Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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guten und geneigten Willens. Aber einen größeren Meister in der Verstellung hat es wohl kaum je gegeben, als Moritz war. Keiner von seinen alten Räten, Carlowitz so wenig wie die anderen, hatte Kunde von seinen Entwürfen. Noch von Schweinfurt aus, am 27. März, hat er die Bitte um Loslassung des Landgrafen erneuert, unter dem Vorgeben, daß er sich sonst in das Gefängnis der Kinder desselben einstellen müsse. Und doch vereinigte er in diesem Augenblicke schon sein Heer mit dem Kriegshaufen eben dieser jungen Landgrafen, durch alle denkbaren Verträge gebunden, dem Kaiser selber zu Leibe zu gehen.

      Wie war dem alten Sieger und Herrscher da zumute, als sich in demselben Augenblicke alle Feinde erhoben und alle Mittel versagten! Einst hatte es in seiner Wahl gestanden, an der Spitze der deutschen Nation, mit Begünstigung des reformatorischen Elements, laut der Reichsschlüsse von 1544, seine Macht gegen die auswärtigen Feinde zu richten: wie gegen die Franzosen, welche besonders durch deutsche Unterstützung früher in Italien besiegt und damals in ihrer Heimat zum Frieden genötigt worden, so hauptsächlich gegen die Osmanen, was in jener Zeit das größte Interesse hatte und der allgemeine Wunsch war. Dann hätte er das Kaisertum in dem Sinne, wie es ihm bei seinen Zügen nach Afrika vorschwebte, entwickeln können. Freilich hätte er z. B. Philipp von Hessen nicht als Feind, sondern als Mitstreiter behandeln, die Einheit der abendländischen Christenheit nicht in die Gleichförmigkeit des Bekenntnisses setzen müssen. Dafür wäre es ihm aber, so lange die Türken sich noch nicht in Ungarn befestigt hatten, vielleicht möglich gewesen, zugleich dieses Land zu befreien und den Trieb der Kultur und Ausbreitung, der in den Deutschen lebte, nach der mittleren Donau, dem südöstlichen Europa, hinzuleiten. Aber er schlug einen entgegengesetzten Weg ein. Er traf eine Abkunft mit den Osmanen, die ihnen Zeit ließ, sich in den eingenommenen Landschaften zu befestigen, mit dem Werke der Barbarisierung vorzuschreiten, und nahm sich vor, in den Streitigkeiten des Glaubens und des Ritus, welche die Jahrhunderte nicht haben beseitigen können, beiden Parteien Maß zu geben, er von seinem politischen Standpunkt aus.


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