein Bericht der Verwaltung, welcher die zukünftigen Maßnahmen, die mit dem genehmigten Kapital durchgeführt werden sollen, so gut wie möglich konkretisiert, so z.B. die Absicht, in geeigneten Fällen Beteiligungen an Unternehmen gegen die Überlassung von Aktien erwerben zu wollen.[567] Die Rechtfertigung kann auch durch die allgemeine Beschreibung eines Finanzierungsinteresses der Gesellschaft erfolgen.[568] Ein formularartiger Hinweis auf eine nicht näher beschriebene Neuorientierung der AG genügt jedoch nicht den Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses beim genehmigten Kapital.[569] Der Vorstand ist nicht verpflichtet, vor Ausübung der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung und zum Bezugsrechtsausschluss die Aktionäre über den Ausschluss des Bezugsrechts zu informieren.[570] Er hat lediglich nach Inanspruchnahme der Ermächtigung auf der nächsten ordentlichen HV zu seinem konkreten Vorgehen zu berichten und Fragen der Aktionäre zu beantworten.[571]
253
Die Rechtsprechung des BGH ist praxisgerecht. Im Hinblick auf den Charakter des genehmigten Kapitals erscheint es gerechtfertigt, dass in dem frühen Stadium der Beschlussfassung über die Schaffung des bedingten Kapitals die Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss nicht übertrieben hoch sind, um der Verwaltung die berechtigte Finanzierungsflexibiliät zu geben.[572] Ein Missbrauch des genehmigten Kapitals durch die Verwaltung ist wegen des Haftungsrisikos der §§ 93, 116 AktG in der Regel nicht zu befürchten.[573]
3.2.4 Erleichterter Bezugsrechtsausschluss
254
Die Regelungen zum erleichterten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG[574] gelten auch bei der Schaffung genehmigten Kapitals. Wie beim normalen Bezugsrechtsausschluss für genehmigtes Kapital kann die HV den erleichterten Bezugsrechtsausschluss direkt im Hauptversammlungsbeschluss beschließen oder – trotz des fehlenden Verweises von § 203 Abs. 2 S. 2 AktG auf § 186 Abs. 3 S. 4 AktG – die Entscheidung in der Ermächtigung auf den Vorstand delegieren.[575]
255
Umstritten ist die Anwendung der 10-%-Regelung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG. So könnte die HV zunächst genehmigtes Kapital in Höhe von 50 % des bisherigen Grundkapitals schaffen und dann den Vorstand ermächtigen, Bezugsaktien unter Anwendung der Regelungen zum erleichterten Bezugsrechtsausschluss in jeweils 10 % Tranchen auszugeben. Eine solche Vorgehensweise ist von der Rechtsprechung zu Recht als unzulässig bewertet worden.[576] Denn die Ermächtigung des Vorstands darf nicht weiter gehen als die Kompetenz der HV selbst. Auch die HV kann bei einem direkten, erleichterten Bezugsrechtsausschluss in dem Ermächtigungsbeschluss diesen nur beschließen, wenn die Kapitalerhöhung 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt. Soweit also genehmigtes Kapital geschaffen wird, welches mehr als 10 % des bisher vorhandenen Grundkapitals umfasst, ist ein erleichterter Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG weder im Ermächtigungsbeschluss noch später durch den Vorstand möglich.
3.3 Umsetzung der Ermächtigung
3.3.1 Beschluss des Vorstands
256
Mit der Ermächtigung des Vorstands durch die HV zur Ausgabe von neuen Aktien aus genehmigtem Kapital kann die HV den Vorstand nicht zur Durchführung der Kapitalerhöhung verpflichten. Vielmehr entscheidet der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis nach § 77 AktG über die Durchführung der Kapitalerhöhung nach pflichtgemäßem Ermessen.
257
Soweit der Ermächtigungsbeschluss keine besonderen Angaben enthält, entscheidet der Vorstand bis zur zulässigen Höchstgrenze über den Umfang der Kapitalerhöhung, seine Vollziehung in verschiedenen Tranchen,[577] den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, insbesondere den Ausgabebetrag. Wenn der Ermächtigungsbeschluss diese Kompetenz dem Vorstand überträgt, entscheidet er auch über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre.
3.3.2 Ausgabe der neuen Aktien
258
Wie bei der regulären Kapitalerhöhung[578] sollen gem. § 203 Abs. 3 S. 1 AktG die neuen Aktien nicht ausgegeben werden, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Für Versicherungsgesellschaften kann die Satzung etwas anderes bestimmen (§ 203 Abs. 3 S. 2 AktG). Die Ausgabe neuer Aktien wird auch nicht durch das Ausstehen von Einlagen in verhältnismäßig unerheblichem Umfang gehindert (§ 203 Abs. 3 S. 3 AktG). Weitere Ausnahmen gelten gem. § 203 Abs. 4 AktG bei Arbeitnehmeraktien sowie bei Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen (§§ 69 Abs. 1 S. 2 und 3, 125 S. 1 UmwG).