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wenn es bei mir Mattheit am letzten ist, wie man so sagt, dann habe ich ja noch eine Enkeltochter«, warf er leichthin ein. »Die würde mich schon unterhalten, wie sie es zum größten Teil bei ihrer Mutter tat. Oder irre ich mich?«

      »Natürlich nicht.«

      »Also. Aber noch bin ich nicht soweit und werde es, so Gott will, auch niemals werden. Brauchst gar nicht so sehr sparsam zu sein, mein Liebes. Brauchst nicht mehr die Mark zehnmal umzudrehen, wie du es mußtest, als eine kaum tragbare Last auf deinen jungen Schultern lag, die Zeit ist jetzt vorbei. Was meinst du wohl, wie froh ich darüber bin.«

      »Und ich erst. Es war manchmal doch verflixt schwer. Als ich noch mittendrin steckte, habe ich das gar nicht so empfunden. Aber wenn ich jetzt daran zurückdenke, dann wundere ich mich selbst, wie ich das alles überhaupt ohne Hilfe schaffen konnte.

      Doch nun sind wir ganz von unserem Thema abgekommen. Gestattest du, daß ich morgen fahre, Großpapa?«

      »Gern tu ich es nicht. Versprichst du mir wenigstens, dir bis zum Bahnhof eine Taxe zu nehmen und dich nicht womöglich mit den schweren Koffern abzuschleppen?«

      »Das werde ich nicht tun«, versprach sie eifrig. »Die Gebühren für ein Taxi verkraftet mein schwindsüchtiges Portemonnaie schon noch. Es gibt sogar noch so viel her, daß ich Frau Ricks die heißersehnte Gobelintischdecke kaufen kann.«

      »Und was wirst du dir kaufen?«

      »Ich? Nichts. Ich habe doch alles, was ich brauche. Falls etwas notwendig wird, hab ich mein Sparkassenbuch, und wenn das erschöpft ist, wird der liebe Gott für mich sorgen.«

      »Na, auf den würde ich mich denn doch nicht so blindlings verlassen«, lachte der alte Herr amüsiert. »Doch halt mal, da fällt mir etwas ein. Als Folko Björn gestern anrief, um sich eine juristische Auskunft bei mir zu holen, sagte er mir, daß er in den nächsten Tagen zur Stadt fahren müsse, um Dringendes zu erledigen. Ob ich einen Auftrag für ihn hätte. Nun, gestern hatte ich ihn noch nicht, aber jetzt will ich sofort anfragen, ob du mitfahren könntest.«

      Schon griff er nach dem Telefonhörer, doch Armgard hielt seine Hand fest. »Bitte nicht. Ich möchte nicht lästig fallen, lieber fahre ich mit dem Zug.«

      »Wieso lästig fallen?« fragte er erstaunt.

      »Weil der Graf so arrogant ist und seine Mutter trotz aller Liebenswürdigkeit irgendwie abweisend.«

      »Das kommt dir nur so vor, mein Kind. Lerne sie näher kennen, dann wirst du anders urteilen. Sie gehören zu den Menschen, denen man nicht so leicht näherkommen kann und die nicht so bald ihr Herz erschließen. Doch wenn sie es tun, dann in aller Treue und Anhänglichkeit.

      Genauso ist es mit meinem Bruder Jonathan und seiner Frau, so war es bei meinem Vater – und so ist es bei dir und mir. Also fasse an deine eigene Nase, mein Liebchen. Und im übrigen traust du mir doch wohl nicht zu, daß ich jemand meine Enkelin sozusagen aufhalsen würde, nicht wahr?«

      »O Großpapa.«

      Diesmal hinderte Armgard ihn nicht, als er den Telefonhörer abhob, eine Nummer wählte und dann den Schloßherrn zu sprechen wünschte, der sich auch bald darauf meldete. Der alte Herr trug ihm sein Anliegen vor, horchte auf das, was der andere sprach und sagte erfreut:

      »Deine Mutter fährt mit? Das paßt ja großartig. Ich habe nämlich einen speziellen Auftrag für sie und rufe später noch einmal an. Grüß sie indes von mir.«

      Er legte auf und wandte sich Armgard zu.

      »Das hat wunderbar geklappt, meine Kleine. Schon morgen fährt der Graf zur Stadt, und seine Mutter fährt mit. Allerdings soll die Reise schon um acht Uhr losgehen, weil man zeitig wieder zurück sein will. Wird dir das zu früh sein?«

      »Aber Großpapa, wo denkst du hin. Was meinst du wohl, wann ich aufstehen mußte, als ich das Institut besuchte. Um acht Uhr mußte ich dort an Ort und Stelle sein und vorher meine Mutter und den Haushalt versorgen. Da war fünf Uhr meine gewohnte Aufstehzeit, und vor Mitternacht kam ich selten ins Bett, da ich ja erst zum Lernen kam, wenn die Mama schlief und mich nicht ständig herumhetzen konnte. Bei Frau Ricks ging es mir bedeutend besser. Da brauchte ich erst um sieben aufzustehen, wie im Internat auch. Aber so richtig faul bin ich erst hier geworden, brauche erst um neun zum Frühstück zu erscheinen.«

      »Wenn du das faul nennst, wie soll man denn da die Damen bezeichnen, die sich um elf Uhr die Morgenschokolade ans Bett bringen lassen, mindestens drei Stunden zur Morgentoilette benötigen, dann ausgehen und sich unter ihresgleichen mischen, klatschen, flirten, am Abend Gesellschaften besuchen, teure Reisen machen und anderes mehr. Und wer sind die Leidtragenden? Die Ehemänner und die Kinder.«

      »Ich weiß, Großpapa, du meinst meine Großmutter und meine Mutter«, sagte Armgard leise, ihre Wange an die seine schmiegend. »Denk nicht mehr daran.«

      »Hast recht, mein Liebling«, strich er zärtlich über die strahlenden Blauaugen, die ihn so bittend ansahen. »Was gewesen ist, tut uns nicht mehr weh.«

      *

      Das Auto war pünktlich und Armgard auch. Als es hielt, trat sie gerade aus der Haustür und wäre fast mit dem Grafen zusammengestoßen, der spöttisch sagte:

      »Nanu, eine Dame und pünktlich?«

      »Haben Sie denn so schlechte Erfahrungen gemacht?« parierte sie schlagfertig, und die Gräfin, die aus dem Autofenster schaute, bemerkte lachend:

      »Geschieht dir recht, mein Sohn. Kommen Sie, Fräulein von Hollgan, setzen Sie sich zu mir.«

      So nahm Armgard denn im Fond Platz, der Graf setzte sich neben den Chauffeur, und der Wagen rollte ab.

      Es war ein herrliches Winterwetter. Der Schnee war auf den Straßen so festgefahren, daß der Wagen gut vorankam. Armgard, die sich vor dieser Fahrt gefürchtet hatte, begann langsam Gefallen daran zu finden, zumal sie vorerst unbeachtet blieb, da Mutter und Sohn verschiedenes zu besprechen hatten, was sie in der Stadt erledigen wollten.

      In die Wagenecke geschmiegt saß sie da und dachte darüber nach, was wohl die eleganten Pelze gekostet haben mochten, die Mutter und Sohn trugen.

      Selbst der Chauffeur hatte einen Innenpelz an, der wohl zur Dienstkleidung gehörte, nur Armgard von Hollgan hatte keinen Pelz.

      Als Kind ja, da hatte ihr der Paps einen geschenkt. Natürlich keinen kostbaren, aber sie hatte ihn mit Stolz getragen, bis sie herausgewachsen war.

      Im Internat trugen die Zöglinge einheitliche Mäntel, und als Armgard zu ihrer Mutter kam, war an einen Pelzmantel nicht zu denken. Da langte es nur gerade so für das Notwendigste, und den einfachen Mantel, den sie jetzt trug, hatte sie sich gewissermaßen vom Mund absparen müssen.

      Weiter kam sie nicht in ihren Betrachtungen, da sich die Gräfin ihr zuwandte.

      »So, nun bin ich frei für einen netten Schwatz.«

      Der aber hauptsächlich von ihr bestritten wurde; denn Armgard beschränkte sich aufs Zuhören und gab nur auf Fragen artige Antworten. Als man gar merkte, daß der Graf ein Nickerchen machte, verebbte das Gespräch ganz.

      »Lassen wir ihn schlafen«, flüsterte die Gräfin ihrer Nachbarin zu. »Er ist diese Nacht kaum ins Bett gekommen, da ein wertvoller Zuchthengst erkrankt war. Wenn die wichtige Unterredung, die er in der Stadt hat, nicht terminmäßig eingehalten werden müßte, wäre er heute bestimmt nicht gefahren.«

      Da eine weitere Unterhaltung im Flüsterton zu anstrengend gewesen wäre, ließ die Gräfin davon ab, was Armgard nur recht war. Jetzt erst konnte sie die Fahrt so richtig genießen.

      Als man in die Stadt einfuhr und der Fahrer das Tempo verlangsamen mußte, schreckte der Graf aus seinem Nickerchen auf und sah sich so verdutzt um, daß seine Mutter hell herauslachte.

      »Wie ein vom Himmel gefallenes Engelchen.«

      »Na Muttchen, ein kitschigerer Vergleich fiel dir wohl nicht ein«, entgegnete er gleichfalls lachend, dehnte diskret die Glieder, rückte seinen Schlips zurecht


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