Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp

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Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika - Friedrich  Kapp


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Verhältnisse förderten ganz ungemein ihre allmälige Verbreitung, und namentlich bediente sich ihrer das vom Ausland in seinen Anmaßungen gegen Kaiser und Reich unterstützte Territorialfürstenthum zur Befestigung und Erweiterung seiner Macht.

      Es ist jene traurige Periode, welche um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts beginnend, mit dem Ende des achtzehnten schließt und die Entwicklung und Blüthe des „Landesvaterthums“ bezeichnet. Der dreißigjährige Krieg hatte die nationale Kraft unsres Volkes gebrochen; sein mittelalterlicher Reichthum, seine persönliche und staatliche Selbständigkeit und sein reiches glänzendes Leben waren in Gräuel und Blut erstickt. Der Krieg hatte den deutschen Mittel- und Bürgerstand und damit die Energie der Nation wenn nicht vernichtet, so doch auf Jahrhunderte hinaus geknickt und lahmgelegt. Es trat zunächst eine allgemeine Zersetzung und erst allmälich ein Umbildungsprozeß unsres bürgerlichen und öffentlichen Lebens ein. Die politische Auflösung der Nation prägte sich erschreckend und deutlich in der täglich unbeschränkter und frecher auftretenden Viel- und Kleinstaaterei aus. Der Kleinstaat wurde zur individuellen Form und zum unverhüllten Ausdruck des deutschen politischen Elends. In unserer Nation hatte seit uralten Zeiten der Einzelne, das Individuum immer Alles gelten, immer selbstherrlich sein wollen. Jetzt aber war es die Nemesis der Geschichte, daß diese Tausende und Millionen von Selbstherrlichkeiten heruntergehetzt wurden zu macht-, recht- und willenlosen Menschenleibern, um als Waare auf dem Weltmarkte feilgeboten zu werden. Dieses Schicksal traf den Bauer wie den Bürger, den Adligen wie den Fürsten, den Einzelnen wie die Staaten, nur nicht zu gleicher Zeit und nur jeden in seiner Art. Das Ende aber war der allgemeine Zusammensturz. Aus den Ueberresten der verarmten, heruntergekommenen Bevölkerung wurde der gehorsame, in sein Schicksal ergebene und duldende Unterthan dressirt; der Staat war nichts als eine Domaine, welcher die Mittel für die Saturnalien und das bon plaisir des Landesherrn liefern mußte. Und wie klein, wie jämmerlich war dieses Landesvaterthum mit seinem Egoismus! Es gab kein Band politischer Macht und Einheit, welches, wie in Frankreich, Herrscher und Beherrschte verknüpft und dem Auslande geachtet und gefürchtet gegenübergestellt hätte. Das Land war in eine Unzahl kleiner Souverainitäten zersplittert und das Volk kam nur als Gegenstand des Seelen- und Quadratmeilen-Schachers in Betracht. Die rohen, unwissenden und habsüchtigen Territorialherren hielten durch ihre unsinnige und engherzige Politik, sowie durch ihre nationalökonomischen Verkehrtheiten das an sich so reiche Land in beständiger materieller Erschöpfung und schnitten ihm jede Gelegenheit zur Entwicklung seiner Hülfsquellen ab. Je ärmer und abhängiger das Volk, desto leichter ist es zu beherrschen, desto eher kann der Herr von Gottes Gnaden als ein Wesen höherer Art gelten, desto stolzer ragen also auch aus dem allgemeinen Schiffbruch die übriggebliebenen fürstlichen Spitzen hervor. Durch die Waffen und durch das Bündniß mit Fremden gegen Kaiser und Reich hatten sie ihre Stellung gewonnen; durch dieselben Mittel mußte diese erhalten und erweitert werden: das stehende Heer lieferte ihnen zunächst die Mittel zur Behauptung und Befestigung ihres Territorialbesitzes und zur Geltendmachung der ihnen vom westfälischen Frieden garantirten Souverainität.

      Die neue Praxis schlich sich um so leichter und unbemerkbarer ins Leben ein, als seit Jahrhunderten schon Einzelne sich als Soldaten vermiethet hatten und als die Fürsten jetzt nur zu befehlen brauchten, was früher blos als ein freiwilliger Akt geleistet worden war. Dazu kam, daß seit der Krieg zu einem regelmäßigen Handwerk ausgebildet worden, diese Söldner eine nie aussterbende Klasse von Abenteurern, Landstreichern und gar Räubern ausmachten, die nach jedem Friedensschlusse ihrer Heimath wieder zur Last fielen und ihren verderblichen Einfluß auf die heranwachsenden Geschlechter ausdehnten. Es war also zunächst eine Wohlthat für das Land, wenn diese ruchlosen Banden durch die stehenden Heere möglichst unschädlich gemacht wurden. Uebrigens würde die neue Einrichtung trotzdem nicht sobald festen Fuß gefaßt haben, wenn sie nicht gleich im Anfange auch andere wesentliche Vortheile gewährt hätte. Sie brachte Ordnung in die Finanzen und sicherte die Ruhe während des Friedens. Sie schien also den Interessen der Unterthanen und Fürsten zu entsprechen; in der That aber hatten diese den wesentlichen Nutzen, jene aber nur neue Lasten davon. Der verarmte, ausschließlich mit seinen nächsten Sorgen beschäftigte Bürger ließ sich leicht einreden, daß ihm mit der Einrichtung der stehenden Heere, die ihn in seinem friedlichen Erwerbe schützen würden, eine große Last von den Schultern genommen werde. Die Fürsten selbst erhielten durch die stehenden Heere eine kaum berechenbare Machtverstärkung. Ihre eigenen Mittel reichten selten aus, eine nur halbwegs respektable Streitmacht ins Feld zu stellen; zu einem ordentlichen Kriegszug mußten sie sich von den Ständen Geld bewilligen lassen. Erlangte nun der Territorialherr das Recht, ein stehendes Heer zu halten, so konnte und mußte er dafür auch feste Steuern einziehen, wodurch er eine unendlich gesteigerte Verfügung über die Steuerkraft des Landes gewann. Dann aber gehörte ihm das Heer unbedingt, und es ließ sich damit jeder Widerspruch der eigenen Unterthanen zum Schweigen bringen.

      Es dauerte nicht lange, so erklärte der Fürst das ganze Land für sein Eigenthum, mit dem er nach Belieben schalten und walten könne; er verlangte unbedingten Gehorsam und hob zuletzt jeden jungen Mann, der ihm zusagte, für Lebenszeit zum Kriegsdienste aus. Dahin ward die alte Heerbannpflicht verkehrt, welche mit Recht jeden freien Bürger zur Führung der Waffen für das allgemeine Beste, für den Staat verpflichtete. Jetzt war die fürstliche Domaine das allgemeine Beste, der Staat geworden, und an die Stelle jener politischen und sittlichen Pflicht trat die polizeilich brutale Pressung, die Aushebung der Landeskinder, mit welcher die freie Werbung der Fremden Hand in Hand ging. Das Landeskind war zwar billiger als der Fremde und einmal gehörig dressirt, auch für die Zukunft brauchbarer; allein der Fremde konnte nicht leicht entbehrt werden, weil die blos auf die Unterthanen beschränkte Werbung das Land leicht entvölkert hätte. Zudem gab es gewisse Exemtionen für die Vermögenden oder sozial oder amtlich höher Gestellten. Die Last der Dienstpflicht ruhte ausschließlich auf den Aermeren, den Bauern und den Ungebildeten. Uebrigens dauerte es noch geraume Zeit, ehe die Regierenden es wagten, jeden Mann aus dem Volke zu langjähriger Dienstpflicht heranzuziehen. Montecuculi, welcher zuerst den Habsburgern die Einführung stehender Heere klar zu machen trachtete, suchte mit höchster Sorgfalt nach Individuen, die man wohl zum Kriegsdienste verpflichten könne, ohne dadurch eigentlich individuelle Rechte zu verletzen und die Steuerkraft des Landes zu beeinträchtigen. Die Brutalität in der Rekrutirung stehender Heere wagte sich nur schrittweise heraus; Deutschland wurde erst allmälich in kaum scheinbaren Uebergängen das Jagdrevier, auf welchem die fürstlichen Jäger ihre Werbehunde auf das täglich wehrloser werdende Volk losließen.

      Es ist vor Allem für das richtige Verständniß der hier in Betracht kommenden Epoche unerläßlich, sich diesen verhältnißmäßig neuen Ursprung der stehenden Heere und der damit verbundenen Mißbräuche zu vergegenwärtigen, umsomehr, da die Vertheidiger des kleinstaatlichen Gottesgnadenthums thun, als ob die Welt diese durchaus neue Einrichtung seit Jahrtausenden nicht anders gekannt habe und als ob nur die ungemüthliche Gegenwart ihre hohen Segnungen nicht zu würdigen vermöge. Es sei also gleich hier darauf hingewiesen, daß kaum die Großväter und Urgroßväter derselben Fürsten, welche den Soldatenhandel nach Amerika getrieben, es zu stehenden Heeren gebracht hatten, und daß das historische Recht, welches im Munde ihrer Vertheidiger die einzige Entschuldigung für jenen Unfug bildet, statt „keinen Datum nicht zu haben“ so modernen Ursprungs ist, daß man Jahr und Tag seiner Entstehung genau nachrechnen kann. Der älteste hessische Subsidienvertrag mit einem auswärtigen Fürsten ward 1676 vom Landgrafen Karl mit König Christian V. von Dänemark, also gerade hundert Jahre vor der uns beschäftigenden Zeit abgeschlossen. Der älteste Vertrag überhaupt, mittelst dessen deutsche Truppen in einer für sie ganz fremden Welt, an der äußersten Gränze Europa's gegen baare Bezahlung verwandt wurden, war der sächsische von 1685, in welchem Jahre der Kurfürst Johann Georg III. dreitausend sächsische Soldaten um 120,000 Thaler auf zwei Jahre an die Republik Venedig verhandelte. Diese schickte sie gegen die Türken nach Morea hinüber, wo während der Feldzüge 1685 und 1686 die meisten von ihnen elend zu Grunde gingen. Die Wenigsten fielen auf dem Schlachtfelde; die Meisten erlagen der Pest und rothen Ruhr, und nur 761 von den ausmarschirten 3000 Mann kehrten im August 1687 in die Heimath zurück.

      Die Ausbildung der stehenden Heere begann mit dem Ende des siebenzehnten und vollendete sich im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts. Ludwig XIV., der für jeden kleinen deutschen Zaunkönig bald das leuchtende Vorbild staatsmännischer Hoheit wurde, bediente sich


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