Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
Читать онлайн книгу.so mehr trauerte Armgard ihnen nach, und nun fand sie hier die Kostbarkeiten, die sie längst verloren geglaubt.
Ihr Paps. Ja, so hatte er ausgesehen, so strahlend schön und froh, als er noch gesund war und die schmucke Uniform mit Stolz trug. Wohl besaß Armgard eine Photographie aus dieser Glanzzeit, aber die wirkte fahl gegen dieses prächtige Bild. Als müßte der Mann jeden Augenblick aus dem Rahmen steigen, so lebendig wirkte er.
»O Paps, lieber guter Paps!«
Hastig wischte Armgard sich mit dem Handrücken über die Augen und wandte sich ihrem eigenen Konterfei zu. Sah ein weiches Kindergesicht mit strahlenden Blauaugen, ein hellsonniges Lockenköpfchen, ein niedliches weißes Kleid und eine leuchtend rote Korallenkette. Nun sah sie selbst, wie ähnlich sie dem Vater war, was sie mit Stolz erfüllte.
Die andern beiden Porträts, gleichfalls von Künstlerhand gemalt, zeigten den Senator Jonathan von der Gylt und seine Frau Gesine. Er ernst und würdig, sie vornehm und steif. Genauso hatte Armgard die beiden in Erinnerung, und sie würden sich auch wohl kaum geändert haben.
Gern hätte sie sich noch länger in dem Raum umgesehen, doch da man die Heizung abgestellt hatte, war es ungemütlich kalt. So griff sie denn nach einem Buch, dessen Titel ihr zusagte, und ging ins Wohnzimmer zurück, kuschelte sich in den Sessel, der dem Kamin am nächsten stand, und versuchte zu lesen. Doch immer wieder schweiften die Gedanken ab. Sie verspann sich so sehr darin, daß sie zusammenfuhr, als Frau Fröke eintrat.
»Da bin ich«, sagte sie vergnügt. »Und zwar ohne meinen Brummbär. Den hat man weggeholt, weil er auf einem Kahn gebraucht wird, da springt er immer ein. Wohl ist er Kapitän a. D., aber um sich ganz auf die faule Haut zu legen, dafür ist er denn doch noch zu vital.«
Ohne weiteren Kommentar nahm sie Platz, suchte aus der Tasche Brille nebst Strickzeug hervor und ließ die Nadeln munter klappern.
»Haben Sie was von unserm Kranken gehört?« fragte sie sich, was Armgard verneinte.
»Dann wird er noch schlafen«, meinte Lottchen, mit Vorliebe von ihrem Mann Pummelchen genannt, pomadig. »Sonst hätte er bestimmt nach Ihnen verlangt.«
»Ich könnte doch Schwester Agnes ablösen«, schlug Armgard vor. »Sie ist doch sicher sehr müde.«
»Kann sie ja gar nicht sein«, meinte Lottchen. »Sie hat die ganze Nacht bis in den Morgen hinein geschlafen.«
»Und wer hat bei dem Kranken gewacht?«
»Doktor Sinder. Er erwartete nämlich bei seinem Patienten einen Kollaps und hielt es daher für erforderlich, gleich zur Stelle zu sein.«
»Ist der Kollaps eingetreten?«
»Nein, der Kranke schlief über ihn hinweg. Nachdem der Arzt festgestellt hatte, daß die Gefahr vorüber war, streckte er sich auf den Diwan, wo er bald einschlummerte. Und als die Pflegerin morgens sieben Uhr das Krankenzimmer betrat, schliefen Doktor und Patient um die Wette. Nachdem ersterer gut gefrühstückt hatte, ging er nach Hause, um seinen Sohn, mit dem er zusammen praktiziert, abzulösen.«
»Haben sie die Praxis im Dorf Klein-Dünen?«
»Ja. Als Dritte im Bunde betätigt sich die junge Frau Sinder als Kinderärztin, sie haben alle drei gut zu tun.«
»Ist das Dorf denn so groß?«
»An die anderthalbtausend Einwohner wird es schon haben. Wenn man nun noch die Bewohner der Umgegend und die Gäste dazu rechnet, dann summiert sich das.«
»Ist das Dorf ein Kurort?«
»Nicht direkt. Dazu langt es nicht, es fehlt das ganze Drum und Dran. Es geht aber auch so. Denn nicht nur die beiden Gasthäuser sind im Sommer proppenvoll, sondern auch Privatquartiere sind stets belegt. Natürlich kommen nur solche Menschen her, die unverfälschte Natur lieben.«
Elsbeth erschien mit dem Servierwagen und deckte den Kaffeetisch am Kamin. Der Kaffee war vorzüglich, der Kuchen gebacken nach dem Rezept: Man nehme…
Nachdem man sich gelabt hatte, war Elsbeth wieder zur Stelle, um abzudecken, Lottchen griff zum Strickzeug, obwohl es im Zimmer schon dämmrig war, und Armgard schielte nach dem Zigarettenkästchen.
»Soll ich oder soll ich nicht? Es wäre heute nicht die erste, und ich möchte dem Laster nicht verfallen.«
»Na, das Laster läßt sich schon noch ertragen«, meinte Lottchen. »Rauchen Sie nur, wenn es nicht gerade hundert am Tag sind.«
»Wenn übertreiben, denn«, griff Armgard in das Kästchen. Als die Zigarette brannte, stieß sie einen Seufzer des Wohlbehagens aus.
*
Der nächste Tag brachte ein strahlendes Winterwetter. Als Armgard am Morgen erwachte, war ihr Zimmer wie in Sonne getaucht. Ach, war das jetzt ein herrliches Leben! Sie fühlte sich so richtig als Freifräulein, so aller Pflichten ledig. Bis auf die eine, den Großvater zu betreuen, aber das würde ihr eine liebe Pflicht sein.
Gestern hatte sie länger als eine Stunde an seinem Bett gesessen und ihn unterhalten, wobei sie alles vermied, was ihn aufregen könnte. Nur gut, daß er keine Fragen stellte, wozu er wohl auch noch zu schwach war.
So redete sie zuerst munter drauflos. Doch als sie merkte, daß er müde wurde, dämpfte sie die Stimme und lullte ihn so richtig in den Schlaf.
Dann war auch sie ins Bett gegangen. Obwohl es noch reichlich früh war, schlief sie bald ein und brachte es somit auf elf Stunden Schlaf. Kein Wunder, daß sie jetzt so fuchsmunter war.
Eine halbe Stunde später ging sie zu dem Kranken, der ihr aus dem Lehnstuhl entgegenlächelte, in dem er warm verpackt saß. Freudig überrascht begrüßte sie ihn mit einem Wangenkuß.
»O Großpapa, bin ich aber froh, daß du schon außer Bett sein darfst.«
»Das merkt man«, lachte die Schwester. »Sie strahlen wie die liebe Sonne draußen. Ansonsten sehen Sie aber ziemlich blaßschnäbelig aus, und ich würde Ihnen raten, hinauszuwandern in die Winterherrlichkeit, das gibt rote Backen.«
»Verlockend wäre es schon«, zögerte Armgard. »Aber ich möchte doch lieber bei Großpapa bleiben.«
»Der muß sowieso ins Bett, also ab mit Ihnen!«
»Sind Sie aber energisch«, lachte Armgard, was ihr Großvater gleichfalls lächelnd bestätigte.
»Davon kann ich ein Liedchen singen. Obwohl ich nicht immer mit ihr einer Meinung bin, diesmal muß ich ihr recht geben. Du siehst wirklich blaßschnäbelig aus, ein Spaziergang kann dir nur dienlich sein. Aber zuerst gut frühstücken.«
»Wird gemacht, Großpapa, gehabt euch wohl.«
Vergnügt zog sie ab und begab sich ins Frühstückszimmer, wo sie ein üppiges Tischleindeckdich vorfand. Kaum daß sie Platz genommen hatte, erschien Elsbeth mit der Kaffeekanne, und hinter ihr trottete etwas, das die erschrockene Armgard wütend ankläffte und erst dann Ruhe gab, als Elsbeth ihn energisch zurechtwies.
»Schäm dich mal, das liebe Frauchen anzubellen. Kusch dich!«
Pomadig kam der putzige Scotchterrier dem Befehl nach, legte den Kopf auf die gestreckten Läufe, blinzelte verschmitzt und setzte dann sein Schwänzchen in Bewegung.
»Na also«, lachte Armgard, sich niederbeugend und den Hundekopf streichelnd. »Dich habe ich noch nicht gesehen.«
»Er war ja gestern auch noch nicht hier«, erzählte Elsbeth. »Mein Vater mußte ihn wegbringen, weil er durchaus zu seinem kranken Herrchen wollte. Er saß dann vor der Tür zum Krankenzimmer und jaulte, es war schrecklich. Als aber unser Herr heute nach ihm verlangte, hat mein Vater ihn gleich zurückgeholt.«
Indes hatte sie die Tasse gefüllt, wünschte guten Appetit und hob den Hund auf den Arm.
»Damit er Sie nicht belästigt«, erklärte sie. Wohl zappelte das Tierchen und knurrte, doch es half ihm nichts, es mußte mit.
Armgard hielt