Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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zum Nachfolger Hardenbergs bestimmt und ihn als einen Mann von Geist bezeichnet; er kannte nicht die Identität der Prinzipen, die zwischen beiden obwaltete, nur daß Hardenberg allezeit mehr von den europäischen Kombinationen, in denen er sich bewegte, Stein dagegen von den Bedürfnissen der inneren Reform, denen er schon bisher in seinem Kreise alle Kräfte gewidmet hatte, ausging.

      Hardenberg war keineswegs korrekt in seinem Privatleben; an Stein hätte niemand auch nur den geringsten Tadel in dieser Beziehung entdecken können. Er lebte in dem von seinen Altvordern überkommnen sittlichen und religiösen Begriff. Er mochte nicht alles das besitzen, was man zur Bildung des Jahrhunderts rechnete; er war eben ein eigentümlicher Geist, aus tiefen Wurzeln hervorgewachsen, und das altväterische Deutsch, das er schreibt, wie wird es unter seiner Feder so markig, edel und großartig! Seiner Geschäfte war er vollkommen Meister und wollte es sein. Ich möchte nicht wiederholen, daß er seine Gedanken niemals verändert habe, aber wie er sie in jedem Augenblicke faßte, so sprach er sie nachdrücklich und fortreißend aus. In der Diskussion erschien er unwiderstehlich, durchgreifend, schlagend und witzig. Durch und durch praktisch, zeigte er sich zugleich immer von Idealen erfüllt. Auch Hardenberg verlor nie die germanische Gesamtheit aus den Augen; in Stein schlug noch mehr ein deutsches Herz. Die sittliche Macht des deutschen Gedankens wohnte in seiner Seele.

      Die kräftigsten Anregungen zu einer Volkserhebung gegen Napoleon rühren von Stein her. Hardenberg war ihnen nicht entgegen, aber er suchte sie zu mäßigen, um das für den Staat noch unbedingt erforderliche gute Verhältnis zu Frankreich zu wahren; er wußte zu erreichen, daß Napoleon dem gegen ihn gefaßten Widerwillen entsagte und seinen Wiedereintritt in die ministerielle Tätigkeit (1810) guthieß. Dagegen warf sich Stein in den heftigsten Antagonismus gegen Napoleon und hat in dem großen Kampfe gegen ihn eine entscheidende Wirksamkeit ausgeübt. Wir möchten nicht so viel Wert darauf legen, daß er den russischen Kaiser in dem System des Widerstandes bis aufs äußerste bestärkt hat, denn dazu wurde Alexander durch seinen eingebornen Sinn schon von selber bestimmt; aber unzweifelhaft hat Stein in ihm den Gedanken erweckt, seinen Kampf mit Hilfe der deutschen Nation fortzusetzen. Er hat dann mehr als irgend ein andrer Mensch dazu beigetragen, daß die Deutschen in diesen Bund eintraten; er hat die erste Vereinigung einer deutschen Population mit dem Europa umfassenden Unternehmen Alexanders herbeigeführt, ohne der Selbständigkeit der ersteren Eintrag zu tun. Hauptsächlich von Stein ist die Allianz zwischen Rußland und Preußen zum Zweck einer unmittelbaren Waffenerhebung angebahnt und durchgesetzt worden; daraus entsprang folgerichtig der Entschluß, dem französischen Imperium von Grund aus ein Ende zu machen und Napoleon zu stürzen. Eine großartigere Wirksamkeit läßt sich kaum denken; aber ohne Hardenberg wäre sie doch nicht zum Ziele gelangt.

      Von alledem, was ihm gelang, möchte das Vornehmste sein, daß er die Idee einer Koalition gegen die Übermacht Napoleons, mit der er sich von jeher getragen hatte, im rechten Moment wieder aufnahm und durchzuführen wußte. Davon aber hing die Wiederherstellung Preußens ab. Um Preußen, als Staat betrachtet, hat Hardenberg sich ein nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst erworben.

       Steins Reformen, Bd. 48 S. 80f.; Hardenbergs Reformen, S. 165-176. Napoleons Zug nach Rußland, S. 228-243.

      51. Napoleon I. und Papst Pius VII

       Inhaltsverzeichnis

      Historisch-biographische Studien, Werke Bd. 40 u. 41 S. 42 ff.

      Wir nehmen in Napoleon Größe der Gesichtspunkte, Folgerichtigkeit der Ausführung wahr, den Blick und den Flug des Adlers nach seiner Beute; so scharf übersieht er den ganzen Horizont, so geradezu stürzt er auf den entscheidenden Punkt. Allein die Erhabenheit persönlicher Gesinnung, die einer Stellung wie die seine entsprochen hätte, läßt er vermissen, jenen Stolz eines großen Herzens, das sich mit dem Gemeinen nicht befleckt. Ihm ist der Zweck alles. Doch nicht ein jeder läßt sich mit Gewalt erreichen; dann ist ihm kein Mittel zu schlecht, keine Maßregel zu kleinlich, er scheut keine langwierige und gehässige Tyrannei,


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