Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон


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und er hatte in ihren Augen ein Ansehen gewonnen, als man ihn gleich anfangs ins Haus nahm. Wenn er auch ein Wolf und es ungewöhnlich war, daß man ihn um sich duldete, so mußten Hunde sich dem Willen ihrer Herren unterwerfen. Dick tat anfangs notwendigerweise etwas steif, nachdem er Wolfsblut ruhig als neues Mitglied des Haushalts hingenommen hatte, allein er würde bald mit ihm Freundschaft geschlossen haben, wäre es nach seinem Willen gegangen. Doch Wolfsblut liebte keine Freundschaften. Was er von andern Hunden verlangte, war, daß man ihn in Ruhe ließe. Sein Lebtag hatte er sich von ihnen ferngehalten, und das wünschte er auch weiter zu tun. Dicks freundliches Entgegenkommen war ihm unangenehm, und er knurrte so lange, bis jener wegging. Im Norden hatte er gelernt, er müsse des Herrn Hunde in Ruhe lassen, und er hatte das nicht vergessen. Aber er bestand darauf, daß man auch ihn in Ruhe ließe, und übersah Dick so vollständig, daß der gutmütige Jagdhund ihn aufgab und an ihm ebensowenig Interesse zeigte, wie an dem Pfahl neben der Stalltür.

      Anders verhielt es sich mit Collie. Wenn sie seine Gegenwart auch duldete, weil ihre Herren es so haben wollten, so war das noch kein Grund, warum sie ihn in Ruhe lassen sollte. Ihrem Wesen war die Erinnerung an zahllose Verbrechen, die sein Geschlecht gegen ihre Vorfahren begangen hatte, so eingewachsen, daß sie nicht an einem Tage, ja, ihr Leben lang nicht, die beraubten Schafhürden vergessen konnte. Dies war ein Sporn, der sie zur Rache antrieb. Gegen ihre Herren, die Wolfsblut duldeten, durfte sie sich nicht widersetzen, aber das hinderte sie nicht daran, ihm das Leben sauer zu machen. Es bestand zwischen ihr und ihm eine vielhundertjährige Fehde, und sie wenigstens wollte dafür sorgen, daß er dessen eingedenk bliebe. Also trumpfte sie auf ihr Geschlecht, um ihn zu quälen und zu verfolgen. Sein Instinkt erlaubte ihm nicht, sie anzurühren, und doch konnte er ihre beharrliche Verfolgung nicht übersehen. Wenn sie auf ihn losstürzte, so kehrte er ihren scharfen Zähnen die dickbepelzte Schulter hin und schritt steifbeinig und würdevoll davon. Setzte sie ihm zu sehr zu, so ging er im Kreise um sie herum, Gesicht und Schulter immer ihr zugewendet, wobei ein geduldiger, fast gelangweilter Ausdruck in seine Augen kam. Manchmal auch beschleunigte ein Biß von ihr in eines seiner Hinterbeine seinen Rückzug, der dann durchaus nicht würdevoll aussah, in der Regel aber bewahrte er seine fast feierliche Würde. Am liebsten nahm er keine Notiz von ihr und ging ihr aus dem Wege. Hörte oder sah er sie kommen, so stand er auf und ging fort.

      Allein es gab noch so viel anderes für Wolfsblut zu lernen. Das Leben im Nordland war einfach zu nennen gewesen, mit den verwickelten Regeln und Gesetzen in Sierra Vista verglichen. Zuerst hatte er die Familie des Herrn kennen zu lernen. Allerdings hatte er schon Ähnliches gekannt, und wie Mitsah und Klukutsch zum Grauen Biber gehört, seine Mahlzeiten, sein Feuer und sein Bett geteilt hatten, ebenso gehörten jetzt die Bewohner von Sierra Vista zu dem Herrn. Aber hier gab es doch Unterschiede. Sierra Vista war weit größer als das Zelt des Grauen Biber. Viele Personen waren zu berücksichtigen. Zuerst Richter Scott und seine Frau, dann Betty und Mary, die beiden Schwestern des Herrn, dann Alice, seine Frau, und Weedon und Maud, seine Kinder, kleine Dinger von vier und sechs Jahren. Niemand konnte ihm erklären, in welchem Verwandtschaftsgrade sie zu dem Herrn ständen, außerdem, was wußte er von Bluts- oder anderer Verwandtschaft? Doch begriff er bald, daß sie zu ihm gehörten. Auch lernte er nach und nach, wenn die Gelegenheit sich darbot, durch Beobachtung und Gebärden, Reden und den Ton der Stimme, in welch verschiedenem Grade die Personen dem Herrn wert und teuer wären, und behandelte sie danach. Was dem Herrn lieb war, war es auch ihm, und er wachte darüber sorgsam.

      So war es mit den beiden Kindern. Sein Lebtag hatte er Kinder nicht gemocht. Er haßte und fürchtete ihre kleinen Hände. Es waren nicht zarte Lektionen gewesen, die er von ihrer Tyrannei und Grausamkeit in den Tagen erhalten hatte, als er in den Indianerdörfern gelebt hatte. Als der kleine Weedon und die kleine Maud sich ihm zuerst näherten, hatte er warnend gegrollt und sie böse angesehen. Doch ein Knuff des Herrn und ein scharfes Wort hatten ihn bewogen, ihre Liebkosungen zu gestatten, aber er grollte unter den winzigen Händchen immer weiter, und es war kein kosender Ton in dem Grollen. Später bemerkte er, daß die Kinder dem Herrn sehr teuer wären, und dann war kein Knuff und kein scharfes Wort mehr nötig, damit sie ihn streicheln durften. Allerdings zeigte sich Wolfsblut nie überschwänglich liebevoll. Er begrüßte die Kinder des Herrn nicht gerade freundlich, aber er war auch nicht tückisch und nahm ihre Neckereien hin, wie man eine schmerzhafte Operation über sich ergehen läßt. Konnte er es nicht länger ertragen, so pflegte er aufzustehen und festen Schrittes wegzugehen. Aber nach einiger Zeit fing er an, die Kinder gern zu haben, allerdings nicht in auffälliger Weise. Er ging ihnen nicht entgegen, aber er ging auch nicht fort, wenn er sie kommen sah, sondern wartete auf sie. Noch später bemerkte man, daß ein freundlicher Glanz in seine Augen kam, wenn er sie erblickte, und daß er ihnen mit einer Art von sonderbarem Bedauern nachschaute, wenn sie ihn um eines andern Zeitvertreibs willen verließen.

      Dies alles kam jedoch erst ganz allmählich. Nächst den Kindern stand Richter Scott am höchsten in seiner Gunst. Möglicherweise gab es dafür zwei Gründe: erstens weil der Herr ihn augenscheinlich sehr hoch schätzte, und zweitens weil er sich ihm nicht aufdrängte. Auf der breiten Veranda lag Wolfsblut ihm gern zu Füßen, wenn jener die Zeitung las und ihn von Zeit zu Zeit mit einem Wort oder Blick bedachte, zum Zeichen, daß er sich seiner Gegenwart erinnerte. Aber dies geschah nur, wenn der Herr nicht da war; erschien dieser, so war für Wolfsblut niemand anderes da. Er erlaubte den Mitgliedern der Familie wohl, daß sie ihn streichelten und verwöhnten, aber nie zeigte er sich ihnen gegenüber wie gegen den Herrn. Keine Liebkosung der andern konnte seiner Kehle den kosenden Ton entlocken, und keiner konnte ihn dazu bewegen, den Kopf zu verstecken. Diesen Ausdruck völliger Hingebung, völligen Vertrauens hatte er nur für den Gebieter übrig, und die Mitglieder der Familie erblickte er nur in dem Lichte, daß sie zu ihm gehörten.

      Bald lernte Wolfsblut einen Unterschied zwischen der Familie und den Dienstboten machen. Diese fürchteten sich vor ihm, und er ließ sie in Ruhe, weil sie ebenfalls zum Herrn gehörten. Aber es war nur ein Zustand der Neutralität zwischen ihnen – nichts weiter. Sie kochten, sie wuschen für den Herrn und taten andere Dinge für ihn, so wie es Matt in Klondike getan hatte, kurz, sie gehörten zum Hause.

      Doch außerhalb des Hauses gab es viel für ihn zu lernen. Das Besitztum des Herrn war groß, aber es hatte seine Grenzen, denn es hörte an der Straße auf. Darüber hinaus gab es noch Straßen und Wege, die gemeinsames Eigentum aller waren, und hinter Hecken und Zäunen lagen die Besitzungen anderer Leute. Zahllose Gesetze, die man beachten mußte, regelten dies alles, und, da er die Sprache der Menschen nicht verstand, so konnte er nur durch Erfahrung diese Gesetze lernen. Also gehorchte er seinen Trieben, bis er gegen ein Gesetz verstieß, und war dies mehreremale geschehen, so lernte er das Gesetz beobachten.

      Das wirksamste Erziehungsmittel war ein Puff von der Hand des Gebieters oder ein tadelndes Wort aus seinem Munde. Bei der großen Liebe, die er für diesen hegte, schmerzte ihn ein Puff mehr, als die ärgsten Prügel, die ihm je der Graue Biber oder der schöne Schmitt erteilt hatte. Die hatten ihm nur körperlich wehe getan, im Herzen aber hatte er sich wütend dagegen empört. Der Puff des Herrn jedoch war stets zu leicht, um wehe zu tun, aber derselbe ging tiefer. Es war der Ausdruck des Mißfallens des Herrn und gab ihm jedesmal einen Stich ins Herz. Allerdings war der Puff nur selten nötig, da die Stimme des Herrn genügte. Aus ihrem Klange wußte Wolfsblut, ob er recht oder unrecht getan hätte, und er richtete danach sein Betragen ein. Dies war der Kompaß, nach dem er steuerte, um Sitten und Gebräuche eines neuen Lebens und Landes zu lernen.

      Im Lande des Nordens war der Hund das einzige Haustier gewesen. Alle andern Tiere hatten in der Wildnis gelebt und waren, wenn sie nicht zu groß gewesen, seine rechtmäßige Beute geworden. Sein Lebenlang hatte Wolfsblut dieselben verfolgt und verzehrt, also kam es ihm nicht in den Sinn, daß es im Süden anders sein könne. Bald jedoch sollte er dies im Tal von Santa Clara kennen lernen. Als er einst früh am Morgen um die Ecke des Hauses bog, begegnete ihm ein Hühnchen, das aus dem Hühnerhof entwischt war. Wolfsbluts Instinkt trieb ihn an, es zu verzehren. Er machte ein paar Sätze, ließ seine Zähne blitzen, und das erschreckte, schreiende Hühnchen war gepackt. Es war gut gemästet, fett und zart, und Wolfsblut leckte sich das Maul, so vortrefflich hatte es ihm geschmeckt. Später am Tage fand er abermals ein verirrtes Hühnchen nahe am Stalle. Ein Stallknecht eilte zu dessen Rettung herbei. Aber er hatte von Wolfsbluts Abstammung keine klare Idee und ergriff als Waffe eine schwache Peitsche. Wolfsblut ließ


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