Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Dienst, den die Armee und das Land heute festlich begehen, bildet auch für den Historiker einen wichtigen Moment. Denn damit begann die militärische Bildung, welche so recht das innre Wesen Ew. Majestät bestimmt und mit der Zeit die glänzenden Erfolge, deren wir uns heute erfreuen, hervorgerufen hat. Noch als Prinz von Preußen haben Ew. Majestät dem hochseligen König Friedrich Wilhelm IV. zur Seite die militärischen Angelegenheiten zu Ihrem vornehmsten Augenmerk gemacht. Selbst zur höchsten Gewalt gelangt, haben Ew. Majestät die Reorganisation der Armee unter den mannigfaltigsten Schwierigkeiten durchgeführt. Die Einrichtungen, welche unter der Regierung Friedrich Wilhelms III., des unvergeßlichen Vaters Ew. Majestät, begründet worden waren, sind dadurch erst zu vollem Leben gediehen; Ew. Majestät haben den Geist derselben gepflegt und in voller Energie und unabhängiger Wirksamkeit erhalten.

      Als es nicht mehr zu vermeiden stand, haben Ew. Majestät den Befehl zu einem Kampfe gegeben, der für die Bedeutung und Weltstellung der Monarchie entscheidend werden mußte. Da hat sich die Organisation über alle Erwartung glänzend bewährt. Ew. Majestät haben persönlich die Armee zu Siegen und Erfolgen geführt, welche sich den größten beigesellen, die jemals errungen worden sind. So ist Ew. Majestät militärische Bildung ein historisches Moment geworden und verknüpft sich aufs engste mit dem Geschicke des preußischen Staats und selbst jedes einzelnen. Denn allerdings bedrohte die feindliche Aufstellung das eigenste Selbst des Staats; nicht allein seine Macht, sondern auch das Prinzip der religiösen Unabhängigkeit und geistigen Durchbildung, auf welchem derselbe beruht. Ohne den Schutz Ew. Majestät und Ihrer von Gott gesegneten Waffen würden auch wir Gelehrten unsere Bücher nicht schreiben können; man würde sie nicht lesen wollen, in dem Publikum würden andre Gesinnungen herrschend werden.

      An meiner Arbeit über die englische Geschichte haben, wie der hochselige König, Allerhöchstdero verewigter Bruder, so auch Ew. Majestät selbst gnädigen Anteil genommen. Ich lege hier den sechsten Band derselben Ew. Majestät zu Füßen und verbinde damit den tiefsten Dank für die mannigfaltige Gnade, mit der mich Ew. Majestät ausgezeichnet haben, vor allem aber meinen alleruntertänigsten und wärmsten Glückwunsch, wie zu der wirkungsreichen und glorreichen Vergangenheit, der nahen wie der fernen, so zu der Zukunft, die eine entsprechende und ebenbürtige Fortsetzung derselben sein möge.

      In tiefster Devotion Ew. Majestät alleruntertänigster und treugehorsamster

       L. v. Ranke.

      57. Der Krieg gegen Frankreich 1870

       Inhaltsverzeichnis

      Rede in der Versammlung der Historischen Kommission am 1. Oktober 1870. Werke Bd. 51 u. 52 S. 560-564.

      Man glaubte in Frankreich noch immer Deutschland vor sich zu haben, wie es die revolutionären Heere und der erste Kaiser vor sich hatten. Da war es nun ein entscheidendes Ereignis, daß der junge König, unter dessen Auspizien wir uns hier versammeln, ohne zu zögern den Moment für gekommen erklärte, für welchen sein Bund mit Preußen geschlossen sei. In Norddeutschland war man auf dem Lande bei aller Hingebung doch nicht ohne Sorge, als der Krieg erklärt wurde; alle Besorgnis schwand, als man vernahm, daß König Ludwig von Bayern den Casus foederis anerkannt habe.

      Ich will nicht sagen, daß der Krieg nicht hätte geführt werden können, wenn Süddeutschland neutral geblieben wäre; aber er hätte niemals jenen nationaldeutschen Charakter angenommen und unendlich größere Schwierigkeiten dargeboten. Erst als die süddeutschen Waffen sich den preußischen zugesellten, wurde die deutsche Idee verwirklicht. Der Feldzugsplan der Franzosen wurde auf eine für sie unerwartete Weise durchkreuzt; sie mußten erleben, daß Deutschland ohne die Hilfe andrer europäischer Mächte, ja selbst ohne Teilnahme von Österreich, – das gewiß nicht wegen der Gesinnung der Bevölkerung, die für uns vielmehr nur die lebendigste Sympathie verriet, aber durch seine anderweite politische Beziehung veranlaßt eine neutrale Stellung annahm, – ihnen vollkommen gewachsen war. Die stärkere Vermehrung der germanischen Rasse gegenüber der romanischen hatte die früheren Unterschiede ausgeglichen. Alles aber bekam nun Leben durch die militärische Organisation, an welcher der preußische Staat fast in Voraussicht eines ähnlichen Falles in den letzten fünfzig Jahren fortwährend gearbeitet hatte, und der sich das übrige Deutschland anschloß.

      Wo Waffen und Idee einen Bund schließen, sind sie immer unwiderstehlich gewesen; hier waren es die preußisch-deutschen Waffen und die deutsche Idee. Die Gleichartigen bildeten nun eine Waffengenossenschaft, die von vornherein, sowie sie mit dem Feinde zusammenstieß, der gegenüberstehenden ebenbürtig erschien und sich ihr im Laufe des Kampfes überlegen erwiesen hat. An allen großen Schlachttagen haben preußische, norddeutsche, süddeutsche Truppen zusammengewirkt: bei Weißenburg die Schlesier, Posener, Thüringer, Franken, Pfälzer; bei Wörth traten Württemberger und Badener hinzu. Bei Saarbrücken-Forbach Westfalen, Hannoveraner, brandenburgische und niederrheinische Regimenter. Bei Metz am 14. August Ostpreußen, Westpreußen und Westfalen; am 16. Brandenburger, Hannoveraner, Braunschweiger, Oldenburger, Schleswig-Holsteiner, Hessen-Darmstädter; am 18. außer diesen Sachsen, Pommern, das Gardekorps; am 31. August Ostpreußen, Mecklenburger, Hanseaten. Vor Sedan Sachsen aus dem Königreich und aus der Provinz, das vierte, das Gardekorps, das zwölfte Armeekorps; Altbayern, die großen Eifer bewiesen.

      Wir sind alle erstaunt über die glänzende Siegeslaufbahn, welche im Laufe eines Monats durchmessen worden ist, voll Bewunderung über das Zusammenwirken der verschiedensten Kräfte nach einem vorausgefaßten und doch jeden Wechsel der Verhältnisse berücksichtigenden Plan, die Umsicht im großen, die unvergleichliche Tapferkeit im einzelnen. Ich will kein Wort weiter darüber sagen; der allgemeine Eindruck ist, daß damit zugleich einer der Wendepunkte der Weltentwicklung und politischen Gestaltung eingetreten ist, welche die Epochen scheiden. Wir sehen der neuen mit Hoffnung und Freude entgegen, obgleich alte Männer, wie mehrere von uns, sie nicht erleben werden. Doch ist es nicht unsres Amtes, in die Zukunft zu blicken oder Ratschläge für die Gegenwart zu geben, selbst nicht Ansprüche zu formulieren; wir bemerken nur, daß, indem sich eine neue Zukunft zu eröffnen scheint, unsre Vergangenheit Licht und neue Momente für ihre Würdigung empfängt.

      Eine andre Erinnrung, noch stärker durch die Tendenz eines nationalen Momentes, bilden die Verhältnisse des westlichen und östlichen Reichs. Die Teilungen des karolingischen Reichs, aus dem das ostfränkische, nachmals deutsche, und das westfränkische, nachmals französische, hervorgegangen, bekommen eine über die bloß territoriale Auseinandersetzung und die fürstlichen Erbansprüche hinausreichende Beziehung. Etwa vor tausend Jahren, im Sommer 870, fand die Zusammenkunft an dem Vorsprung der Maas zu Mersen zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen statt, in welcher über die Begrenzung ein Beschluß gefaßt wurde, der an die soeben vorliegende Frage unmittelbar anknüpft. Der Moselgau an beiden Ufern dieses Flusses, welcher Metz und Diedenhofen begriff, wurde zu dem östlichen Reiche geschlagen, und Straßburg mit seiner kirchlichen Metropole Mainz wieder vereinigt.


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