Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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Friede. Keineswegs war es so geradehin, so durchaus wie nachher, in ein katholisches und ein protestantisches zerfallen; beide Teile wohnten untereinander, durcheinander. Von dem wilden Sektenhaß, welcher späterhin entbrannte, war man damals weit entfernt. Selbst die geistlichen Fürsten dachten nicht daran, ihre Untertanen um der Religion willen zu bedrängen; die entschiedensten Evangelischen haben die friedliebenden und wohlmeinenden Erklärungen derselben von 1562 nur zu rühmen gewußt. Ihr Verfahren war lange Zeit diesen Erklärungen gemäß. Natürlich, unter ihren Räten und Kanzlern war vielleicht ein einziger katholisch, die übrigen waren Protestanten und zuweilen sogar heftige Protestanten.118 Wie im Reiche überhaupt, so führte sich allenthalben, wo nicht der Protestantismus gesetzlich geworden war, in Landschaften, Städten und Häusern eine ungebotene, naturgemäße praktische Duldung ein.

      Und hier darf ich mir wohl erlauben, noch einige andere Punkte zu berühren.

      Es ist eine verbreitete Meinung, die geistige Entwicklung der Deutschen in Literatur und Poesie sei durch die Reformation aufgehalten worden. Allein, war es nicht die kirchliche Bewegung, welche dem Meistergesange, dessen etwas langweilige Formen schon lange an die Stelle der alten Poesie getreten waren, erst seinen Inhalt gab? Der begeisterte Ausdruck des religiösen Gefühls und Tiefsinnes unserer Nation in dem protestantischen Kirchenliede, wäre er für nichts zu achten? Sinnesweise und Weltansicht des deutschen Bürgerstandes spricht Meister Hans Sachs ehrlich und anmutig, künstlich und belehrend aus; niemals hatte er wieder seinesgleichen, er gilt in seiner Art für alle Zeiten. Die Poesie der Rollenhagen und Fischart hat die ganze Kraft, Einfachheit, Wärme und Wahrheit des deutschen Geistes. Man verkenne nicht das Verdienst der Chroniken des 16.Jahrhunderts; sie haben Studium, Vaterlandsliebe und den Ausdruck einer treuherzigen, mannhaften Biederkeit, wie sie in Leben und Lehre so erwünscht und förderlich ist.

      Es lebte noch ungeirrt der alte, in seinem Grunde schaffende, ewig hervorbringende Geist der Nation. Jene tiefsinnigen Fabeln, von Faust oder dem ewigen Juden, und wieder wie viele schöne und zartgedachte Volkslieder verdanken ohne Zweifel ihre Entstehung keinem andern als diesem Jahrhundert. Sollte auch der Genius der Nation, der aus eigenem Antriebe, mit großem und allgemeinem Schwunge, reinere und tiefere Religion wieder erweckt hatte, damit sich selber entgegengetreten sein? Die Werte dieser Zeit ermangeln allerdings der Schönheit der Form, die nur aus selbstbewußter Beschränkung der eigenen Fülle hervorgeht; sie sind mehr künstlich, tiefsinnig und mannigfaltig als eigentlich wohlgestaltet. Welche andere unserer Epochen aber hätte so großes Recht, jene darüber zu tadeln? Oder hätten wir es? Der Vorzüge sinnreicher Vertraulichkeit wenigstens ermangeln wir überdies.

      Der Zwischenhandel zwischen England und den Niederlanden war noch großenteils in den Händen der Hansen. Die Privilegien der brabantischen Herzoge bestätigte ihnen 1561 Philipp II.; in Antwerpen, dem vornehmsten Sitze des damaligen Welthandels, bauten sie ein neues, prächtiges Residenzhaus. In Frankreich wuchs ihr Gewerbe dergestalt an, daß sie erst damals sich entschlossen, einen beständigen Residenten daselbst zu halten. In großen Gesellschaften unternahmen sie die Fahrt nach Lissabon. Hier sowie in Flandern, in Frankreich und in dem gesamten Westen trafen sie mit den oberdeutschen Landstädten zusammen, die nicht minder in großer Blüte standen.

      Rhein und Main waren durch den Verkehr Nürnbergs mit Antwerpen belebt. Die Weltstellung Nürnbergs ist, daß es sozusagen an die Stelle der so oft in Vorschlag gebrachten Wasserverbindung zwischen Rhein und Donau trat. Man hat berechnet, daß die Waren vom Ausfluß des Rheins bis zum Ausfluß der Donau über Nürnberg nur vierzig Stunden Weges zu Lande zu machen hätten. Doch begnügte man sich hier nicht etwa mit reinem Zwischenhandel; schlesische Leinwand, italienische Seide, englische Tuche bearbeitete man erst, ehe sie weiter vertrieben wurden. Man kennt die Mannigfaltigkeit des der Kunst nahe verwandten Handwerks, das von allen Seiten der Welt sich hierher zog und seine Erzeugnisse von hier in alle Welt aussandte. Im Jahre 1544 befand sich einer von unsern Venetianern hier; dieser einsichtige Republikaner kann den Nürnbergern seine Bewunderung nicht versagen. Er rühmt, wie sparsam sie in ihren Häusern leben, wie sie sich nicht allzu prächtig in Seide und kostbares Pelzwerk kleiden, ihre Feste mit Mäßigkeit begehen; wie sie dann, da sie in der Fremde und zu Hause immerfort gewinnen, täglich reicher werden. In demselben Sinne werde die Stadt verwaltet: man könne rechnen, daß sie jährlich bei drei Viertel ihrer Einkünfte erspare; sie müsse einen Schatz von fünfzehn Millionen Gulden haben. Wenn Nürnberg die Tochter von Venedig sei, so habe es die Mutter hierin weit übertroffen. Dabei spare man nicht bei dem Notwendigen; ohne Rücksicht auf die Kosten befestige man die Stadt und rüste sie aus; er habe daselbst bei dreihundert Stück Geschütz, in den Kornhäusern für mehr als zwei Jahre Getreide gefunden; das Volk sei den herrschenden Geschlechtern mehr als irgendwo anders gehorsam. Freilich hatten sich auch diese noch nicht als Adel abgesondert; sie trieben den Handel wie ihre Väter und Mitbürger. Ihr einheimischer Poet findet daß ihnen Weisheit, Gerechtigkeit und Gewalt zur Seite stehe.


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