Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.allem auszeichnete, worin ein Mann sich auszeichnen mußte, ein Halbgott, und Kama konnte nicht anders, er mußte ihn anbeten – wenn er es auch mit keiner Miene verriet.
Kein Wunder, daß die weiße Rasse siegte, dachte er, wenn sie solche Männer hervorbrachte. Was vermochte sein Volk gegen eine so zähe, ausdauernde Rasse? Selbst die Indianer reisten nicht bei solcher Kälte, und sie besaßen doch die Weisheit von tausend Generationen; und dieser Daylight, der Mann aus dem weichlichen Süden, war härter als sie, verlachte ihre Angst und reiste zehn und zwölf Stunden am Tage. Und dieser Daylight glaubte, eine tägliche Schnelligkeit von dreiunddreißig Meilen sechzig Tage lang aushalten zu können. Er sollte nur warten, bis frischer Schnee fiel, oder bis sie wieder auf ungebahnte Wege oder an die große Eisschranke um das offene Wasser kamen.
Aber unterdessen hielt Kama Schritt mit ihm, murrte nie und drückte sich nie von einer Arbeit. Fünfundsechzig Grad unter Null ist sehr kalt Es handelt sich stets um Fahrenheit.. Da Wasser bei zweiunddreißig Grad über Null gefriert, bedeuten fünfundsechzig Grad nicht weniger als siebenundneunzig Grad unter dem Gefrierpunkt. So erhält man einen schwachen Begriff von der Kälte, in der Kama und Daylight durch die Finsternis reisten.
Obgleich Kama beständig seine Wangen rieb, bekam er Frostbeulen an den Backenknochen, und das Fleisch wurde schwarz und gefühllos. Seine Lungenspitzen schmerzten – ein gefährliches Anzeichen, und allein schon ein Grund, daß ein Mann sich nicht im Freien bei fünfundsechzig Grad Kälte übermäßig anstrengen soll. Aber er klagte nie, und Daylight fühlte sich ebenso warm unter seinen sechs Pfund Kaninchenfell, wie der andere unter seinen zwölfen.
Am zweiten Abend schlugen sie nach weiteren fünfzig Meilen ihr Lager nahe der Grenze zwischen Alaska und dem nordwestlichen Territorium auf. Der Rest der Reise ging bis auf das letzte kurze Stückchen nach Dyea durch kanadisches Gebiet. Bei der schnellen Fahrt und da kein Neuschnee gefallen war, gedachte Daylight am vierten Abend das Lager von Forty Mile zu erreichen. Aber am dritten Tag begann die Temperatur zu steigen, und das bedeutete am Yukon, wie sie wußten, Schnee. Auch mußten sie sich an diesem Tage zehn Meilen weit ihren Weg durch Eisschollen bahnen und den Schlitten über riesige Eisblöcke heben. Hier nützten die Hunde nur wenig, und sowohl sie wie die Männer mühten sich ab, ohne viel weiter zu kommen. Eine Stunde Überarbeit am Abend brachte ihnen nur einen Teil der verlorenen Zeit wieder ein.
Als sie am Morgen erwachten, lag der Schnee zwei Zoll hoch auf ihren Schlafsäcken. Die Hunde waren ganz unter der weißen Decke begraben und wollten nur ungern ihr warmes Nest verlassen. Der Neuschnee bedeutete schwere Arbeit. Die Kufen sanken ein, und einer der Männer mußte beständig vorausgehen und den Schnee mit den Schneeschuhen festtreten, damit sie nicht umwarfen. Der Schnee ist in diesen Gegenden ganz anders, als man ihn in südlichen Ländern kennt. Er ist hart, fein und trocken wie Zucker. Er läßt sich nicht ballen und wirbelt wie loser Sand unter den Füßen auf. Er besteht nicht aus Flocken, sondern aus Kristallen – winzigen geometrischen Frostkristallen. Es war wärmer geworden, kaum zwanzig Grad unter Null, und die beiden Männer schwitzten bei der Arbeit, obwohl sie die Ohrenklappen hochgeschlagen und die Handschuhe ausgezogen hatten. Sie erreichten Forty Mile an diesem Abend nicht mehr, und als sie am nächsten Tage dort eintrafen, machte Daylight nur halt, um Post und neuen Proviant aufzunehmen. Am folgenden Nachmittag lagerten sie an der Mündung des Klondike-River. Seit Forty Mile hatten sie nicht eine lebende Seele getroffen und sich beständig ihren Weg selbst bahnen müssen. Seit dem Herbst war noch keiner den Fluß hinauf südwärts von Forty Mile gekommen, und es konnte gut sein, daß sie den ganzen Winter die einzigen blieben. In jenen Tagen war Yukon ein einsames Land. Zwischen dem Klondike-River und Salt Water bei Dyea lagen sechshundert Meilen schneebedeckte Wildnis, und auf der ganzen Strecke gab es nur zwei Stellen, wo Daylight möglicherweise Menschen treffen konnte. Beides waren isolierte Poststationen, Sixty Mile und Fort Selkirk. Im Sommer stellten sich wohl an der Mündung des Stewart- und des White-River, bei Big und Little Salmons und am Le-Barge-See Indianer ein, im Winter jedoch folgten sie, wie er wohl wußte, den Elchherden bis weit in die Berge.
An diesem Abend, an der Mündung des Klondike, legte sich Daylight nach verrichteter Abendarbeit nicht nieder. Einem Weißen hätte er gesagt, daß er die »Chance« in sich spürte. Er schnallte sich die Schneeschuhe an, verließ die Hunde, die sich im Schnee verkrochen hatten, und Kama, der schwer atmend unter seinem Kaninchenfell lag, und kletterte den hohen Erdhang empor auf die weite Hochfläche. Aber dichte Tannen versperrten ihm die Aussicht, und so schritt er über die Ebene und erklomm die ersten Ausläufer der darunterliegenden Berge. Hier konnte er den Klondike, der im rechten Winkel aus Osten heranströmte, und den Yukon, der einen weiten Bogen von Süden her machte, sehen. Links, stromabwärts, gegen die Moosehide-Berge, zeigte sich der mächtige weiße Fleck, von dem sie ihren Namen hatten, klar im Sternenlicht. Leutnant Schwatka hatte ihnen den Namen gegeben, aber er, Daylight, hatte sie als erster gesehen, lange bevor der unerschrockene Forscher nach Überschreitung des Chilkoots auf einem Floß den Yukon hinabgefahren war.
Aber den Bergen schenkte er jetzt weniger Aufmerksamkeit als der weiten Ebene selbst, an deren Seiten das Wasser tief genug war, daß Dampfer dort anlegen konnten.
»Wie geschaffen für eine Stadt«, murmelte er. »Platz für ein Lager von vierzigtausend Mann. Man muß nur Gold finden.« Er dachte einen Augenblick nach. »Zehn Dollar die Pfanne genügen, um Scharen herbeizulocken, wie Alaska sie noch nie gesehen hat. Und wenn's nicht hier ist, dann bestimmt irgendwo hier herum. Die Idee ist sicher gut. Man muß die Baugelände den ganzen Weg herauf im Auge behalten.« Er stand noch eine Weile, sah über die einsame Fläche hinüber und malte sich aus, wie es hier aussehen würde, wenn der große Zustrom käme. Vor seinem Geiste entstanden die Sägemühlen, die Kaufhäuser, Wirtschaften und Tanzsäle und die langen Straßen der Goldgräbersiedlung. Und durch diese Straße wogte der Verkehr, Tausende von Männern, während vor den Geschäften die schwerbeladenen Schlitten mit langen Reihen von Hunden standen. Er sah sie die Hauptstraße fahren und den zugefrorenen Klondike bis zu seinen Goldfeldern hinaufsteuern.
Daylight lachte und schüttelte die Erscheinung von sich ab, dann stieg er zur Ebene hinunter und nach dem Lager. Fünf Minuten später hatte er sich in seinen Schlafsack gewickelt. Aber er öffnete die Augen und setzte sich auf, erstaunt, daß er nicht einschlafen konnte. Er betrachtete den schlummernden Indianer neben sich, die Glut des halb erloschenen Feuers, die fünf Hunde, die mit der buschigen Rute über der Schnauze dalagen, und die vier Schneeschuhe, die aufrecht im Schnee steckten.
»Die verdammte Chance läßt mir keine Ruhe«, murmelte er. Seine Gedanken kehrten zum Pokerspiel zurück. »Vier Könige!« Er grinste bei der Erinnerung. »Das war eine Chance!«
Er legte sich nieder, zog den Schlafsack um Nacken und Ohrenklappen zusammen, schloß die Augen, und diesmal schlief er ein.
Fünftes Kapitel
In Sixty Mile ergänzten sie ihren Proviant, vermehrten ihre Last um einige Pfund Briefe und fuhren dann wieder unverdrossen drauflos. Von Forty Mile an war der Weg ungebahnt gewesen, und bis Dyea sollte es nun so weiter gehen. Daylight war in glänzender Verfassung, auf Kama dagegen blieb die furchtbare Fahrt nicht ohne Einfluß. Zwar schloß ihm sein Stolz den Mund, aber die Wirkung der Kälte auf seine Lungen ließ sich nicht mehr verbergen. Der angegriffene Rand der Lungenspitzen war mikroskopisch klein, aber sie begannen jetzt abzuschälen, was einen trockenen Husten verursachte. Jede außergewöhnliche Anstrengung bedeutete einen heftigen Hustenkrampf. Das Blut trieb ihm die Augen aus dem Kopf, und die Tränen rannen ihm über die Backen. Der Rauch von der Bratpfanne genügte, ihn eine halbe Stunde nach Luft keuchen zu lassen, und wenn Daylight kochte, hielt er sich daher sorgfältig auf der Windseite.
Tag für Tag, endlos kämpften sie sich vorwärts durch den weichen, ungebahnten Schnee. Es war eine harte, einförmige Arbeit ohne die Freude und Erregung, die man fühlt, wenn man über eine harte Oberfläche dahinsaust. Bald ging der eine, bald der andere auf Schneeschuhen voraus, es war unablässige harte Mühsal. Der Staubschnee mußte niedergepreßt werden, und bei jedem Schritt sank der breite Schneeschuh zwölf Zoll tief ein. Unter solchen Umständen erforderte