Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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so durfte es noch als ein Glück erscheinen, daß sein Bruder immer mit Moritz in freundlicher Verbindung gewesen war und in dem Moment seines Auszuges aus Sachsen100 eine Zusammenkunft mit ihm in Linz verabredet hatte. Diese fand am 18. April wirklich statt und führte nach einiger Unterhandlung zu einem wenn auch nur vorläufigen Stillstand, der hauptsächlich dazu dienen sollte, eine zahlreichere Versammlung »zur Abstellung der Irrungen und Gebrechen deutscher Nation« in Passau möglich zu machen. Moritz hatte den Anfang desselben wegen der Entfernung seiner Bundesgenossen und mit Vorbehalt ihrer Einwilligung auf den 11. Mai festgesetzt; sie genehmigten ihn aber erst vom 26. Mai an. Nun hatte der Kaiser im Laufe des April doch am Ende einiges Geld zusammengebracht und begann sich zu rüsten. In weiterer Ferne bei Frankfurt sowie in der Nähe bei Ulm sammelten sich Truppen auf seinen Namen; nach allen Seiten hin waren Unterhandlungen angeknüpft. Karl V. faßte einen Gedanken, den bereits jedermann von ihm erwartete. Sollte er nicht gegen den Kurfürsten, der ihn angriff, die nämliche Waffe zücken, die ihm in dem vorigen Kriege so große Dienste geleistet hatte: sollte er nicht die Reichsacht über ihn aussprechen? Noch war der alte Geächtete, Johann Friedrich, in seinem Gewahrsam. Er dachte diesen selbst zum Vollstrecker der Acht zu ernennen; dann, meinte er, würden auch dessen alte Freunde, die Herzoge von Kleve und Pommern, sich gegen Moritz erklären. Soeben erschien auch König Ferdinand in Innsbruck; er ging, wiewohl nicht gerade gern, auf den Gedanken ein. Er übernahm es, selbst mit Johann Friedrich zu reden, wie dieser zu seiner Sicherheit es wünschte; wenn man sich verständige, sollte es sein Bewenden bei der Kapitulation von Wittenberg haben; sollte es aber zur Achtserklärung kommen, so sollte Johann Friedrich wieder in das Kurfürstentum eingesetzt werden. Man rechnete dann auf den Abfall seiner Untertanen, die dem alten Kurfürsten noch immer ergeben waren.

      Am 23. Mai rückte Moritz an der Spitze seiner Reiter und Fußvölker in Innsbruck ein. Die Landsknechte brüsteten sich in den prächtigen spanischen Kleidern; denn alles, was den Spaniern gehörte, ward ihnen von dem Kurfürsten als gute Beute überlassen. Auf ihren Hüten glänzten portugiesische Goldstücke, einer nannte den andern Don; bei alledem aber wußte sie Moritz aufs beste in Zucht zu halten. Er tadelte Georg von Mecklenburg, der sich nur eine Truhe auf dem Schloß hatte öffnen lassen. Ihm war es genug, daß er soweit vorgedrungen; er begehrte nicht mehr. Noch in Brunecken erhielt König Ferdinand einen Brief von ihm, in welchem er, eigentlich gegen dessen Erwartung, dem was vorgefallen zum Trotz, sich entschlossen erklärte, den Waffenstillstand von dem bestimmten Tage an eintreten zu lassen. Er fragte an, ob man auch auf der anderen Seite diese Gesinnung hege, und ob ihm das sichere Geleit, das ihm zur Zusammenkunft in Passau gegeben worden war, gehalten werden solle, und ob auch der König selbst erscheinen wolle. Die beiden Brüder hielten für gut, darauf einzugehen.

      Unverweilt machte sich hierauf Moritz zu der angesetzten Versammlung nach Passau auf den Weg. Auch ohne noch die Verabredungen zu berücksichtigen, die daselbst getroffen worden sind, muß man anerkennen, daß ihm durch den Gang der Begebenheiten und ihre Entscheidung die größten Erfolge gelungen waren. Vor ihm her wich der mächtige Kaiser höher ins Gebirge, nach Villach. Er ließ die Brücken hinter sich abwerfen und in den Pässen spanische Soldaten aufstellen, um ein etwaiges Nachdringen zu verwehren. Und indessen löste sich auf der andern Seite des Gebirges das Konzil von Trient selber auf. Gleich auf die erste Nachricht von den deutschen Ereignissen, am 15. April, sprach der Papst, der ohnehin nur einen zu bekennenden Grund dazu herbeigewünscht hatte, die erneute Suspension des Konzils aus. Das Konzil, das man für gut hielt selbständig handeln zu lassen, machte diesen Beschluß am 28. April zu dem seinen. Noch widersetzten sich jedoch die entschiedenen Anhänger des Kaisers, und bei weitem nicht alle waren abgereist, als die Nachricht von der Eroberung der Klause erscholl. Man glaubte in Trient, die protestantische Bewegung werde unmittelbar der Stadt des Konzils gelten, und alles, Prälaten und Einwohner, Vornehme und Geringe, flüchtete in wilder Verwirrung auseinander, höher in die Berge hinauf oder hinab nach der See, in die dichtesten Wälder oder die festesten Städte.

      Der päpstliche Legat Crescentio ließ sich durch seine Krankheit nicht abhalten, dem allgemeinen Zuge folgen; er starb, als er in Verona ankam. Das konnte man wohl vorhersehen, daß eine Kombination kaiserlicher und konziliarer Macht wie die, welche Karl V. ins Leben gerufen und mit der er die Christenheit zu beherrschen gedachte, so bald nicht wieder erscheinen würde. Was aber erfolgen würde, wer hätte darüber in der Verwirrung jener Tage auch nur eine Vermutung hegen können?

       Charakter des Kurfürsten


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