Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Friedrich Kapp
Читать онлайн книгу.befehligte das Heer, mit welchem Wilhelm in der Bucht von Torbay landete, das Regiment Brandenburg geleitete ihn nach dem Palast von St. James und nach Irland. Brandenburgische Truppen fochten unter dem Kommando Wilhelms bei Steinkirchen und Neerwinden, und ihnen dankte der König die Wiedereroberung von Huy und Namur. Der erste kontinentale Krieg, den England führte, war der spanische Erbfolgekrieg, in welchem Marlboroughs siegreiche Heere fast ausschließlich aus deutschen Hülfs- und Miethstruppen bestanden, wie denn überhaupt damals deutsche Truppen auf beiden Seiten kämpften: Hessen und Braunschweiger unter deutscher, englischer und holländischer Fahne, Bayern und Kölner unter den Franzosen. Der Handel, welchen die deutschen Fürsten zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts mit dem Leben ihrer Unterthanen trieben, war schon zu jener Zeit so schamlos, daß alle öffentlichen Blätter in England sie bitter tadelten und verspotteten, und daß die holländische Regierung ihren deutschen Bundesgenossen derb und verächtlich vorwarf, daß sie das Geld mehr liebten, als ihre Ehre.
Seit das Haus Braunschweig-Hannover den englischen Thron einnahm, wurden die englischen Beziehungen zur Kabinets-Politik des vorigen Jahrhunderts nur noch inniger. Die regierende Dynastie, welche überall ihr spezifisch hannöverisches Interesse in den Vordergrund drängte, konnte um so eher an allen europäischen Verwickelungen und Kämpfen Theil nehmen, als sie die Truppen ihres Stammlandes zur Disposition hatte und diese zugleich mit im englischen Interesse verwandte, oder sie im heimischen Interesse von England in Sold nehmen ließ. So sehen wir denn im Laufe des vorigen Jahrhunderts deutsch-englische Regimenter auf fast allen Schlachtfeldern Europa's, in Gibraltar und Minorka, ja in Madras und den übrigen englischen Kolonien kämpfen. Außerdem schlossen die Könige Georg I. und II. zur Erreichung ihrer politischen Zwecke in Deutschland Verträge mit ihren dortigen Nachbarn ab und zahlten bedeutende Summen, um ihrer Hülfe in jedem Augenblick versichert zu sein, wie z.B. im Jahre 1717 mit dem Landgrafen von Hessen, als Georg I. ein Bündniß mit Frankreich einging und verschiedene schwedische Besitzungen in Deutschland an sich zu reißen gedachte. Im Jahre 1739, nach der Kriegserklärung Englands gegen Spanien, zahlte Georg II., weil er persönliche Streitigkeiten mit Preußen hatte und deshalb für Hannover fürchtete, an Hessen und Dänemark Lstr. 260,000, damit sie 6000 Mann, wie es hieß, für England bereit hielten. Ein Jahr darauf, beim Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges, zahlte derselbe König der Kaiserin Maria Theresia Lstr. 300,000 Subsidien, welche 1742 auf die ganze Dauer des Krieges ausgedehnt wurden. Im April desselben Jahres bewilligte das Parlament auf's Neue Gelder für dänische, hessische und hannöverische Truppen, um daraus ein Heer in Flandern gegen die Franzosen zu bilden. Wie bedeutend diese Summen waren, kann man aus dem einzigen Beispiel ersehen, daß der Landgraf Friedrich I. von Hessen, obgleich er in jenem Kriege seine Truppen an beide kriegführenden Theile vermietete, von 1730 bis 1750 Lstr. 1,249,699 von England bezogen hatte. Der Sieg des Herzogs von Cumberland bei Culloden, der 1746 den schottischen Aufstand dämpfte, war vorzugsweise dem tüchtigen Fußvolk zu verdanken, das aus 6000 Hessen bestand, die vom holländisch-englischen Heere aus den Niederlanden nach England eingeschifft worden waren. Im Jahre 1749 erhielt Maria Theresia noch nachträglich zur bessern Befestigung der Freundschaft zwischen beiden Höfen eine Summe von Lstr. 100,000. Einige Monate später schloß König Georg II. zur Förderung seiner politischen Zwecke in Deutschland einen Subsidienvertrag mit Bayern, welches gegen das Versprechen, 6000 Mann Hülfstruppen bereit zu halten und in den Reichsangelegenheiten mit Hannover zu stimmen, von 1750–1756 im Ganzen Lstr. 120,000 empfing. Unter denselben Bedingungen wurden Sachsen in den Jahren 1751–1755 von England Lstr. 128,000 gezahlt. Im September 1755, gleichzeitig mit dem Ausbruch des englisch-französischen Kolonialkrieges und kurz vor Anfang des siebenjährigen Krieges in Europa, schloß England einen Defensiv-Traktat mit Rußland, damit dieses zur Vertheidigung Hannovers gegen baare Bezahlung 55,000 Mann bereit hielte. Dieser Vertrag wurde zwar nicht erfüllt, da Rußland sich in der Folge mit Frankreich und Oesterreich verband, während England mit Friedrich II. in eine Allianz trat. Zu gleicher Zeit jedoch erhielten die kleinen deutschen Fürsten, wie Hessen, Gotha, Anspach und Würzburg bedeutende Summen, damit sie mit ihren Soldaten für England in's Feld rückten, Bayern nahm damals ebenfalls Lstr. 10,000 von England an, obgleich es von dessen Feinden schon gewonnen war und mit französischem Gelde 6000 Mann zu den Oesterreichern stoßen ließ. Um den Herzog von Braunschweig zu gewinnen, eröffnete ihm Georg II. die Aussicht auf die Vermählung seiner ältesten Tochter mit dem Prinzen v. Wales und erbot sich, seine Truppen gegen doppelt so hohe Zahlung in Sold zu nehmen, als der preußisch-französische Vertrag ihm gewährte. Natürlich war der Herzog nicht abgeneigt, nach Ablauf seines Vertrages mit Frankreich auf dieses Anerbieten einzugehen. Im zweiten Jahre des siebenjährigen Krieges zählte das englische Heer in Westfalen 48,000 Mann, darunter u.A. 20,000 Hessen, 6000 Braunschweiger und keinen einzigen geborenen Engländer. Aber Pitt brauchte keinen seiner Landsleute zu opfern, denn er fand gegen gute Bezahlung genug Ausländer, die, wie er ganz richtig berechnet hatte, in Deutschland für England's Besitzungen in Amerika und Ostindien kämpften. Die Bundesgenossenschaft Friedrich des Großen allein kostete England jährlich vier Millionen Thaler.
In dem Bündniß, welches Oesterreich und Frankreich am 1. Mai 1756 in Versailles schlossen, ward der damalige Marktpreis der Infanterie und Kavallerie genau festgesetzt. Es behielten sich nämlich diejenige der kontrahirenden Mächte vor, welche die Hülfe der andern in Anspruch nehmen würde, statt der effektiven Mannschaft (24,000 Mann) ein Aequivalent in Geld zu fordern, und zwar 8000 Reichsgulden monatlich für je 1000 Mann Infanterie, 24,000 Reichsgulden aber für je 1000 Mann Kavallerie. Das hieß mit anderen Worten soviel, daß man für diese Summen die betreffenden Soldaten auch anderweitig beschaffen konnte, daß also ein Infanterist nur 96 fl. und ein Kavallerist 288 fl., einschließlich Werbung und Leichnam, werth war.
Es waren kaum zwölf Jahre nach Beendigung des siebenjährigen Krieges vergangen, als die Revolution in Amerika ausbrach, zu deren Bekämpfung England natürlich wieder bedeutende Truppenmassen nöthig hatte.
Zweites Kapitel.
Die Zahl der englischen Truppen, welche bei Eröffnung der Feindseligkeiten über die amerikanischen Kolonieen zerstreut waren, reichte zur Führung des Krieges durchaus nicht hin. Im Norden betrug die königliche Streitmacht etwas mehr als 8000 Mann, in den mittleren und südlichen Kolonien fanden sich deren höchstens 6000 bis 7000, so daß der ganze Effektivbestand der englischen Armee sich in sämmtlichen amerikanischen Provinzen, von Neu-Schottland bis Florida, bis in den Sommer 1776 hinein auf allerhöchstes 15,000 Mann belief. Ihre Zahl mußte also wenigstens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden, wenn man den Kampf mit Aussicht auf Erfolg führen wollte.
Die Hauptschwierigkeit bestand nun zunächst darin, woher man die für den Krieg erforderlichen Truppen nehmen sollte, da die im eignen Lande vorhandenen Mittel nicht genügend waren. Die geborenen Engländer wollten und sollten in Amerika nicht dienen. Der dortige Konflikt war namentlich in den unteren Volksklassen von Anfang an sehr unpopulär gewesen und wurde jetzt durch die Aussicht, möglicher Weise selbst noch zur Niederwerfung der Revolution herangezogen zu werden, bei ihnen noch unpopulärer. Dann aber nahm die seit dem letzten Kriege in kolossalem Maßstabe entwickelte Industrie die verfügbaren Kräfte der Nation mehr als je in Anspruch. Die Regierung, welche im Parlamente und in den höheren Klassen ohnehin schon genug Widerstand gegen ihre Unterwerfungspläne fand, war zudem einer Berufung an's Volk und an die öffentliche Meinung abgeneigt. Es lag ihr deshalb auch von Anfang an der Gedanke fern, die Zahl ihrer Regimenter durch Werbungen in England voll zu erhalten oder zu vermehren. Irland und die Hochlande, Canada und die amerikanischen Loyalisten konnten zusammen keine Armee auf die Beine bringen; sie kamen deshalb um so mehr erst in zweiter Reihe in Betracht, als man noch nicht sicher war, ob und wie weit sie den an sie gestellten Anforderungen überhaupt entsprechen wollten und konnten. Die Indianer hatten sich bei früheren Gelegenheiten als so unzuverlässige Bundesgenossen erwiesen, daß man sie am liebsten gar nicht zu Hülfe gerufen hätte.
In der am 14. Juni 1775 abgehaltenen Kabinetssitzung, der ersten, welche nach dem Eintreffen der Nachricht von dem Gefechte bei Lexington stattfand, verhandelten König und Minister lange über die Frage, wie der jetzt unvermeidlich gewordene Krieg geführt werden