Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Bergwerk zu vergleichen, glatte, wohlabgemessene, weite Höhlungen, zugleich darauf berechnet, daß das stürzende Gemäuer nach innen, nicht nach außen fallen mußte. Diese Kunst, denn eigentliches Belagerungsgeschütz führten sie nur sehr wenig bei sich, wendeten sie nun auch bei Wien an. Hier aber trafen sie auf ein Volk, das sich ebenfalls auf unterirdische Arbeiten verstand. Gar bald bemerkte man in der Stadt das Vorhaben des Feindes. Wasserbecken und Trommeln wurden aufgestellt, um die geringste Erschütterung des Erdbodens daran wahrzunehmen; man lauschte in allen Kellern und unterirdischen Gemächern – es sind noch abenteuerliche Sagen davon im Gange – und grub ihnen dann entgegen; es begann gleichsam ein Krieg unter der Erde. Schon am 2. Oktober ward eine halbvollendete Mine des Feindes gefunden und zerstört; bald darauf ward eine andere gerade noch im rechten Moment entdeckt, als man schon anfing sie mit Pulver zu füllen. Die Minierer kamen einander zuweilen so nahe, daß eine Partei die andere arbeiten hörte; dann wichen die Türken in einer anderen Richtung beiseite.

      Um den Kärnthner Turm auf alle Fälle zu sichern, hielten die Deutschen für notwendig, ihn mit einem Graben von hinreichender Tiefe zu umgeben; natürlich aber war das nicht allenthalben möglich. Am 9. Oktober gelang es den Türken wirklich, einen nicht unbedeutenden Teil der Mauer zwischen dem Kärnthnertor und der Burg zu sprengen; in demselben Moment traten sie unter wildem Schlachtruf den Sturm an. Allein schon war man auch hierauf vorbereitet. Eck von Reischach, der bei der Verteidigung von Pavia gelernt, wie man stürmenden Feinden begegnen müsse, hatte die Leute unterwiesen, mit welchem Geschrei und Anlauf der Sturm geschehe und wie man ihm zu begegnen habe. Diese jungen Landsknechte, von denen uns ein Bericht versichert, daß Reischachs Anweisung ihnen »ein tapfer männlich Herz« gemacht, standen in der Tat vortrefflich. Mit einem furchtbaren »Her!« erwiderten sie das osmanische Schlachtgeschrei. Hallbarden, Handrohre und Kanonen unterstützten einander mit dem glücklichsten Erfolge. »Die Kugeln der Karthaunen und Flinten,« sagt Dschelalsade, »flogen wie die Schwärme kleiner Vögel durch die Luft; es war eine Festgelage, bei dem die Genien des Todes die Gläser kredenzten.« Die deutschen Berichte rühmen besonders die Tapferkeit, die der alte Salm, Verwalter der niederösterreichischen Feldhauptmannschaft, in dieser heißen Stunde bewies. Die Türken erlitten so mörderische Verluste, daß sie sich zurückziehen mußten. Die niedergeworfene Mauer ward auf der Stelle so gut wie möglich hergestellt.

      Was hier nicht gelungen, versuchte der Feind darauf an der andern Seite des Kärnthner Turms. Nach manchem falschem Lärm sprengte er am 11. Oktober einen guten Teil der Mauer gegen das Stubentor hin und erneuerte unverzüglich seinen Sturm. Diesmal waren die Kolonnen dichter formiert; zu den Asafen und Janitscharen hatten sich Sipahi von Janina und Awlona, albanesischer Herkunft, gesellt; mit ihren krummen Schwertern und kleinen Schilden drangen sie dem Haufen voran über die gefallenen Mauern daher. Allein hier stellte sich ihnen Eck von Reischach mit vier Fähnlein mutiger Landsknechte selber in den Weg. Zur Seite hatte er, wie einst in Pavia, geübte spanische Schützen; auch der Feldmarschall Wilhelm v. Rogendorf war zugegen. Diesmal kam es zum ernstlichen Handgemenge. Man sah die langen Schlachtschwerter der Deutschen, die sie mit beiden Händen führten, sich messen mit dem Türkensäbel; ein türkischer Geschichtschreiber redet von ihrer feuererregenden Wirkung. Dreimal erneuerten die Osmanen ihren Anlauf. Jovius, der so viele Schlachten beschrieben hat, bemerkt doch, daß man in diesem Jahrhundert kaum ernstlicher aneinander geraten sei. Aber alle Anstrengungen der Osmanen waren vergebens, sie erlitten noch bei weitem stärkere Verluste als das erste Mal.

      Und damit war eigentlich ihr guter Mut erschöpft. Am 12. Oktober ward abermals ein Teil der Mauer gefällt, aber als sie dahinter die Deutschen und Spanier mit aufgereckten Fähnlein erblickten, wagten sie sich nicht ernstlich heran. Schon regte sich bei ihnen die Meinung, in Gottes des Allmächtigen Ratschluß sei für diesmal die Eroberung von Wien dem Islam nicht bestimmt. Die Nächte wurden bereits ungewöhnlich kalt, am Morgen sah man die Berge mit Reif bedeckt. Mit Besorgnis dachte jedermann an die Länge und Gefahr des Rückweges, denn zu jener dreijährigen Abwesenheit war doch in der Tat nichts vorbereitet. Dazu kam, daß sich Nachrichten von einem nahen Entsatz vernehmen ließen. Ein erbländisches Heer sammelte sich in Mähren; in den Bezirken des schwäbischen Bundes ward eifrig gerüstet, wie denn Schärtlin von Burtenbach berichtet, was für treffliche Leute er in Württemberg zusammengebracht. Pfalzgraf Friedrich, der ganz in der Nähe geblieben, nahm eine drohende Haltung an. Schon lernten die Bauern den streifenden Reitern Widerstand leisten. Suleiman entging es nicht, in welche gefährliche Lage er kommen könne, wenn er hier, mitten im feindlichen Lande, ohne feste Plätze, in der schlechten Jahreszeit von einem Feinde angegriffen würde, dessen Tapferkeit er soeben kennen gelernt. Er beschloß noch einen letzten Versuch auf Wien zu machen und, wenn derselbe mißlinge, sofort aufzubrechen.

      Er wählte dazu einen Tag, den er für glücklich hielt, den Moment wo die Sonne in das Zeichen des Skorpions tritt, 14. Oktober. Eben in der Mittagsstunde versammelte sich ein guter Teil des Heeres im Angesicht der Mauern; Tschausche riefen Belohnungen aus, Minen sprangen, Breschen öffneten sich und das Zeichen zum Sturm ward gegeben. Allein die Leute hatten kein Vertrauen mehr, sie mußten fast mit Gewalt herbeigetrieben werden, wo sie dann unter das Feuer des Geschützes gerieten und ganze Haufen erlagen, ehe sie nur den Feind erblickt hatten. Gegen Abend sah man eine Schar aus den Weingärten hervorkommen, aber sich auf der Stelle wieder zurückziehen.

      Und hierauf begann nun der volle Abzug. Die Anatolier hatten jetzt die Vorhut; noch in der Nacht brach der Sultan selbst auf. Auch die Janitscharen zündeten ihr Lager in den Vorstädten an und eilten ihren Herrn zu begleiten. Nach einigen Tagen folgte ihm Ibrahim mit dem Rest der europäischen Truppen nach. Es war das erste Mal, daß dem siegreichen Sultan ein Unternehmen so ganz gescheitert war. Er konnte inne werden, daß er nicht so geradezu, wie seine Dichter rühmten, das Gold im Schachte der Welt, die Seele im Weltenleibe sei, daß es außer ihm gewaltige und unbezwingliche Kräfte gab, die ihm noch zu schaffen machen sollten. Zunächst aber hatte er Grund sich zu trösten; er hatte Ungarn den Deutschen entwunden. Aus den Händen osmanischer Beamter empfing Johann Zapolya die heilige Krone; obwohl er König hieß, war er doch in der Tat nichts anderes als ein Verweser des Sultans.

      Karls V. Feldzug gegen die Türken 1532, Deutsche Geschichte 3, 304-309. Zug nach Tunis 4, 8-15. Erneuter Türkenkrieg 1541-42, ebd. 167-175.

       Inhaltsverzeichnis

      Deutsche Geschichte V, Werke Bd. 5 S. 169 ff.

      Karl V. war in Insbruck mit seinen konziliaren und dynastischen Entwürfen auf eine Weise beschäftigt, daß er für nichts anderes Sinn zu haben schien. Eben in dieser Zeit meinte er dem Konzil zu Trient die Richtung zu geben, welche er demselben von je her zu geben beabsichtigt hatte; er hoffte außer den drei Kurfürsten am Konzil auch die drei anderen in kurzem in seiner Nähe anlangen zu sehen, um die Sukzessionssache mit ihnen zu Ende zu bringen. Soeben war ein neuer Versuch auf König Maximilian gemacht worden. Indem er diese idealen Absichten verfolgte und nur soviel als unbedingt notwendig war tat, um den Feindseligkeiten der Franzosen, die er in den Niederlanden und Italien erwartete, daselbst zu begegnen, bemerkte er nicht, was in Deutschland gegen ihn vorbereitet ward.

      Es fehlte ihm nicht an Warnungen; sogar der französische Gesandte hat dem Hof einmal von einer Konspiration gesagt, von der er höre, wahrscheinlich nur um denselben auf eine falsche Spur zu leiten, die dann Arras verfolgte, natürlich ohne etwas zu entdecken. Vielen anderen war die Verbindung der Franzosen mit Kurfürst Moritz kein Geheimnis mehr. In der Relation eines venetianischen Gesandten ist derselben schon im Jahre 1550, unmittelbar nachdem sie begonnen hatte, und, wie wir aus den Depeschen Marillacs sehen, auch ganz richtig gedacht worden. Gegen Ausgang 1551 war es ein ganz allgemeines Gerücht, das die kleinsten Höfe und Provinzialregierungen kennen. Auf den Kaiser machte es keinen Eindruck, er antwortete, man müsse sich nicht von jedem Winde bewegen lassen. Gab ihm doch Schwendi fortwährend über die Stimmung und die Absichten des Kurfürsten ganz günstigen Bericht; einer von dessen vornehmsten Räten erschien in Innsbruck und meldete, sein Herr werde unverzüglich nachkommen. Und hatte derselbe nicht seine Prokuratoren nach Trient, seine Theologen auf den Weg dahin geschickt? In Rosenheim am Inn hielten sich zwei sächsische Räte auf in der festen


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