Gesammelte Werke. Odon von Horvath

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Gesammelte Werke - Odon von  Horvath


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einen grandiosen Appetit und starb in Steinhof bei Wien und war doch immer herzig und freundlich, nur pünktlich konnte sie nicht sein.

       Inhaltsverzeichnis

      Als Agnes den Starnberger See erblickte, befürchtete Eugen, daß ihr etwas zugestoßen ist. Nämlich er hatte einst ein Rendezvous mit einer Kassierin und während er sie erwartete, wurde sie von einem Radfahrer angefahren und zog sich eine Gehirnerschütterung zu. Er wartete ewig lange und schrieb ihr dann einen beleidigenden Brief und erst drei Wochen hernach erfuhr er, daß die Kassierin fünf Tage lang bewußtlos war und daß sie sehr weinte, als sie seinen beleidigenden Brief las, und daß sie den Radfahrer verfluchte.

      »Nur nicht ungerecht sein«, dachte Eugen und zählte bis zwanzig. Nämlich wenn Agnes bis zwanzig nicht kommen sollte, dann würde er gehen. Er zählte sechs mal bis zwanzig und sie kam nicht.

      Er ging aber nicht, sondern sagte sich, daß alle Weiber unzuverlässig sind und verlogen. So verlogen, daß sie gar nicht wissen könnten, wann sie lügen. Sie würden auch lügen, nur um einem etwas Angenehmes sagen zu können. So hätte doch diese Agnes gestern ausdrücklich gesagt, daß sie sich auf das Oberwiesenfeld freut. Auch Agnes sei halt eine Sklavennatur, aber dafür könnten ja die Weiber nichts, denn daran wären nur die Männer schuld, weil sie jahrtausendelang alles für die Weiber bezahlt hätten.

      Daß ihn Agnes versetzt hatte, dies fiel ihm bereits um Punkt sechs ein, doch glaubte er es erst um dreiviertelsieben. »Wenn ich ein Auto hätt«, meinte er, »dann tät mich keine versetzen, vorausgesetzt, daß sie kein Auto hätt, dann müßt ich nämlich ein Flugzeug haben.«

      Aber trotzdem er sich dies sagte, wußte er gar nicht, wie recht er hatte.

       Inhaltsverzeichnis

      Während Harry in Feldafing den Gurkensalat bestellte, ging Eugen langsam die Schellingstraße entlang und hielt einen Augenblick vor der Auslage des Antiquariats. Er sah das »Weib vor dem Spiegel« und dachte, gestern nacht sei er noch dagestanden und jetzt gehe er daran vorbei.

      Es fiel ihm nicht auf, daß das »Weib auf dem Pantherfell« aus der Auslage verschwunden ist. Nämlich am Nachmittag war ein Kriminaler zu der Tante gekommen und hat ihr mitgeteilt, daß sich ein Feinmechaniker aus der Schellingstraße über das »Weib auf dem Pantherfell« sittlich entrüstet hat, weil er wegen seiner achtjährigen Tochter auf einen gewissen hochwürdigen Herrn schlecht zu sprechen wäre. Und der Kriminaler hat der Tante auseinandergesetzt, daß solche Pantherfellbilder schon gar nichts mit Kunst zu tun hätten und daß er eine Antiquariatsdurchsuchung machen müßte. Und dann hat der Kriminaler einen ganzen Koffer voller »Weiber auf dem Pantherfell« beschlagnahmt und hat dabei fürchterlich getrenzt und sich ganz genau nach dem Kastner erkundigt. Er hat nämlich den Kastner verhaften wollen wegen gewerbsmäßiger Verbreitung unzüchtiger Darstellungen und einem fahrlässigen Falscheid.

      Dann ist der Kriminaler gegangen. Hierauf hat die Krumbier, damit sich die Tante beruhige, eine Geschichte von einem sadistischen Kriminalen erzählt, der sich ihr genähert hatte, als sie sechzehn Jahre alt gewesen ist. Er hatte ihr imponieren wollen und hatte ihr lauter Lustmordfotografien gezeigt. »So Kriminaler werden leicht pervers«, hat die Krumbier gesagt.

      Aber die Tante hat sich nicht beruhigen lassen und hat gesagt, wie die Agnes nach Hause kommt, haut sie ihr eine herunter.

       Inhaltsverzeichnis

      Eugen ging auch an dem Hause vorbei, in dessen Atelier der Buddhist AML als Untermieter malte. Das Atelier hatte er nämlich von einem anderen Untermieter gemietet, der sich aber weigerte, des Buddhisten Untermiete dem Mieter auszuzahlen, weil er sich benachteiligt fühlte, da der Mieter bei der Abfassung des Untermietekontraktes die offizielle Miete um das Doppelte gefälscht hatte.

      Der Kastner beschäftigte sich gerade wieder mit einigen Fettflecken und ahnte noch nichts von jenem Kriminalen. Heute hätte ihn jeder Kriminale auch nicht besonders erregt, denn er wußte ja nicht mehr, war er noch besoffen oder schon blöd.

      An der Türkenstraße hielt Eugen vor dem Fenster eines rechtschaffenen Fotografen. Da hing ein Familienbild. Das waren acht rechtschaffene Personen, sie hatten ihre Sonntagskleider an, blickten ihn hinterlistig und borniert an und alle acht waren außerordentlich häßlich.

      Trotzdem dachte Eugen, es wäre doch manchmal schön, wenn man solch eine Familie haben könnte. Er würde auch so in der Mitte sitzen und hätte einen Bart und Kinder. So ohne Kinder sterbe man eben aus und das Aussterben sei doch etwas traurig, selbst wenn man als österreichischer Staatsbürger keinen rechtlichen Anspruch auf die reichsdeutsche Arbeitslosenunterstützung habe.

      Und während Agnes ihren Gurkensalat aß, dachte er an sie. »Also sie hat mich versetzt, das Mistvieh«, dachte er. Aber er war dem Mistvieh nicht böse, denn dazu fühlte er sich zu einsam. Er ging nur langsam weiter, bis dorthin, wo die Schellingstraße anfängt und plötzlich wurde er einen absonderlichen Einfall nicht los und er konnte es sich gar nicht vorstellen, wieso ihm der eingefallen sei.

      Es fiel ihm nämlich ein, daß ein Blinder sagt: »Sie müssen mich ansehen, wenn ich mit Ihnen spreche. Es stört mich, wenn Sie anderswohin sehen, mein Herr!«

       Inhaltsverzeichnis

      Es wurde Nacht und Eugen wollte nicht nach Hause, denn er hätte nicht einschlafen können, obwohl er müde war. Er wäre am liebsten trotz seiner letzten vier Mark zwanzig in das Schelling-Kino gegangen, wenn dort der Tom Mix aufgetreten wäre, jener Wildwestmann, dem alles gelingt. Als er den das letzte Mal sah, überholte er gerade zu Pferd einen Expreßzug, sprang aus dem Sattel auf die Lokomotive, befreite seine Braut aus dem Schlafwagen, wo sie gerade ein heuchlerischer Brigant vergewaltigen wollte, erlegte zehn weitere Briganten, schlug zwanzig Briganten in die Flucht und wurde an der nächsten Station von seinem treuen Pferde und einem Priester erwartet, der die Trauung sofort vollzog.

      Eugen liebt nämlich alle Vieher, besonders die Pferde. Wegen dieser Pferdeliebe wäre er im Krieg sogar fast vor das Kriegsgericht gekommen, weil er einem kleinen Pferdchen, dem ein Splitter zwei Hufe weggerissen hatte, den Gnadenschuß gab und durch diesen Gnadenschuß seine ganze Kompanie in ein fürchterliches Kreuzfeuer brachte. Damals fiel sogar ein Generalstabsoffizier.

      Im Schelling-Kino gab man keinen Tom Mix, sondern ein Gesellschaftsdrama, die Tragödie einer jungen schönen Frau. Das war eine Millionärin, die Tochter eines Millionärs und die Gattin eines Millionärs. Beide Millionäre erfüllten ihr jeden Wunsch, jedoch trotzdem war die Millionärin sehr unglücklich. Man sah wie sie sich unglücklich stundenlang anzog, maniküren und pediküren ließ, wie sie unglücklich erster Klasse nach Indien fuhr, an der Riviera promenierte, in Baden-Baden lunchte, in Kalifornien einschlief und in Paris erwachte, wie sie unglücklich in der Opernloge saß, im Karneval tanzte und den Sekt verschmähte. Und sie wurde immer noch unglücklicher, weil sie sich einem eleganten jungen Millionärssohn, der sie dezent-sinnlich verehrte, nicht geben wollte. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als ins Wasser zu gehen, was sie denn auch im Ligurischen Meere tat. Man barg ihren unglücklichen Leichnam in Genua und all ihre Zofen, Lakaien und Chauffeure waren sehr unglücklich.

      Es war ein sehr tragischer Film und er hatte nur eine lustige Episode: die Millionärin hatte nämlich eine Hilfszofe und diese Hilfszofe zog sich mal heimlich ein großes Abendkleid ihrer Herrin an und ging mit einem der Chauffeure groß aus. Aber der Chauffeur wußte nicht genau, wie die vornehme Welt Messer und Gabel hält und die beiden wurden als Bedienstete entlarvt und aus dem vornehmen Lokal gewiesen. Der Chauffeur bekam von einem der vornehmen Gäste noch eine tüchtige Ohrfeige und die Hilfszofe


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