Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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es paßt so gar gar nicht zu ihr.«

      »Das kann ich nicht beurteilen. Sie sollten jetzt Dr. Sassen informieren.«

      »Gleich. Ich brauche jetzt erst ein bißchen frische Luft, um wieder klar denken zu können.« Damit verabschiedete sie sich von Jenny Behnisch und ging hinaus in den Park. Es herrschte mildes Frühjahrswetter, aber der Himmel war bewölkt. Sarah zog fröstelnd die Jacke enger um sich und wanderte ziellos in dem Garten umher. Plötzlich entdeckte sie Sebastian, den jungen Assistenzarzt, der gerade einen Patienten im Rollstuhl in die Klinik zurückbrachte.

      »Sebastian, warte«, rief sie ihm zu. Er blieb erstaunt stehen und blickte sich suchend um. Als er Sarah erkannte, erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Rasch rief er eine Schwester herbei, der er Anweisung gab, den Patienten auf die Station zu bringen. Dann kam er auf Sarah zu, die atemlos vor ihm stehenblieb.

      »Entschuldige, daß ich dich störe. Aber ich muß unbedingt mit dir sprechen.«

      »Du störst mich nicht. Was ist geschehen?« fragte er besorgt, als er Sarahs Blick bemerkte. Ohne es zu merken, waren ihr Tränen in die Augen gestiegen, die ihr jetzt über die Wangen rannen.

      »Ach, Sebastian«, stieß sie nur hervor.

      Zärtlich nahm er sie in die Arme und hielt sie fest, bis ihre Tränen versiegten. Dann ließ er sie vorsichtig los, holte ein Papiertaschentuch aus seinem Kittel und reichte es ihr.

      »Danke«, flüsterte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

      »Was ist passiert, mein Mädchen?« fragte er mitfühlend. Forschend blickte er sie an.

      Sarah berichtete kurz von der Flucht ihrer Mutter. »Jetzt weiß ich nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe zwar noch Geld, aber dieses teure Hotel kann ich mir nicht länger leisten«, endete sie leise. Es war ihr sichtlich unangenehm, aber sie wußte instinktiv, daß Sebastian sie verstehen würde.

      »Das ist doch kein Problem. Du kannst bei meiner Mutter wohnen. Sie hat sicher nichts dagegen.«

      »Das geht doch nicht, Sebastian. Wir kennen uns kaum.«

      »Ich kenne dich gut genug. Und seitdem meine Schwester ausgezogen ist, lebt Mutsch allein in dem großen Haus. Über ein bißchen Gesellschaft freut sie sich sicher.«

      »Bist du sicher?« Sarah war immer noch skeptisch.

      »Natürlich. Paß auf. Du rufst jetzt den Anwalt an und erklärst ihm das Verschwinden deiner Mutter. Inzwischen spreche ich mit Mutsch. Komm mit, ich zeige dir ein Zimmer, wo du ungestört telefonieren kannst.« Er nahm Sarah bei der Hand und zog sie mit sich.

      Schnell war alles geklärt. Martin Sassen konnte Sarah, zumindest was ihre finanzielle Situation betraf, vorerst beruhigen. Eine Entscheidung, was nun mit der Firma ihres Vaters geschehen sollte, mußte erst in zwei Wochen endgültig gefällt werden. Bis dahin würde sich Nicola sicher gemeldet haben, dessen war sich Martin sicher. So wie er sie kennengelernt hatte, konnte er nicht glauben, daß sie eine leichtfertige Frau war. Dennoch war Martin froh, als Sarah erzählte, daß sie bei der Mutter eines Freundes wohnen konnte. Das würde ihre finanzielle Situation etwas entschärfen. Freimütig berichtete Sarah ihm von ihrer Bekanntschaft mit Sebastian Streidl, und Martin nahm sich vor, noch am selben Tag Erkundigungen über den jungen Mann bei Jenny Behnisch einzuholen.

      Henriette Streidl, genannt Henni, war eine Frau Anfang Fünfzig, die mit beiden Beinen im Leben stand. Als ihr Mann vor zehn Jahren überraschend an einem Herzinfarkt starb, waren die beiden Kinder aus dem Gröbsten heraus. Schon damals bewohnten sie ein schönes altes Haus mit einem großen Garten, das seit Generationen in Familienbesitz war. Henni arbeitete seit Jahren sporadisch in einem kleinen Fotolabor in der Nachbarschaft, doch seit ihre Tochter Maria ausgezogen war, fühlte sie sich doch recht einsam in dem großen Haus. Ihr Sohn Sebastian bewohnte zwar das Dachgeschoß, doch als Assistenzarzt hatte er viele Dienste und war nur unregelmäßig zu Hause. So freute sie sich tatsächlich, als er anrief und fragte, ob eine Freundin für einige Zeit bei ihr wohnen könne. Voll Feuereifer machte sie sich an die Arbeit. Sie lüftete Marias Zimmer gründlich, bezog das Bett frisch und wischte den schönen alten Parkettboden. Schließlich stellte sie eine Vase mit frischen Blumen auf den kleinen Schreibtisch und betrachtete zufrieden ihr Werk.

      Nachdem Sebastian mit seiner Mutter telefoniert hatte, war Sarah mit dem Zug ins Hotel gefahren, um ihre Sachen zu packen und auszuchecken. Dann wartete sie in der Hotelhalle, bis er seinen Dienst beendet hatte und sie abholte, um sie zu seiner Mutter zu bringen. Er hatte ihr vorsorglich nicht erzählt, daß er im selben Haus wohnte, da er Sarah nicht erschrecken wollte.

      Henni begrüßte Sarah herzlich und führte sie gleich in ihr Zimmer, damit sie ihre Sachen auspacken konnte. Bis Sarah fertig war, nutzte Henni die Gelegenheit, um ein paar Sätze mit ihrem Sohn zu wechseln. Dieser erzählte offen, wie er Sarah kennengelernt hatte und gab seiner Mutter zu verstehen, wie gern er sie bereits hatte. Als Sarah fertig ausgepackt hatte, kam sie die Treppe herunter. Unsicher blickte sie sich um, in welches Zimmer sie gehen sollte und folgte dann den Stimmen.

      Als sie das Wohnzimmer betrat, wurde sie bereits von Henni und Sebastian erwartet. Es gab Kaffee und frischen Kuchen, und Sarahs anfängliche Zweifel wurden spätestens jetzt zerstreut. Man unterhielt sich angeregt, und am Abend war klar, daß Henni und Sarah Freunde werden würden.

      *

      Der Zug München-Verona fuhr über eine Weiche, und Nicola wurde durchgeschüttelt. Dabei erwachte sie und blickte sich um. Am Fenster zogen hohe Berge vorbei, an deren Hängen malerische kleine Dörfer lagen. Der Morgen war bereits angebrochen und der Himmel wolkenverhangen.

      Nicola streckte sich und rieb sich den schmerzenden Nacken. Sie saß allein in einem Abteil und genoß es, mit niemandem sprechen zu müssen. Jetzt stand sie auf und machte sich auf den Weg, um sich ein wenig frisch zu machen. Unterwegs traf sie einen Zugbegleiter und erkundigte sich, wie lange sie noch unterwegs sein würden.

      Der junge Mann gab freundlich die gewünschte Auskunft, und nach einem Blick auf die Uhr stellte Nicola Brandon fest, daß sie noch genügend Zeit hatte, um im Zugrestaurant zu frühstücken. Dort angekommen, setzte sie sich an einen freien Tisch und bestellte Kaffee und ein Croissant. Langsam regten sich Gewissensbisse in ihr, daß sie ihre Tochter Sarah so allein in der fremden Stadt gelassen hatte. Dann kam ihr der Gedanke, daß vielleicht nach ihr gesucht wurde. Unsicher sah sie sich um. Es waren nicht viele Menschen im Speisewagen, und keiner schien auf Nicola Brandon zu achten. Kurz darauf kehrte sie in ihr Abteil zurück und fühlte sich immer noch unwohl. Da sie keine Lust hatte zu lesen, schaute sie aus dem Fenster und stellte fest, daß der Zug das Gebirgsmassiv verlassen hatte und durch eine flache Gegend fuhr. An der Vegetation konnte man erkennen, daß man sich jetzt sehr viel südlicher befand. Oleander wuchsen in der Nähe der Gleise, und die typischen Pinienwäldchen standen zwischen vereinzelten Häusern. Lange konnte die Fahrt nun nicht mehr dauern.

      Tatsächlich meldete der Zugführer kurze Zeit später über Lautsprecher das bevorstehende Ende der Reise und bedankte sich bei seinen Gästen. Nicola Brandon wunderte sich, denn so etwas kannte sie nur von Flugreisen. Doch sie hatte nicht viel Zeit. Sie hob ihre Reisetasche aus dem Gepäcknetz, zog ihren Mantel an, obwohl inzwischen die Sonne schien und stellte sich erwartungsvoll auf den Gang. Trotz ihrer Gewissensbisse fühlte sie sich seltsam befreit. Alle Last schien von ihr gefallen zu sein.

      Mit quietschenden Bremsen fuhr der Zug in den Bahnhof von Verona ein und hielt kurze Zeit später an. Die Türen öffneten sich, und Nicola Brandon stieg vorsichtig aus. Unschlüssig stand sie auf dem Bahnsteig und überlegte, in welche Richtung sie gehen mußte. Sie beobachtete die Menschen, die fröhlich lachend aus dem Zug ausstiegen und teilweise von Verwandten oder Freunden abgeholt wurden. Die fremde Sprache klang eigenartig in ihren Ohren, und plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Verloren sah sie sich um. Dann gab sie sich einen Ruck und folgte der Richtung, in der die meisten Menschen den Bahnhof verließen. Es war die richtige Entscheidung gewesen, denn als sie aus dem Bahnhofsgebäude ins Freie trat, sah sie gleich einen Taxistand. Während der Zugfahrt hatte sie lange Zeit darüber nachgedacht, wie das Hotel hieß, in dem sie früher mit David so glückliche Tage verlebt hatte,


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