Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон


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was ihr haben wollt! Hier ist eure Post aus Dyea, geradeswegs von Salt Water geholt, und es ist keine Hexerei dabei! Bindet die Säcke auf und macht euch drüber her!«

      En Dutzend Händepaare machten sich an das Aufbinden der Säcke, als der junge Le Barge-Indianer, der eben damit angefangen hatte, sich plötzlich mit einer kraftlosen Bewegung aufrichtete. In seinen Augen stand eine große Überraschung. Er blickte sich verwirrt um, denn alles um ihn her war ihm fremd. Ein Gefühl ungeahnter Begrenzung durchfuhr ihn. Er zitterte wie im Fieber, die Knie versagten ihm, und er sank langsam nieder, bis er plötzlich über den Schlitten stürzte und Finsternis seine Sinne umhüllte.

      »Erschöpfung«, sagte Daylight. »Bringt ihn hinaus, und legt ihn ins Bett. Ein braver Indianer.«

      »Daylight hat recht«, bestätigte Doc Watson einen Augenblick später. »Der Mann ist vollständig fertig.«

      Die Post war ausgeladen, das Gespann eingebracht, um zu fressen, und Bettles stimmte sein Schlachtlied von der Sassafraswurzel an, während sich alle an den langen Schanktisch stellten, um zu trinken und ihre Gewinne einzuheimsen.

      Wenige Minuten später wirbelte Daylight mit der Jungfrau auf dem Tanzboden im Walzer herum. Er hatte die Parka mit Pelzmütze und Wolljacke vertauscht, die steifgefrorenen Mokassins abgestreift und tanzte auf Strümpfen. Am Nachmittag war er bis zu den Knien durchnäßt gewesen, aber er war weitergefahren, ohne sein Fußzeug zu wechseln, und nun waren seine wollenen Strümpfe bis zu den Knien mit einer Eiskruste bedeckt, die jetzt in der Wärme des Raumes aufzutauen und in kleine Stücke zu brechen begann. Beim Tanzen schlugen diese Eisstückchen gegeneinander, klirrten auf den Boden und machten ihn für die andern Tänzer unsicher. Aber jeder sah es Burning Daylight gerne nach. Er, einer der wenigen, die diesem fernen Lande seine Gesetze gegeben, die seine ethischen Führer gewesen und durch ihr Benehmen den Maßstab für Recht und Unrecht geschaffen, er stand selbst über dem Gesetz. Er war einer jener seltenen, begünstigten Sterblichen, die nichts Schlechtes tun können. Was er tat, mußte eben recht sein, weil er immer das Rechte tat, und zwar auf edlere und feinere Art als andere. Und daher war Daylight einer der ältesten Helden in diesem jungen Lande und doch zugleich einer der Jüngsten von allen, ein Ausnahmegeschöpf, einer, der über den andern stand, einer, der in erster Linie Mann und dazu ein ganzer Mann war. Kein Wunder, daß die Jungfrau sich ihm in die Arme warf, daß sie einen Tanz nach dem andern mit ihm tanzte, und daß ihr das Herz schwer wurde, weil sie sich wohl bewußt war, daß er in ihr nichts anderes sah als einen guten Freund und eine ausgezeichnete Tänzerin. Das Bewußtsein, daß er nie eine andere Frau geliebt hatte, war ihr nur ein schwacher Trost. Sie war krank aus Liebe zu ihm, und er tanzte mit ihr, wie er mit jeder andern, ja mit einem Manne getanzt hätte, der ein guter Tänzer war und sich ein Taschentuch um den Arm gebunden hatte, zum Zeichen, daß er als Frau galt.

      Einmal tanzte Daylight an diesem Abend mit einem Kameraden. Zwischen Hinterwäldlern war es stets ein Zeichen von Ausdauer gewesen, einen andern so lange herumzuwirbeln, bis er umfiel, und als Ben Davis, der Pharao-Bankhalter, ein buntes Taschentuch um den Arm, Daylight zu einem Virginia Reel aufforderte, ging der Spaß los. Der Tanz wurde abgebrochen, und alle Anwesenden stellten sich an den Wänden auf, um zuzusehen. Immer herum wirbelten die beiden Männer, immer in derselben Richtung. Die Leute im großen Schankraum hörten davon und verließen die Spieltische. Jeder wollte sehen, und sie drängten sich am Eingang des Tanzsaals zusammen. Die Musiker spielten wie besessen, und die beiden Männer wirbelten herum. Davis kannte den Trick, und manchen starken Mann hatte er schon am Yukon damit geworfen. Aber schon nach wenigen Minuten war es klar, daß er und nicht Daylight verlieren mußte.

      Eine Weile wirbelten sie noch herum, aber auf einmal blieb Daylight stehen, ließ seinen Partner los und trat zurück, indem er mit den Armen in der Luft herumfocht, um Halt zu finden. Davis lächelte schwindlig und benommen, taumelte seitwärts, drehte sich, um festen Fuß zu gewinnen, und stürzte vornüber zu Boden. Daylight aber ergriff, noch schwankend mit den Armen fechtend, das nächste Mädchen und stürzte sich mit ihr in einen Walzer. Wieder hatte er etwas Großes vollbracht. Von zweitausend Meilen über das Eis und einer Fahrt von siebzig Meilen täglich ermattet, hatte er einen frischen Mann zu Boden getanzt, und der Mann war Ben Davis.

      Daylight liebte die Höhen, und gab es in seinem Gesichtskreis auch nur wenige Höhen, so hatte er sich doch vorgenommen, die höchste zu erklimmen, die zu finden war. Die Welt draußen hatte nie seinen Namen gehört, aber in dem schweigenden Norden war er weit und breit bekannt, bei Weißen, Indianern und Eskimos, von der Beringsee bis zu den Pässen, von den Quellen der entlegensten Flüsse bis zu den Tundren von Point Barrow. Der Wunsch zu herrschen war stark in ihm, und es war ihm gleich, ob er mit den Elementen selbst, mit Männern oder mit dem Glück ein hohes Spiel spielte. Das Leben und alles, was dazu gehörte, war ein einziges großes Spiel. Und er war Spieler vom Scheitel bis zur Sohle. Risiko und Chancen waren für ihn Essen und Trinken. Zwar spielte er nicht ins Blaue hinein, denn er gebrauchte Witz, Geschicklichkeit und Stärke, aber hinter alledem stand das ewige Glück, dieses Etwas, das sich zuzeiten gegen seine Anbeter wandte, die Klugen vernichtete und die Toren segnete, – das Glück, das alle Menschen suchten und zu besiegen träumten. Auch er. Tief in seinen Lebensfunktionen sang das Leben selbst sein Sirenenlied von der eigenen Hoheit, immer hörte er ein Flüstern und Drängen, das ihn überredete, er könne mehr als andere Menschen, er könne gewinnen, wo sie verloren, siegen, wo sie untergingen. Es war der gesunde, starke Sporn des Lebens, der nicht Schwäche und Verfall kennt, der sich am eigenen Wohlbefinden berauscht, sich an sich selber begeistert, an seinem eigenen mächtigen Optimismus entzückt. Und immer, im schwächsten Flüstern wie im hellsten Trompetenton, hörte er die Botschaft, daß er einmal irgendwo und irgendwie das Glück besiegen, sich selbst zum Herrn darüber machen und ihm sein Brandzeichen aufdrücken würde. Spielte er Poker, so flüsterte es von vier Assen und »flush royal«. Suchte er Gold, so wisperte es von Gold unter Graswurzeln, Gold in Flußbetten, von Gold überall. Bei den größten Wagnissen, auf Schlittenreisen, Flußreisen und Hungerlagern, erklang die Botschaft, daß andere Männer sterben müßten, wo er selbst triumphierte. Es war die alte, alte Lüge des Lebens – des Lebens, das sich selbst narrte, sich selbst für unsterblich und unvergänglich hielt und glaubte, nach Herzenswunsch über alle andern siegen zu können.

      Und so kehrte Daylight das Unterste zu oberst, walzte sich frei vom Schwindel und stürmte als erster die Bar. Aber nun ertönte energischer Protest von allen Seiten. Seine Theorie, daß der Gewinner bezahlen müßte, wurde nicht länger geduldet. Es verstieß gegen jeden guten Ton, und obgleich es das Gefühl guter Kameradschaft betonte, mußte es nun gerade im Namen der Kameradschaft aufhören. Gerechterweise mußte Ben Davis ausgeben. Ferner sollten alle Getränke und Runden, zu denen Daylight eingeladen hatte, zu Lasten des Etablissements gehen, denn Daylight war jedesmal, wenn er losgelassen war, eine Attraktion für die Gäste. Bettles hatte das Wort, und seine Gründe, die in einer bündigen, wenn auch nicht gerade eleganten Sprache vorgebracht wurden, fanden starken Beifall.

      Daylight grinste, trat an den Roulettetisch und kaufte einen Haufen gelber Chips. Nach Verlauf von zehn Minuten stand er an der Wage, und für zweitausend Dollar Goldstaub wanderten in seinen und einen Extrabeutel. Das Glück, wenn auch nur das Glück eines Augenblicks, war sein. Sein Selbstgefühl wuchs immer mehr. Er lebte, und die Nacht gehörte ihm. Er wandte sich zu seinen wohlmeinenden Kritikern.

      »Nun muß aber der Gewinner bezahlen«, sagte er.

      Und sie gaben nach. Es war unmöglich, Daylight zu widerstehen, wenn er auf dem Rücken des Lebens herumsprang und es mit Sporen und Zügel ritt.

      Um ein Uhr nachts sah Daylight, wie Elijah Davis den Henry Finn und Joe Hines, den Holzfäller, zur Tür trieb. Er legte sich dazwischen.

      »Wo wollt ihr hin, Leute?« fragte er und versuchte sie zum Schanktisch zu ziehen.

      »Zu Bett«, antwortete Elijah Davis.

      Er war ein magerer, tabakrauchender Neuengländer, der den Ruf aus dem Westen gehört hatte und ihm über die Weiden und Wälder des Mount Desert gefolgt war.

      »Laß uns nur gehen«, fügte Joe Hines entschuldigend hinzu. »Wir müssen morgen früh fort.«

      Aber Daylight hielt sie zurück.

      »Wohin?


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