Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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sein bewogen worden: auch er enthielt sich einst von einem Sonntag zum andern aller Lebensmittel. Sein Beichtvater verbot es ihm, und er, der von nichts in der Welt einen so hohen Begriff hatte wie von dem Gehorsam, ließ hierauf davon ab. Wohl war ihm dann und wann, als werde seine Melancholie von ihm genommen, wie ein schweres Kleid von den Schultern fällt, aber bald kehrten die alten Qualen zurück. Es schien ihm, als habe sich sein ganzes Leben Sünde aus Sünde fortgehend erzeugt; zuweilen war er in Versuchung, sich aus der Fensteröffnung zu stürzen.

      Unwillkürlich erinnert man sich hierbei des peinlichen Zustandes, in welchen Luther zwei Jahrzehnte früher durch sehr ähnliche Zweifel geraten war. Die Forderung der Religion, eine völlige Versöhnung mit Gott bis zum Bewußtsein derselben, war bei der unergründlichen Tiefe einer mit sich selber hadernden Seele auf dem gewöhnlichen Wege, den die Kirche einschlug, niemals zu erfüllen. Auf sehr verschiedene Weise aber gingen sie aus diesem Labyrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Versöhnung durch Christum ohne alle Werke; von diesem Punkte aus verstand er erst die Schrift, auf die er sich gewaltig stützte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in der Schrift geforscht, daß das Dogma auf ihn Eindruck gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in Gedanken die in ihm selbst entsprangen, so glaubte er die Eingebung bald des guten, bald des bösen Geistes zu erfahren. Endlich ward er sich ihres Unterschiedes bewußt. Er fand denselben darin, daß sich die Seele von jenen erfreut und getröstet, von diesen ermüdet und geängstigt fühle.

      Von den beiden Stubenburschen Loyolas in dem Kollegium St. Barbara war der eine, Peter Faber aus Savoyen, ein Mensch, bei den Herden seines Vaters aufgewachsen, der sich einst des Nachts unter freiem Himmel Gott und den Studien gewidmet hatte, nicht schwer zu gewinnen. Er repetierte mit Ignatius, denn diesen Namen führte Inigo in der Fremde, den philosophischen Kursus; dieser teilte ihm dabei seine asketischen Grundsätze mit. Ignatius lehrte den jüngeren Freund seine Fehler bekämpfen, klüglich nicht alle auf einmal, sondern einen nach dem andern, wie er denn auch immer einer Tugend vorzugsweise nachzutrachten habe; er hielt ihn zur Beichte und häufigem Genuß des Abendmahls an. Sie traten in die engste Gemeinschaft; Ignaz teilte die Almosen, die ihm aus Spanien und Flandern ziemlich reichlich zuflossen, mit Faber. Schwerer machte es ihm der andre, Franz Xaver aus Pamplona in Navarra, der begierig war, der Reihe seiner durch Kriegstaten berühmten Vorfahren den Namen eines Gelehrten hinzuzufügen; er war schön, reich, voll Geist und hatte schon am königlichen Hofe Fuß gefaßt. Ignaz versäumte nicht ihm die Ehre zu erweisen, die er in Anspruch nahm, und zu sorgen, daß sie ihm von anderen erwiesen wurde. Für seine erste Vorlesung verschaffte er ihm eine gewisse Frequenz. Wie er ihn sich erst persönlich befreundet hatte, verfehlte sein Beispiel, seine Strenge ihre natürliche Wirkung nicht. Er brachte diesen wie jenen dahin, die geistlichen Übungen unter seiner Leitung zu machen. Er schonte ihrer nicht; drei Tage und drei Nächte ließ er sie fasten; im härtesten Winter, die Wagen fuhren über die gefrorene Seine, hielt er Faber dazu an. Er machte sich beide ganz zu eigen und teilte ihnen seine Gesinnung mit.

      Nachdem


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