Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
Читать онлайн книгу.ganz bestimmt, wenn sie eine Ahnung davon gehabt hätten. Doch Clarissa hat nie darüber gesprochen, sie war sehr stolz. Wohl wußte man, daß die Ehe nicht glücklich war, aber daß der Mann seine Frau beschimpfte und sie schlug, das konnte niemand wissen, weil es immer unter vier Augen geschah.
Und es geschah auch erst, als er von seiner Frau kein Geld mehr bekam. Vorher war er sogar recht lieb zu ihr, um möglichst viel herauszuschinden.
Wie mir Clarissa erzählte, soll er an dem denkwürdigen Tag besonders nett zu ihr gewesen sein. Und so ließ sie sich denn von ihm in den Wald locken, wo er sie zuerst mit Betteln und Schmeicheln zu erpressen versuchte. Als das nichts nützte, wurde er brutal.
Ich glaube nicht, daß er zuerst vorhatte, sie zu erschießen, er wollte sie wahrscheinlich nur ängstigen. Erst als sie sich so hartnäckig weigerte, ihm Geld zu geben, geriet er in rasende Wut und drückte ab, und wären der Förster und ich nicht dessen Zeuge gewesen, wäre der Lump straffrei ausgegangen, denn wie ich von Clarissa weiß, hätte sie ihn nicht angezeigt, um seine Angehörigen zu schonen.«
»Wie nahm sein Stiefbruder den Tod auf?«
»Der hat ihn wohl kaum berührt, auch seine Mutter nicht. Doch über das, was Clarissa durch ihn hatte erleiden müssen, waren sie zutiefst erschüttert.«
»Blieb deine Frau mit ihnen in Verbindung?«
»O ja. Sie haben sie dort unten im Süden mehrmals besucht, ihr Verhältnis zueinander war ausgesprochen herzlich. Gräfin Björn hat sogar ihre Kur dort gemacht, ebenso Jonathan und seine Frau. Darüber wirst du noch Näheres hören, für heute machen wir Schluß. Spiel und sing mir etwas vor, damit ich auf andere Gedanken komme.«
*
Es war einige Tage später. Armgard, die die Treppe hinunterging, sah in der Diele einen Herrn, der soeben seinen kurzen Pelz an die Garderobe hängte, demnach mußte er hier gewissermaßen aus und ein gehen. Als sie vor ihm stand, stutzte er zuerst und stellte sich dann mit einer Verbeugung vor:
»Björn. Und Sie sind Fräulein von Hollgan?«
»Stimmt. Wollen Sie zu meinem Großvater?«
»Ja. Wo finde ich ihn?«
»Im Wohnzimmer.«
Gleich darauf wurde sie Zeuge einer herzlichen Begrüßung. Erfreut streckte der Hausherr dem Eintretenden die Hand entgegen.
»Komm her, Junge, da bist du ja endlich. Habt ihr beide euch schon bekannt gemacht, ja? Dann nimm Platz und stecke dein Pfeifchen an, das ja zu deinem Wohlbehagen gehört. Was möchtest du trinken?«
»Nichts. Ich wollte nur mal hereinschauen, um mich von deinem Wohlbefinden zu überzeugen. Hast mir und Mutter keinen kleinen Schrecken eingejagt, als wir von deiner Erkrankung hörten. Aber gottlob bist du jetzt wieder wohlauf, hast dich prächtig erholt.«
Aus der weiteren Unterhaltung erfuhr Armgard, daß er und seine Mutter ins Ausland gefahren waren.
Von Frederiks Krankheit erfuhren sie erst, als sie vorgestern nach Hause zurückkehrten.
Seine Stimme war dunkel und volltönend, seiner Erscheinung haftete etwas Herrisches an. Hochgewachsen und kraftvoll, ein schmales, hartgeschnittenes Gesicht, blonde Haare und blitzblaue Augen.
Der muß von den Wikingern übriggeblieben sein, schoß es Armgard durch den Sinn. So jedenfalls stelle ich mir die vor. Auch so herrisch und schroff. Der kann, falls ihn etwas ärgert, bestimmt so knurren wie sein Hund, aber hoffentlich nicht die Zähne zeigen, obwohl er ein prachtvolles Gebiß hat.
Na ja, und arrogant ist er auch noch, auf jeden Fall kein bequemer Zeitgenosse. Doch mit ihrem Großvater schien er sich gut zu verstehen.
»Mutter ist die Reise gut bekommen«, erzählte er eben. »Sie wollte dich schon heute besuchen, doch da etwas dazwischen kam, mußte sie es auf morgen verschieben.«
»Paßt gut«, nickte der alte Herr. »Denn Jonathan und seine Frau haben sich fürs Wochenende angesagt. Sie wären gern schon früher gekommen, doch wegen der verschneiten Straßen wagten sie es nicht. Hoffentlich sind sie jetzt auch wirklich frei.«
»Sie sind es«, bestätigte der Graf. »Ich bin die Strecke gefahren. Ich muß jetzt leider gehen, aber ich komme ja morgen wieder, wenn ich erwünscht bin.«
»Nun hör bloß auf, du Schlingel. Weißt ganz genau, wie gern du hier gesehen bist. Kommt schon zum Kaffee, damit wir viel Zeit haben, uns so richtig auszusprechen. Frökes erscheinen natürlich auch, und damit wäre unsere gemütliche Runde geschlossen.«
»Wird dir das auch nicht zuviel werden?«
»Ach woher denn. Es sind doch alles Menschen, mit denen ich harmoniere. Und im übrigen braucht ihr mich gar nicht mit Glacehandschuhen anzufassen, ich bin gesund wie eh und je.«
»Na Gott sei Dank. Also, auf Wiedersehen.«
Als erste erschienen am nächsten Nachmittag die beiden Frökes, hinterher Graf Björn mit seiner Mutter. Armgard fand sie bezaubernd in ihrer jugendlichen Frische, die sie sich bewahrt hatte, trotz ihrer gut fünfzig Jahre.
Den fast dreißigjährigen Sohn sah man ihr wirklich nicht an, der Frau mit der schlanken Gestalt, dem feinen Gesicht und dem blonden Haar, leicht vermischt mit weißen Fäden. Sie konnte so herzlich lachen, daß man mit einstimmen mußte. Bei der Begrüßung sagte der Kapitän schmunzelnd.
»Na, Erdmuthchen, in welchen Jungbrunnen bist du denn gefallen, fabelhaft siehst du aus. Nimm dir ein Beispiel daran, Pummelchen.«
»Nanu, findest du mich denn nicht schön? Ich ja.«
»Darf man mitlachen?« kam es von der Tür her, in der Senator von der Gylt nebst seiner Frau stand. Das gab nun ein frohes Begrüßen, aus dem Armgard ersehen konnte, daß die sieben Menschen sozusagen ein Herz und eine Seele waren.
Zaghaft begrüßte sie die Verwandten, die heute auf sie noch genauso einschüchternd wirkten wie früher. Der Onkel mit seiner großen, hageren Gestalt und dem strengen Gesicht, das jedoch alle Strenge verlor, als ein humorvolles Lächeln seinen schmalen Mund umzuckte und seine Augen vergnügt zwinkerten.
»Nun, mein Nichtchen, immer noch Angst vor dem guten Onkel Jonathan?«
Einer Antwort wurde sie enthoben, da Elsbeth erschien und zum Kaffee bat. Man trank ihn im Frühstücksstübchen und unterhielt sich lebhaft.
*
Ende Januar eröffnete Armgard dem Großvater, daß sie nach ihrem früheren Wohnort fahren müsse, um dort das möblierte Zimmer zu räumen, das zum ersten Februar anderweitig vermietet war.
»Kann die Wirtin die Sachen nicht zusammenpacken und bei sich unterstellen?« fragte der alte Herr. »Wenigstens so lange, bis Spierke von seiner Grippe genesen ist und dich hinfahren kann?«
»Das geht nicht, Großpapa. Erstens habe ich Frau Ricks versprochen, das Zimmer pünktlich zu räumen, und dann wohnt die Frau so beengt, daß sie keinen Platz zum Unterstellen hätte. Außerdem brauche ich die Sachen. Bisher habe ich mich mit dem, was ich mitbrachte, ganz gut beholfen, aber länger ist das nicht möglich. Es muß ja nicht ein Auto sein, die Eisenbahn tut’s auch.«
»Und wie kommst du zum Bahnhof?«
»Zu Fuß. Es ist ja nur ein Katzensprung.«
»Wie wär’s, wenn ich ein Auto mieten würde…«
»Um Gottes willen!« wehrte sie erschrocken ab. »Das wäre ja eine sündhafte Verschwendung.«
»Hältst du mich denn für so arm?«
»Das gerade nicht. Aber du hast doch dein Geld…«
»Nun, was habe ich?« fragte er, als sie verlegen schwieg. »Mein Geld mit minderwertigen Weibern vergeudet, nicht wahr? Diese Einflüsterungen.«
»Bitte nicht, Großpapa«, flehte sie ihn an. »Ich weiß ja jetzt, daß alles nicht stimmt. Aber du hast doch in den letzten Jahren große Ausgaben