Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

Читать онлайн книгу.

Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


Скачать книгу
Art und Weise seines Charakters tritt besonders bei seiner Behandlung des Papstes zutage. In einem seiner Briefe heißt es: Der Papst müsse in seiner Person empfinden, daß er dem Kaiser Mißvergnügen verursache. Er forderte von Pius VII. einfache Annahme der konziliaren Dekrete.439 Da der Papst hierzu nicht zu bewegen war, ließ er im Juni 1812 seinen Gefangnen440 von Savona nach Fontainebleau in die Nähe seiner Hofhaltung führen, in einer Eile, welche die Schwachheit des alten Mannes noch vermehrte; er umgab ihn mit Männern seines Wohlgefallens. Es waren Kardinäle wie Giuseppe Doria, der gut und fromm sein mochte, aber nur die Größe des Kaisers und ihr gegenüber die Gefahr der Kirche wahrnahm. Diese Leute wurden nicht müde dem Papste vorzustellen, wie die Kirche gleichsam ohne Haupt sei, da weder die Gemeinde der Gläubigen mit ihm, noch er mit den Gläubigen in Verbindung stehen dürfe, da Rom seines Klerus fast durchaus beraubt worden, da man die Häupter aller Geistlichkeit, die Kardinale, von Ort zu Ort in der Verbannung herumführe; wie sehr nehme in dieser Anarchie der Kirche die Macht ihrer Feinde überhand, so mächtiger Feinde, daß Napoleon selbst ihnen Zugeständnisse machen müsse! Es war ihre eigne Überzeugung, sie machten tiefen und tiefern Eindruck; endlich begannen die Unterhandlungen wieder. Jean Baptiste du Voisin war beauftragt sie zu führen, noch ein Zögling und jetzt Professor der Sorbonne, lange schon das Orakel der französischen Geistlichkeit. Er verstand es, voll ruhiger Überzeugung, Schritt für Schritt, mit überzeugender Beweisführung den Gegner zu überwinden.

      So verhält es sich nicht, daß er bei seiner Unternehmung gegen Rußland den Papst aus den Augen verloren hätte. Noch von jener großen Zusammenkunft in Dresden aus ordnete er die Überführung desselben nach Fontainebleau an; es geschah auch deshalb, weil die Engländer bereits in dem Hafen von Savona erschienen; gegen England aber war auch das russische Unternehmen gerichtet. Der Papst wurde eben damals über den Mont Cenis geführt, als die französischen Heerscharen den Niemen überschritten; das eine berührt sich mit dem andern darin, daß die Russen genötigt werden sollten, die Oberhoheit Napoleons in allen äußern Angelegenheiten anzuerkennen, und die Unterwerfung des Papstes dazu gehörte, dieselbe im Innern zu bestätigen. Das russische Unternehmen mißlang; allein Napoleon wurde dadurch nur um so eifriger, die Gewalt im Innern festzusetzen; auf deren ungehinderter Ausübung die militärische Kraft seines Reichs beruhte.

      Noch hoffte er den großen Kampf zu erneuern. Allein in kurzem mußte man inne werden, daß das universale Ansehen des Reichs, von welchem ein unterwürfiges Papsttum einen Bestandteil ausmachen sollte, bereits in seinen Grundfesten erschüttert sei. In den ersten Monaten des Jahres 1813 stellte sich heraus, daß der Kaiser seine beiden deutschen Bundesgenossen zu einem neuen Feldzuge nicht wieder fortreißen werde. Einen äußern Zusammenhang hat es nun wohl nicht, aber doch einen innern, daß in der Zeit, in welcher Preußen und Rußland die Allianz von Kalisch vereinbarten, auch Papst Pius VII. sich entschloß, das kaum verabredete Konkordat zu widerrufen.

      Gleich am Tage nach der Unterzeichnung ließ der Papst erkennen, daß ihm das Konkordat keine Befriedigung gewähre; er lehnte das Geschenk ab, das ihm der Kaiser sandte. Als die Kardinäle ankamen, die jetzt wieder


Скачать книгу