Tokeah. Charles Sealsfield

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Tokeah - Charles  Sealsfield


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ja sie hatte während ihres Wohnens unter den Amerikanern sogar das Geheimnis, das unschätzbare Feuerwasser zu ziehen, glücklich ihren Wirten abgelauscht: ein Vorteil, dessen Bedeutung sie vollkommen zu würdigen verstand, und den sie, als unverbrüchliches Geheimnis, nur mit Rosa teilte. Sie hatte hinlängliche Zeit, sich unter den Amerikanern aufzuhalten, um den ungeheuren Abstand zwischen den Frauen der Weißen und den Squaws ihres Volkes zu erkennen, und ihr zartfühlender Scharfsinn hatte sie auch richtig auf den Weg geleitet, diesem schreienden Mißverhältnisse nach Möglichkeit Einhalt zu tun. – In jeder Hütte war sie zu Hause, und wenn sie vorbeieilte an einer Türe, so wich sie auch nicht, bis der Mann sein pflügendes oder grabendes Weib abgelöst hatte. Sie belohnte die Willigen mit einer Kürbisflasche des deliziösen Feuerwassers, während sie sie dem Mürrischen oder Widerspenstigen mit demselben schlauen Lächeln mit reinem Quellwasser füllte. So hatte sie allmählich die Männer gewöhnt, die Lasten ihrer Weiber zu teilen. Sie hatte Mittel, allen zu gefallen und jeden zu lenken.

      Die Morgenröte hatte kaum durch den Wald zu schimmern angefangen, als die dunkeln Gestalten der Squaws und ihrer Töchter dem Landungsplatze zueilten, wo einige Stunden zuvor ihre Männer und Väter sich eingeschifft hatten.

      Der Fluß bildet da eine kleine Bucht, in welcher die Marine des Stammes, fünf Palmrindekanus, an Strängen von Wattap ruhig vor Anker lagen. Zu beiden Seiten des kleinen Hafens erhob sich das Ufer etwa zwanzig Fuß hoch; dieser Gürtel war mit Myrte und Mangrovgesträuch überwachsen, durch die ein Pfad sich schlängelte.

      Die ältesten unter den Weibern hatten graue Haare, die in langen Flechten roßhaarartig über ihre Schultern hingen, ihre mumienartigen Gesichter waren runzlig und beinahe vertrocknet, und wenn ihre Züge einen gewissen Stumpfsinn verrieten, so deuteten hinwieder die schwarzfunkelnden, tiefliegenden Augen auf eine Wildheit, die zu schlummern und nur auf eine Gelegenheit zu lauern schien, um in ihrer ganzen ungezähmten Wut hervorzubrechen. Die Mütter zeigten bereits mehr Milde in ihren Gesichtszügen; auf sie hatte der Verkehr und das gesellschaftliche Leben mit den Amerikanern offenbar eine humanisierende Wirkung geäußert; die Mädchen jedoch waren durchgängig wohlgewachsen, viele grazienartig, ihre Kupferfarbe nicht viel dunkler als die sonnverbrannten Gesichter südlich europäischer Landschönen, obgleich ihre Züge ungleich mehr Ruhe und Besonnenheit ausdrückten, und wären es nicht die hervorragenden Backenknochen gewesen, welche die meisten entstellten, so könnten sie als Muster für den Bildhauer gedient haben. Sie trugen kurze Kalikoröckchen, die ihnen bis über die Knie gingen, um den Nacken jedoch hatten bloß wenige eine Bekleidung, alle hatten Mokassins und silberne Ohrringe. Nachdem die weibliche Partie sich versammelt hatte, teilte sie die älteste Squaw in drei Gruppen, deren jede einen bestimmten Anteil an der Arbeit erhielt, von welcher wir nun eine nähere Beschreibung geben wollen. Es war der Bau eines Palmenrindekanus.

      Die erste Abteilung hatte kurze Pfähle abzuschneiden und in der Entfernung von einem und einem halben Fuße in die Erde zu treiben, so daß ihre Anzahl ungefähr vierzig wurde.

      Die zweite nähte Stücke der Palmenrinde mit Wattap zusammen, hing sie dann auf die Pfähle und befestigte sie daran so, daß die Rinde lose hing und den beiden aufrecht gehaltenen Deckeln eines Buches ähnelte, dessen Rücken abwärts gekehrt ist. Die dritte Abteilung hatte Querhölzer zu setzen, um so den Rand auszupressen und dem obern Rahmen die Form zu geben, welche das Kanu erhalten sollte. Dieselbe Abteilung setzte dann die Rippen und legte die Bekleidung in breiten Streifen zwischen diese und die Rinde, während eine Anzahl von Mädchen Rippen und Rinde herauspreßten und so dem Boote Tiefe und den Seitenwänden Gestaltung gaben. Nachdem das Werk so weit vorgerückt war, legten sie Gewichte und Steine auf den Boden der Rippen, die früher im Wasser erweicht worden waren, und dann ließen sie das Ganze trocknen. Während der Arbeit, die eine Stunde gedauert haben mochte, war das tiefste Stillschweigen beobachtet worden. Es war kein Lachen, kein Schäkern zu hören, kein Umhertreiben zu sehen. Jede verrichtete die ihr angewiesene Arbeit, ohne einen Laut von sich zu geben, und die einzige, die etwas mehr Freiheit sich herauszunehmen schien, war Canondah. Das unruhige Mädchen schlüpfte unter den düstern Wesen mit der Miene eines verdorbenen Kindes umher, wisperte hier einem Lieblinge einen Scherz ins Ohr, zischelte dort einer andern zu und half einer dritten oder zwang einer vierten ein ruhiges Lächeln ab. Als die Weiber ihre Arbeit verrichtet hatten, trennten sie sich auf dieselbe stille düstre Weise.

      Canondah trippelte auf ihres Vaters Hütte zu. Sie fand Rosen noch immer schlafend. Ein liebliches Lächeln spielte um den Mund des reizenden Kindes, und ihre zarten Lippen bewegten sich. Die Indianerin bog sich herab auf das entzückende Wesen und konnte nicht widerstehen, einen Kuß auf ihren Mund zu drücken. Rosa öffnete die Augen. »Canondah,« sprach sie, dieselben reibend, »ich hatte einen bösen, bösen Traum. Wir beide standen in einem tiefen, tiefen Tale, der Fremdling auf dem Berge – er kehrte uns den Rücken. Hast du ihn gesehen? Und ist er nicht mehr krank? Und sieht er nicht mehr so bleich aus, und zittert er nicht mehr fieberisch? Und bat er von den Früchten gegessen und von dem Weine getrunken?«

      »Rosa«, versetzte die Indianerin mit einem schlauen Lächeln, »hat nicht so viel diese letzten zwanzig Sonnen gefragt. Der Fremde ist unter dem großen gefallenen Baume.«

      »Aber wie kam er dahin?«

      »Die Schultern Canondahs trugen ihn.«

      »Und die Spur, die wir zurückgelassen, und die große Schlange und das gebrochene Rohr«, sprach das liebreizende Kind, in mädchenhafter Verwirrung errötend über die unschuldige Verstellung, mit der sie ihre Freundin zu täuschen suchte.

      Die Indianerin, die ein Überschuß von sechs Jahren vor Rosa ohne Zweifel ein wenig mit den Künsten bekannt gemacht hatte, deren eines ihre Freundin soeben auf sie anzuwenden willig schien, brach in ein lautes Gelächter aus. »Seht einmal,« rief sie, »wie die weiße Rosa zu lügen gelernt hat in einer Nacht. Sie spricht zu ihrer Schwester von der Fährte und dem gebrochenen Rohre, um das sie sich gerade so viel kümmert wie der Miko um Glaskorallen, während ihr Herz bei dem Fremdlinge ist. Canondah wird die weiße Rosa dafür züchtigen.«

      »Und wundert sich Canondah,« fragte die letztere im sanften Tone, »daß ihrer Schwester Herz bei dem Anblick eines weißen Bruders höher schlägt? Würde Canondahs Herz nicht auch klopfen, wenn sie, unter den Weißen lebend, plötzlich einen Bruder ihres Stammes, ihrer Farbe sähe?«

      Die Indianerin starrte sie mit offenen Augen an. »Und sehnt sich meine Schwester zu den Weißen?« fragte sie gespannt.

      Des Mädchens Haupt war auf ihr Kissen gesunken, sie weinte. Die Indianerin sprang an sie heran und schloß sie in ihre Arme. »Canondah will ihrer Rosa viele, viele Freude machen; aber sie darf nicht betrübt sein, sie darf nicht zu den Weißen, Canondah könnte nicht ohne sie leben. Aber komm,« fuhr sie fort, indem sie ihr ein Kalikokleid hinhielt, »Rosa muß heute dieses nehmen und die Squaws betrügen helfen.«

      Das Mädchen schlüpfte seufzend in das Überröckchen, warf ein Tuch um ihren Busen, trippelte vor die Hütte, vor der ein klarer Quell sprudelte, und kehrte lieblich wie die Morgenröte in das Stübchen zurück, um mit der Freundin ihr Frühstück zu verzehren. Zwei Körbchen mit Trauben gefüllt, Kuchen von indianischem Korn und eine Schale Milch. Rosa schien mit Ungeduld in der Hütte zu verweilen; aber die Indianerin schwieg hartnäckig still, und kaum hatte sie ein paar Bissen gegessen, so schlüpfte sie allein zur Türe hinaus.

      Rosa setzte sich seufzend zu einem kleinen Tischchen, auf dem ihr Arbeitszeug lag: ein Stück Seidenzeug, dessen Hiersein wohl Befremden erregen konnte.

      Es war ein Stück ausgesuchten Gros de Naples, das bereits zu einem Kleide zugeschnitten war. Drei Stunden mochten verflossen sein, als die Indianerin zurückkehrte; ein zufriedenes Lächeln spielte um ihren Mund.

      »Wir haben ein Kanu gebaut, während Rosa schlief,« sprach sie, »und sie muß mitgehen und unsre erste Fahrt sehen.«

      Beide Mädchen gingen sofort dem Flusse zu, wo sich die Squaws und Mädchen neuerdings versammelt hatten und bloß auf die Tochter des Häuptlings warteten, um ihre Arbeit zu vollenden. Sobald die beiden Mädchen am Ufer angekommen waren, rissen die Squaws die Pfähle, an welche das bereits fertige Kanu befestigt war, los, und alle Hände waren beschäftigt, die Öffnungen mit Gummi auszufüllen. In einer halben Stunde war dieses getan. Die Alte, die das Ganze geleitet hatte,


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