Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp

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Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika - Friedrich  Kapp


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dienen: „Briefe des Herrn v.S., worin derselbe seinem in C. zurückgelassenen Freunde verschiedene Werbehistörchen nebst einigen seiner eigenen Begebenheiten bis zu seiner Vermählung vor Augen legt. Leipzig 1765, bei Johann Gottlob Rothen, Buchhändler in Kopenhagen.“ Herr v.S. ist einer jener zahlreichen und gewissenlosen Werbeoffiziere, welche von den Soldaten bedürftigen deutschen und selbst auswärtigen Staaten, z.B. England, in jeder günstig gelegenen, größeren Stadt unterhalten wurden und die Aufgabe hatten, mit List und Gewalt, Versprechungen und Geld, Wein und schönen Kleidern arme Teufel und leichtsinnige oder arglose junge Menschen als Soldaten anzulocken. Der Hauptheld dieser Werbehistörchen ist der Bursche des Herrn v.S., ein gewisser Schwarz, den sein Herr nicht müde wird, als ein Muster von Schlauheit, Verschmitztheit und Frechheit zu preisen. Der tugendhafte Schwarz bethört mit den gewöhnlichen Mitteln seine Opfer in den Wirthshäusern, entführt „wohlqualifizirte Subjekte“ mit Gewalt oder verkleidet sich selbst in einen Handwerksburschen und läßt sich von einem nichts Böses ahnenden, neben ihm sitzenden Schustergesellen an einen Werbeunteroffizier, der im Geheimniß ist, verkaufen, worauf dann Schwarz das Heft umkehrt und seine Beute desto sicherer packt. Natürlich jubelt Herr v.S. über den reichen Fang und schafft ihn, von seinem Vorgesetzten ob seines Diensteifers und Erfolges belobt, rasch nach der Garnison. Ein ander Mal beraubt Schwarz gemeinschaftlich mit zwei Unteroffizieren einen Handlungsdiener, dem von ihnen die Wahl zwischen Soldatwerden und Auslieferung seines Beutels gelassen wurde, um hundert Dukaten und andere Kostbarkeiten. Der Kaufmann beschwerte sich bei Herrn v.S. Was thut dieser? Er geräth in solche Wuth, daß er seinen an der Wand hängenden Degen ergreift und den herbeigerufenen, ihres Verbrechens geständigen Unteroffizieren einige zwanzig Hiebe aufzählt. „Weil man aber — erzählt Herr v.S. mit Selbstgefühl — überdies in's Geheim von einer gewaltsamen Entführung des Tanzmeisters zu zischeln anfing, Lucinde (die Maitresse) mir auch beständig in Ohren lag, und durch die Begebenheit mit dem Kaufmannsdiener meine eigene Gefahr zu blühen anfing, so entschloß ich mich, ohne Abschied zu nehmen, aus der Stadt zu gehen, und fuhr den dritten Tag mit Lucinden, meinem Kutscher und Schwarz, der mir ein ander Mal klüger zu werden und bessere Vorsicht zu gebrauchen angelobet, nach M. zu dem Regimente.“

      So weit Herr v.S. Ein gewöhnlicher Mensch, der nicht adliger Werbeoffizier gewesen wäre, würde, wenn er sich wie Schwarz und Herr v.S. bei ähnlichen zur Nacheiferung empfohlenen Heldenthaten hätte ertappen lassen, sein Leben lang in die Eisen gekommen sein; aber Herr v.S. ist „Kavalier“ und wirkt als solcher für den allerhöchsten Dienst. Folgen wir nun dem in Schwarzischer oder Herr v.S.'scher Weise gestohlenen Rekruten an seinen Bestimmungsort, und lassen wir uns über seinen Transport dahin amtlich unterweisen. Wir finden diese Belehrung in dem Werke: „Unterricht für die Königlich Preußische Infanterie im Dienste der Garnison, auf Werbungen und im Felde. Berlin, in der Himburgischen Buchhandlung 1805.“ Dieses Buch, welches also wohlgemerkt, gerade ein Jahr vor der Schlacht von Jena erschien, ist ein merkwürdiges Zeichen von der erstaunlich raffinirten Schärfe, zu welcher sich der preußische Dienst damals ausgebildet hatte, aber auch von der ganzen herzlosen Grausamkeit, deren ein gemeiner, auf schnelle Beförderung im allerhöchsten Dienste sinnender Norddeutscher fähig ist. Da heißt es im vierzehnten Kapitel vom Transport der Rekruten wörtlich: „Der Unteroffizier muß außer einem guten Seitengewehr auf dem Transporte stets ein Terzerol bei sich führen; er muß den Rekruten nie hinter, sondern immer vor sich gehen, ihn nie nahe auf den Leib lassen, und ihn bedeuten, daß der erste falsche Tritt, den er thut, ihm das Leben koste. Er muß beim Transport das Gebiet des Landes vermeiden, wo der Rekrute gedient hat, oder auch manchmahl, und unter gewissen Umständen sogar, aus dem er gebürtig ist.

      „Er muß das Transportiren durch große Städte und lebhafte Ortschaften, wo möglich, vermeiden. Des Nachts muß er solche Wirthshäuser zum Quartier wählen, wo er und andere Werber seiner Macht immer einkehren, und wo der Wirth auf seiner Seite ist. In dem Nachtquartier selbst muß er die möglichste Vorsicht zur Erhaltung des Rekruten anwenden, demselben sich ganz auszuziehen und niederzulegen befehlen, dessen, so wie seine eigene Kleider dem Wirth in Verwahrung geben, und sich neben ihn, vorne nach der Thüre zu, hinlegen. Beim Transport muß er nicht erlauben, daß der Rekrute sich sehr umsehe, stehen bleibe, noch weniger sich mit Reisenden und besonders gar nicht in einer fremden Sprache unterhalte. Er muß den Rekruten auf dem Transport so lenken, wie man mit dem Zügel ein Gespann lenkt; die Worte: Halt, Marsch, Langsam, Geschwinde, Rechts, Links, Geradeaus müssen von dem Rekruten auf dem Fleck befolgt werden, sonst ist dies schon ein übles Omen, und des Unteroffiziers Autorität ist verletzt.

      „Nie muß der Unteroffizier da einkehren, wo es dem Rekruten etwa zu frühstücken beliebt, sondern wo er zu diesem Behuf einmahl für allemahl einkehrt.

      „In solchen Wirthshäusern, wo der Transport zu Nacht bleibt, muß eine eigene, für die Werber und Rekruten bestimmte Gaststube sein, die, womöglich in einem Oberstock ist und deren Fenster mit eisern Gittern versehen sind. Nachts muß kein Rekrute aus der Stube zu gehen genöthigt sein, sondern ein Nachtgeschirr zu beiderlei Bedürfnissen sich im Zimmer befinden.

      „Die ganze Nacht muß eine Lampe im Zimmer brennen und neben selbiger ein unangezündetes Licht stehen. Der Unteroffizier muß seine Waffen dem Wirth Abends übergeben, damit nicht der Rekrute gegen ihn, in der Nacht davon Gebrauch macht. Morgens muß er sie sich wiedergeben lassen, sie nachsehen, frisch laden, oder wenigstens frisch Pulver aufschütten, sich anziehen, reisefertig machen, und dann erst den Rekruten aufstehen heißen, und ihm seine Kleider zum Anziehen wiedergeben. Beim Hineingehen in ein Wirthshaus und Stube muß der Rekrute der erste, beim Herausgehen der letzte sein; im Wirthshause selbst muß der Werber vor, der Rekrute hinter dem Tische sitzen. Hat der Rekrute eine Frau mit, so muß der Werber seine Aufmerksamkeit verdoppeln, die Frau muß auf dem Marsche vor dem Manne, niemahls aber hinter demselben, oder gar hinter dem Werber gehen.

      „Sie muß eben so denen Commando-Wörtern auf dem Marsche gehorchen als der Mann, ebenso in den Nachtquartieren beobachtet werden, sich eben so unterwegens, wenn der Unteroffizier zu frühstücken wo einkehrt, wie der Mann hinter den Tisch setzen, eben so des Nachts nicht das Zimmer verlassen. Daß ein transportirter Rekrute während seines Transportes keine Feder anrühren, keine Briefe schreiben, keine Schreibtafel sich halten, selbst keine Bleifeder nicht bekommen darf, ist natürlich, so wie daß man dem Rekruten und seiner Frau vor dem Antritt des Transports, alle gefährliche Waffen, Terzerols, große Messer u.s.w. abnehmen muß und während dem Transport nicht erlauben darf, daß der Rekrute so wenig wie seine Frau, einen Stock, Knüppel oder Stab tragen darf.

      „Auch muß es dem Rekruten nicht erlaubt sein, seine Frau vom Transport oder Nachtquartier ab, wohin zu schicken, mit selbiger eine fremde Sprache zu reden, oder ein sachtes Gespräch zu führen. Alles dies muß nicht statt finden und überhaupt der Unteroffizier auf alle Vorsichtsmaßregeln beim Transport denken, auf alle Handlungen und Worte des Rekruten Acht geben und darüber seine Ueberlegungen anstellen. Ist der Rekrut nur irgend zweideutig, so muß er sich auf Befehl des Unteroffiziers, die Hosenriemen entzwei-, die Hosenknöpfe abschneiden und die Hosen in der Hand tragen.

      „Hat er aber vollends einen Versuch gemacht, zu echappiren, so muß er ohne Gnade geschlossen, oder ihm die Daumschrauben angelegt werden. Es ist schon übel, wenn es der Unteroffizier dahin kommen läßt, von seinem Gewehr Gebrauch zu machen, und den Rekruten blessiren oder tödten zu müssen.

      „Bei sehr schönen, scheinbar resoluten, den Unteroffizier an Kräften überwiegenden Rekruten wird der Offizier gewiß so vorsichtig und billig sein und zu dessen Transport zwei Unteroffiziere geben. Ueberhaupt ist es, wenn es nur irgend angeht, immer besser, wenn einige Rekruten zusammen transportirt werden, damit mit Recht bald ein paar Unteroffiziere mit auf den Transport können gegeben werden. Es ist wegen Krankheitsfällen, Nachtwachen, wechselseitiger körperlicher Unterstützung, Ueberlegung und Berathschlagung, wo Seelenkräfte wirken müssen, wegen Aufmerksamkeit und Vorsichtsmaßregeln, kurz, wegen aller möglichen auf dem Transport zu beobachtenden und vorkommenden Ereignisse besser, wenn, selbst bei unproportionirten Verhältnissen der Rekruten zu den Transportirenden, einige Unteroffiziers beisammen sind. So schwer, wie es bei gehörigem Diensteifer, wenn sich der Unteroffizier nicht auf's Glück verlassen will, es demselben wird, einen einzigen Rekruten allein zu transportiren, so können zwei Unteroffiziere doch schon drei bis vier Rekruten, mit wenigerer Gefahr, drei Unteroffiziere


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