Tokeah. Charles Sealsfield

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Tokeah - Charles  Sealsfield


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Tafel von einfacher, kunstloser Arbeit. Auf derselben Seite hing ein Karabiner von amerikanischer Arbeit und daneben ein zweiter sehr schön gearbeiteter, doppelläufiger Stutzen und eine Jagdflinte. Gegenüber waren indianische Waffen in zierlicher Ordnung gereiht: Köcher von Damhirsch- und Alligatorfellen, Bogen, Schlachtmesser und Tomahawks. In der Mitte war eine ziemlich große, kunstreich verzierte Tasche zu sehen, die, einer Jagdtasche nicht unähnlich und auf Wampumart reichlich gewirkt, wahrscheinlich die mysteriöse Medizin des Häuptlings enthielt, die bekanntlich von Vater auf Sohn übergeht, und welcher der amerikanische Wilde, als Symbol der Gewalt, ebensoviele Ehrfurcht bezeugt, als die europäischen Völker den Zeptern, Tiaren und Kronen ihrer geistlichen und weltlichen Herrscher vor alters erwiesen. Die Dämmerung, kurz in diesen Gegenden, war bereits in Dunkelheit übergegangen, als zwei weibliche Gestalten in die Stube traten.

      »Meine Töchter sind lange ausgeblieben«, sprach der alte Mann, der sich auf dem erwähnten Tillandseasitze niedergelassen hatte, seinen Kopf in beiden Händen ruhend.

      »Sie haben die Trauben gesammelt, die Vater so sehr liebt«, erwiderte eines der Mädchen.

      Canondah, die mit Rosa zurückgekehrt war, nahm nun ein irdenes Geschirr, füllte es mit Trauben und setzte es mit zwei andern, deren eines getrocknete Hirschschinken und das andere geröstete Maiskörner enthielt, vor ihren Vater. Sie goß dann eine Flüssigkeit aus einem irdenen Kruge in einen Becher und reichte diesen gleichfalls dem alten Mann, der, nachdem er einen Zug getan, ihn wieder zurückstellte, hierauf einige Stücke vom Hirschschinken schnitt und eine Handvoll gerösteten Kornes nahm. Sein Mahl war ebenso schnell geendigt, als die Vorbereitungen dazu kurz waren, und in wenigen Minuten räumte Canondah die Tafel.

      »Sind meine Kinder nicht hungrig?« fragte er seine mit Wegtragung der Gerichte beschäftigte Tochter.

      »Sie haben von den Trauben gegessen.«

      »Gut!« versetzte der alte Mann und legte sein Haupt wieder in seine vorige Stellung. Das Mädchen hatte kaum diese Bewegung bemerkt, als sie vorwärts glitt, und, vor dem Häuptling niedersinkend, ihre Hände auf ihrem Busen faltete. Er hatte die seinigen auf ihre Schultern gelegt, gleichsam als segnete er sie. So wie sie die Berührung fühlte, brach sie in eine Art melodischen Sumsens aus, das dem Tone entfernter Blasinstrumente nicht unähnlich war. Allmählich jedoch wurde ihre Stimme lauter und stärker, wirbelnd ging sie in die wilden leidenschaftlichen Töne ihres Volksstammes über und wieder in die sanftern der weiblichen Brust. Als sie eine Weile in ihrem improvisierenden Gesang fortgefahren, schien sich ihre Begeisterung dem alten Manne mitzuteilen. Er beugte sich herab zur Sängerin, und seine Stimme vereinte sich mit der ihrigen in den gewöhnlichen tiefen indianischen Kehlentönen. Plötzlich hielt sie inne und fragte singend in den melodischsten Tönen nach der Ursache der Schwermut ihres Vaters.

      »Warum«, sang sie, »ist der Blick des Miko der Oconees trübe, sein Angesicht verfinstert? Er ist ferne von den Gräbern seiner Väter, aber der große Geist ihm nahe; seine Wolken schwimmen beschützend über seinem Haupte, ihn verbergend seinen Feinden, auf daß sie ihn nicht sehen mögen, bis er erstehen wird in seinem gerechten Zorne.« Und sie brach aus in eine melancholische, wild prachtvolle Phantasie, besingend die Großtaten der Mikos der Oconees auf dem Kriegspfade und auf der Jagd; dann sang sie den Ruhm ihres Vaters, seine Wunden und Taten, malte die Schlachten, die er gegen die Tscherokesen und die Weißen geliefert, die Gefahren seines Zugs über den großen Fluß, seine kindliche Frömmigkeit, die ihn nicht ruhen ließ, bis er wieder die Gräber seiner Väter gesehen hatte, und ihren Ton herabstimmend, rief sie den großen Geist an, seinen Pfad von Dornen auf der bevorstehenden Jagd freizuhalten.

      Es war nicht ein eigentlicher Gesang, sondern vielmehr eine Improvisation; aber die reiche Melodie und die außerordentliche Biegsamkeit ihrer Stimme, die von den tiefsten Tönen zu den höchsten hinaufwirbelte und wieder das seufzende Lüftchen oder den heulenden Sturm nachahmte, und zuletzt gleich einer begeisterten Seherin Trost wie aus höheren Sphären sprach – alles dies gab ihrem Gesange eine unbeschreibliche Wirkung.

      »Meine Tochter«, sprach der alte Mann, »hat vergessest, zum Lobe des großen Häuptlings der Cumanchees zu singen.«

      »Sie will ihre Töne in sein Ohr wispern, wenn er im Wigwam ihres Vaters sein wird«, erwiderte sie. »Gut!« war die Antwort.

      »Und hat die weiße Rosa keine Zunge, den Gesang der Oconees zu singen?« fuhr er nach einer kleinen Pause fort. Canondah wandte sich und fühlte mit ihrer Hand. Keine Rosa war da. Sie stand auf, suchte herum in der dunkeln Stube, die weiße Rosa war nicht zugegen.

      »Sie ist unter dem großen Baume«, sagte sie, indem sie sich langsam, und wie es schien, mit einem schweren Herzen anschickte, sie aufzusuchen.

      Als Rosa mit Canondah ins Zimmer getreten war, zog sie sich zum Vorhange zurück, der beide Stübchen voneinander trennte. Da blieb sie ängstlich harrend eine Weile stehen, wahrscheinlich in der Hoffnung, der Häuptling würde sogleich nach seinem Mahle sich zur Ruhe begeben.

      Als Canondah jedoch sich vor ihm niederließ und in die wohlbekannten Töne des Nachtgesanges ausbrach, schien sie ihre ganze Besonnenheit zu verlieren. Sie schwankte vorwärts, rannte zurück – sie zitterte und bebte. Endlich eilte sie rasch durch die Türe in das zweite Stübchen, legte ihr Seidenkleid ab und warf sich in ein leichtes Kalikoröckchen, nahm dann eine Wolldecke, warf sie über einen Korb und stahl sich ins erste Gemach. Zitternd war sie an der Schwelle angelangt, bebend hatte sie diese überschritten. Ihre Brust schlug laut, ihre Knie schlotterten, als sie sich der Wand näherte und die mysteriöse Tasche berührte und endlich durch die Dunkelheit bis zur Türe forttappte.

      Die Bewohner des Dörfchens waren bereits in tiefen Schlaf begraben, die Gipfel der Bäume glänzten im silbernen Mondlichte gleich Riesengestalten, während die Nachtdünste von dem nahen Wasserspiegel, ähnlich den Geistern der Vorwelt, in ungeheure Leichentücher gehüllt, über die Hütten wellenförmig sich fortbewegten. Nicht eine menschliche Gestalt war zu sehen. Das Mädchen hielt eine Weile inne und eilte dann rasch, gleich einem erschrockenen Damhirsche vorwärts, dem Pfade zu, der längs der Niederlassung dem Walde zuführte. Keuchend und erschöpft war sie mit ihrer Bürde vor der Baumhöhle angekommen. Da hielt sie inne für einen Augenblick, sah sich furchtsam um, ob sie gesehen würde, näherte sich der Öffnung und zog sich wieder zurück. Der Fremde ist kalt und krank und hungrig, wisperte sie sinnend. Und mit einem Satze war sie über einen der Blöcke. Der Verwundete schlief. Sie kauerte sich zu ihm herab und streifte das Moos ab, mit dem er bedeckt war. Das Blut floß noch immer in großen Tropfen und hing in geronnenen Klümpchen am seidenen Tuche. Sie löste es behutsam ab, befühlte die Wunde und goß eine flüssige Substanz hinein. Ein Schmerzensschrei entfuhr dem Fremden.

      »Stille, ums Himmels willen stille!« bat das Mädchen. »Es ist Balsam, und Balsam aus der Medizintasche des großen Miko. Er wird deine Wunde heilen. Aber die Bäume haben Ohren und der Wind bläst von unten herauf. Ich bin es, Canondah ist es«, wisperte sie mit einer Stimme, deren Zittern sie Lügen strafte.

      »Es ist Canondah«, wiederholte sie, indem sie noch einige Tropfen Balsams in seine Wunden goß, sie dann mit Bandagen umwand und endlich verband. »Hier«, flüsterte sie, »ist der Saft von Trauben. Hier ist gebratenes Fleisch von unsern Wasservögeln und Wildbret. Und dies wird dich warm halten«, fuhr sie fort, ihn in die Wolldecke hüllend. Noch einmal wandte sie sich, als sie am Ausgange stand und dann kletterte sie wieder zurück über den Stamm und floh ihrer Wohnung zu. Je näher sie der Hütte kam, desto langsamer, schwankender wurden ihre Schritte. Als sie in die Laube trat, suchte ihr Auge die Gestalt Canondahs.

      »Rosa«, murmelte die Indianerin. »Was hast du getan? Der Miko hat nach dir gefragt?«

      »Hier«, erwiderte das Mädchen, ihr atemlos die Phiole reichend.

      »Komm!« sagte die erstere, und sie bei der Hand fassend, traten beide in die Stube.

      »Die weiße Rosa hat das Blut von ihren Wangen verloren; seit den letzten zwei Monden sind ihre Augen mit Wasser gefüllt. Der Häuptling der Salzsee wird sie trocknen«, sprach der alte Mann.

      Ein tiefer Seufzer entstieg der Brust des Mädchens. Sie begann zu schluchzen und laut zu weinen.

      »Die weiße Rosa«, fuhr der Miko kalt und ruhig fort, »wird das Weib eines


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