Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Ein solches war jene Erhebung der Radikalen,448 durch welche die Nationalversammlung, in ihrer Existenz bedroht, genötigt wurde sich den Mächten, deren Truppen sie ihre Rettung verdankte, anzuschließen. Die größte Rückwirkung auf die Versammlung entsprang aus der Ermannung dieser beiden Mächte selbst und ihrer siegreichen Haltung gegenüber den destruktiven Tendenzen, welche sie bisher zersetzt hatten.

      Da war es nun von doppelter Bedeutung, daß eine verwandte Ansicht in Preußen sich Bahn brach, und zwar wie im Staate so auch bei König Friedrich Wilhelm IV. An sich durch die Erinnerungen an den letzten großen Krieg und durch den gemeinschaftlichen Gegensatz gegen die Revolution an Österreich gefesselt, gab doch der König der Überzeugung Raum, daß eine Regeneration von Deutschland, wie auch er sie billigte, in Verbindung mit Österreich unmöglich sein würde. Bei aller Rücksicht, mit der die Zirkularnote abgefaßt war, enthält sie doch eine Abwendung von der österreichischen Idee zu der deutschen. Wenn nun dergestalt Berlin und Frankfurt sich in einem und demselben Gedanken begegneten, so waren sie doch darum bei weitem nicht einverstanden. Der König wollte vor allem das Recht des Fürstentums, als dessen Sachwalter er sich ansah, und sein eignes anerkannt wissen, die Versammlung in Frankfurt dagegen die Verfassung zustande bringen, mit der sie schon so lange beschäftigt war. Deren Konsequenzen schlossen Österreich aus. Von geistvollen mitbeteiligten Männern ist zwar bedauert worden, daß man nicht auch ferner solche Beschlüsse faßte, denen Österreich beitreten konnte, aber das lag außerhalb der Folgerichtigkeit der Tatsachen.

      Aufs neue wurde dergestalt dem preußischen Staate die Frage vorgelegt, inwiefern er nunmehr die Verbindung mit den deutschen Reformideen, wie sie sich im Parlament manifestierten, eingehen wolle oder nicht. Eine neue große Aussicht wurde ihm geboten, eben die, eine dominierende Stellung in Deutschland zu erlangen. Und mußte nicht auch dem Könige daran liegen, den Verwirrungen ein Ende zu machen, die Macht in die Hand zu nehmen? Ein starkes politisches Interesse sprach dafür, über die anstößigen Einzelheiten hätte sich später hinwegkommen lassen; die Überzeugung der meisten war, daß es dazu nur eines festen Willens bedürfe. An und für sich wäre nun auch König Friedrich Wilhelm IV. fähig und selbst geneigt gewesen, die höchste deutsche Würde anzunehmen. Es entsprach einem tiefen und berechtigten Ehrgeiz seines Herzens. Aus allem, was er dagegen sagt, leuchtet doch dieser Zug hervor: die Krone der Salier und Hohenstaufen an die Hohenzollern zu bringen, wäre ihm als der Gipfel persönlichen und dynastischen Glücks erschienen. In seiner Seele teilte er alle die Gefühle für Herstellung der deutschen Einheit, welche seine Zeitgenossen seit dem Jahre 1806 erfüllten. Aber auf der andern Seite zeigten sich doch die gewichtigsten Gegengründe. Einmal konnte sich der König des Gedankens nicht erwehren, der aus seiner historischen Anschauung entsprang, daß dem Hause Österreich die erste Stelle in Deutschland gebühre. Nicht als ob es nicht Fälle hätte geben können, in denen er die obere Leitung übernommen hätte; allein in diesem Augenblick, in welchem Österreich zu erneuter Macht gelangt war und die revolutionären Elemente siegreich bekämpfte, lag ein für ihn gültiger Anlaß dazu nicht vor. Alles, was er über sich gewinnen konnte, war jener Versuch, den engern Bund zustande zu bringen. Dies sollte jedoch mit möglichster Schonung Österreichs geschehen. Bei den Verhandlungen hierüber ist man dem Könige zuweilen schon zu weit gegangen;


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