Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
Читать онлайн книгу.würden, wenn sie plötzlich vor ihnen stehen würde.
Aber der Weg nach Sophienlust war weiter, als Ingrid geglaubt hatte. Auch meinte es die Sonne an diesem Tag besonders gut. Der anstrengende Nachtdienst der letzten Woche hatte Ingrid ebenfalls stark mitgenommen. Auf einmal fühlte sie sich gar nicht wohl. Ihr wurde schwindelig, so daß sie leicht taumelte.
Ingrid blickte auf die andere Straßenseite, wo eine Baumgruppe stand. Dort würde es kühler sein, dachte sie und wollte schnell über die Straße laufen. Dabei achtete sie nicht auf den Wagen, der in ziemlich schnellem Tempo auf sie zukam. Obwohl der Fahrer hart auf die Bremse trat, streifte er sie noch.
Ingrid taumelte und schlug hin. Doch sie richtete sich gleich darauf, wenn auch etwas benommen wieder auf und erblickte einen hochgewachsenen Mann, der auf sie zueilte.
»Mein Gott, wie konnte das nur geschehen«, murmelte er, weiß bis in die Lippen. »Ist Ihnen etwas passiert?«
»Ich glaube nicht.« Ingrid stand mit seiner Hilfe auf. Jetzt erst spürte sie das Brennen an den Knien. Auch ihr rechter Ellbogen schmerzte bei jeder Bewegung.
»Können Sie gehen?« fragte der Herr besorgt.
»Aber ja. Ich glaube, ich habe nur einige Hautabschürfungen abbekommen. Ja, und mein Ellbogen tut ein bißchen weh. Machen Sie sich keine Sorgen deshalb. Es war meine Schuld. Ich habe weder nach rechts noch nach links geschaut, als ich die Straße überquerte. Seien wir froh, daß nicht mehr geschehen ist.«
»Das bin ich auf alle Fälle. Darf ich Sie mitnehmen?« fragte er und hob ihre Handtasche auf.
»Ich möchte nach Sophienlust, um dort meine Kinder zu besuchen.« Ingrid strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und sah verlegen in seine Augen, die sich besorgt auf sie richteten.
»Nach Sophienlust? So ein Zufall! Ich fahre ebenfalls dorthin. Mein Sohn ist dort. Mein Name ist Heidenreich«, stellte er sich vor.
»Peters Vater?« fragte sie überrascht.
»Ja, das stimmt. Kennen Sie meinen Sohn?«
»Und ob. Meine Kinder und er sind unzertrennlich.«
»Dann können Sie nur Frau Laurens sein, Schwester Ingrid?«
»Ja, die bin ich«, entgegnete sie und blickte lächelnd in die grauen Männeraugen. »Was für ein lustiger Zufall«, bemerkte sie nun ihrerseits.
»Ich werde mir in Sophienlust sogleich Ihre Abschürfungen genauer anschauen. Bitte, steigen Sie ein.«
Das ließ sich Ingrid nicht zweimal sagen. Zwar brannten ihre Knie noch immer wie Feuer, und ihr rechter Arm tat auch noch sehr weh, trotzdem fühlte sie sich jetzt bedeutend wohler als vor dem kleinen Unfall. »Peter ist ein lieber Junge«, sagte sie.
»Ja, das ist er. Nur hat er den Tod seiner Mutter noch immer nicht ganz überwunden. Das ist auch ein Grund weshalb ich ihn nach Sophienlust gebracht habe. Frau von Schoenecker lernte ich durch einen Freund kennen. Sie meinte, daß Peter in der Gesellschaft anderer Kinder eher mit seinem Kummer fertig werden würde, und hatte recht. Peter lacht jetzt wieder und scheint das Schlimmste überwunden zu haben. Er hat mir viel von Ihnen erzählt, Frau Laurens. Auch, daß Sie mit ihm und Ihren Kindern auf dem Friedhof waren, um das Grab meiner Frau zu besuchen.«
»Er hat mir auch Ihr Haus gezeigt.«
»Ich weiß. Der Junge war ganz traurig, weil damals niemand da war. Ich hatte lange Jahre eine ausgezeichnete Haushälterin. Leider wird die Gute nicht mehr zurückkommen. Sie hat eine schwere Operation hinter sich und wird nicht mehr arbeiten können. Darum verbringe ich die meiste Zeit im Krankenhaus. Allerdings habe ich nun vor, eine Praxis zu eröffnen. Ich bin auf der Suche nach einer Frau, die meinen Haushalt führt. Dann kann ich Peter wieder zu mir nehmen.«
»Das ist schön für den Jungen. Er hängt sehr an Ihnen.« Lächelnd sah Ingrid Peters Vater an und stellte fest, daß er ein äußerst sympathischer und auffallend gutaussehender Mann war. Sein dichtes dunkelblondes Haar war schon mit Silberfäden durchzogen. Auch
die Schläfenhaare schimmerten silbern. Der schwermütige Ausdruck in seinen Augen verlieh ihm eine interessante Note. Ingrid konnte sich gut vorstellen, daß er viel Erfolg bei Frauen hatte. Sie schätzte ihn auf Ende der Dreißig.
»Haben Sie große Schmerzen?« fragte Dr. Heidenreich, als sie in die Straße einbogen, die nach Sophienlust führte.
»Ein bißchen« gab sie zu.
»Das tut mir leid. Ich hätte besser reagieren müssen«, klagte er sich an.
»Es war ganz allein meine Schuld Ich hatte Nachtdienst und bin dem entsprechend müde.«
»Da vorn ist schon das Herrenhaus«, stellte er aufatmend fest. »Dann kann ich Sie sogleich verarzten.«
Peter wartete voller Ungeduld auf seinen Vater. Kuni und Mathias saßen mit ihm zusammen auf der untersten Stufe der Freitreppe und sprangen voller Freude auf, als der Wagen von Dr. Dieter Heidenreich in den Gutshof einfuhr.
Sprachlos erkannten die Geschwister ihre Mutti. Dann stürzten sie ihr mit einem Jubelruf entgegen. Ingrid verzog schmerzlich den Mund, als die beiden gleichzeitig versuchten, sie zu umarmen.
»Seid vorsichtig, eure Mutti hat sich verletzt«, rief Dieter Heidenreich.
»Was hast du denn?« fragte Kuni voller Mitleid. »Wo hast du dir denn weh getan?«
»Fast hätte ich sie überfahren. Aber es ist noch gutgegangen«, erläuterte der Arzt. Das trug ihm einen vorwurfsvollen Blick von seinem Sohn ein.
»Vati, warum hast du denn nicht aufgepaßt?« Peter lief zu Ingrid und griff wie beschützend nach ihrer Hand. »Wenn der Mutti von Kuni und Mathias etwas zugestoßen wäre, wäre ich sehr böse auf dich gewesen.«
Gerührt blickte Ingrid auf den blonden Scheitel des Kindes hinunter. »Peter, dein Vater hat keine Schuld. Ich bin, ohne mich umzusehen, über die Straße gelaufen. Wäre dein Vater kein so guter Autofahrer, hätte es schlimm für uns beide ausgehen können. Aber er hat so gut reagiert, daß wir beide heil davongekommen sind.«
Peter blickte zuerst sie und dann seinen Vater an. »Na ja, vielleicht ist es so«, gab er mit einem unsicheren Lächeln zu.
Frau Rennert kam aus dem Haus und begrüßte die Gäste. Auf die Frage des Arztes nach einem Raum, in dem er Ingrids Hautabschürfungen und Prellungen behandeln könne, führte sie die beiden in die kleine Krankenstation.
»Ich glaube, wir haben alles da, was man für den Notfall benötigt«, sagte die Heimleiterin nicht ohne Stolz.
»Fantastisch!« rief Dr. Heidenreich. Dann bat er Ingrid, sich auf den Behandlungstisch zu legen.
Als er die Abschürfungen an ihren Knien reinigte, danach mit einer heilenden Salbe bestrich und verband, fielen ihr seine schönen Hände auf. Unwillkürlich dachte sie an Guidos Hände. Diese waren kurz und hatten dicke Finger. Jäh wurde ihr bewußt daß sie manchmal gedacht hatte, daß Menschen mit solchen Händen keinen sehr guten Charakter haben konnten. Allerdings hatte sie diesen Gedanken jedesmal wieder verworfen. Nun aber beherrschte er sie plötzlich so sehr, daß sie sich zwingen mußte, nicht mehr daran zu denken.
»So, und nun zeigen Sie mir Ihren verletzten Arm.«
Ingrid fuhr aus ihrem Grübeln hoch und schob den Ärmel des Pullovers hoch. Dabei stellte sie fest, daß er ein Loch bekommen hatte.
Dieter Heidenreich untersuchte den Ellbogen gründlich, stellte einige Fragen und atmete dann auf: »Es ist nichts gebrochen«, erklärte er schließlich.
Die Kinder hatten vor der Tür des Behandlungszimmers auf die beiden gewartet. Ingrid lächelte die drei beruhigend an. »Alles in Ordnung«, sagte sie fröhlich.
»Glücklicherweise«, brummte Dieter. Dabei blinzelte er seinen Sohn an.
Ingrid und Dieter verbrachten einen fröhlichen Tag mit den Kindern von Sophienlust. Natürlich brachte der Arzt die junge Frau am Abend nach