Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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oder ihrer geistlichen Bestimmung völlig zu entfremden. Jene Grafen und Herren, welche so oft geltend machten, daß diese Güter auch zur Erhaltung ihrer Familien gestiftet seien, gingen nicht bis zu einem solchen Anspruch fort. Einmal drangen sie, vernehmlich seit dem tridentinischen Konzil, nur auf eine Milderung der Statuten, auf Nachlaß der neugeschärften Eide und Pflichten; dieser erledigt, versprachen sie sogar eine strengere Disziplin einzuführen. Aber die Hauptsache war, daß man der geistlichen Bestimmung der Kirchengüter nur eine andere Richtung zu geben dachte. Man erbot sich, sie ritterlich wider die Türken zu verdienen, wie die Güter der alten Ritterorden ihnen zum Kampfe gegen die Ungläubigen gewährt worden, wie diesen Rittern in Spanien sogar die Ehe gestattet worden sei. Auf mehr als einer Versammlung, auf mehr als einem Reichstage sind hierauf die bestimmtesten Anträge gemacht, es sind einige dahin zielende Einleitungen getroffen worden.137

      In diesem Punkte trafen die beiden großen Aufgaben der Nation zusammen. Noch lebte Suleiman, der Eroberer von Ungarn, der schon einmal in Deutschland eingebrochen und, wider alle Wahrscheinlichkeit, durch die schwachen Bollwerke von Wien abgehalten worden war. Noch öfter sollte er seine Hunderttausende heranwälzen, immer wieder in der Absicht, die deutschen Landschaften und den ganzen Westen dem Hufschlag osmanischer Rosse zu unterwerfen. Geziemte es einer großen Nation, diese ununterbrochene, auf ihre Vernichtung berechnete Feindseligkeit so hinzunehmen, immer zu warten, bis man sie anfiele, niemals auch ihrerseits freiwillig zum Schwerte zu greifen? Wenn die Deutschen sich verstanden, so begnügten sie sich, das Christentum, von Menschensatzung gereinigt, das unvermittelte Verhältnis, in welchem der Mensch zu der Gottheit und ihren ewigen Gedanken steht, aus der Verdunklung so vieler Jahrhunderte wieder zur Anschauung gebracht zu haben. Es war nicht vonnöten, daß sie sich wieder in dialektische Formeln verloren, um das kaum entdeckte Gold wieder zu verbauen. Allein unerläßlich war es, die Entzweiungen vollends beizulegen, in die man hierbei verfallen war, der Verfassung eine Gestalt zu geben, bei der man für den Augenblick bestehen konnte, und das Leben Freiheit hatte sich zu entwickeln; dann zu dem großen Unternehmen zu greifen und den Feind, der an der Pforte des Landes lag, mit gesamter Hand abzuwehren.

      Man glaube nicht, eine Nation sei damit in Frieden zu setzen, daß man ihr Ruhe predigt, daß man die Elemente der Bewegung ableugnet oder gewaltsam niederhält. Man muß sie vielmehr in die rechte Bahn zu leiten suchen. Nicht zur Ruhe allein, nicht zu trägem Verdumpfen ist eine Nation bestimmt; erst in der Tätigkeit wachsen die menschlichen Kräfte, freier Regsamkeit bedürfen sie. Will man nicht, daß die Bewegung eine verderbliche Richtung einschlage, daß die Nation in sich selber zerfalle und sich zerfleische, so muß man ihre wahren Bedürfnisse ins Auge fassen und zu befriedigen suchen; man muß ihr das Selbstgefühl gesetzlicher Ordnung geben und eine große Zukunft eröffnen.

      13. Ignatius Loyola

       Inhaltsverzeichnis

      Päpste I, Werke Bd. 37 S. 117 ff., 151

      Von allen Ritterschaften der Welt hatte allein die spanische noch etwas von ihrem geistlichen Element behauptet. Die Kriege mit den Mauren, die, auf der Halbinsel kaum geendigt, in Afrika noch immer fortgesetzt wurden, die Nachbarschaft der zurückgebliebenen und unterjochten Morisken selbst, mit denen man stets in glaubensfeindlicher Berührung blieb, die abenteuerlichen Züge gegen andere Ungläubige jenseit des Weltmeeres erhielten diesen Geist. In Büchern, wie der Amadis, voll einer naiv schwärmerischen loyalen Tapferkeit, ward er idealisiert.

      Don Inigo Lopez de Recalde, der jüngste Sohn aus dem Hause Loyola, auf dem Schlosse dieses Namens in Guipuscoa geboren, aus einem Geschlechte, welches zu den besten des Landes gehörte, dessen Haupt allemal durch ein besonderes Schreiben zur Huldigung eingeladen werden mußte, aufgewachsen am Hofe Ferdinands des Katholischen und in dem Gefolge des Herzogs von Najara, war erfüllt von diesem Geiste. Er strebte nach dem Lobe der Ritterschaft; schöne Waffen und Pferde, der Ruhm der Tapferkeit, die Abenteuer des Zweikampfs und der Liebe hatten für ihn so viel Reiz wie für einen andern; aber auch die geistliche Richtung trat in ihm lebhaft hervor; den ersten der Apostel hat er in diesen Jahren in einer Ritterromanze besungen. Wahrscheinlich würden wir seinen Namen unter den übrigen tapferer spanischer Hauptleute lesen, denen Karl V. so viel Gelegenheit gab sich hervorzutun, hätte er nicht das Unglück gehabt, bei der Verteidigung von Pamplona gegen die Franzosen 1521 von einer doppelten Wunde an beiden Beinen verletzt, und obwohl er so standhaft war, daß er sich zu Hause, wohin man ihn gebracht, den Schaden zweimal aufbrechen ließ, auf das schlechteste geheilt zu werden. Er kannte und liebte die Ritterromane, vor allen den Amadis. Indem er jetzt seine Heilung abwartete, bekam er auch das Leben Christi und einiger Heiligen zu lesen.

      Phantastisch von Natur, aus einer Bahn weggeschleudert, die ihm das glänzendste Glück zu verheißen schien, jetzt zugleich zur Untätigkeit gezwungen und durch sein Leiden aufgeregt, geriet er in den seltsamsten Zustand von der Welt. Auch die Taten des heiligen Franciscus und Dominicus, die hier in allem Glanze geistlichen Ruhmes vor ihm erschienen, däuchten ihm nachahmungswürdig, und wie er sie so las, fühlte er Mut und Tüchtigkeit, sie nachzuahmen, mit ihnen in Entsagung und Strenge zu wetteifern. Er riß sich los von seinem väterlichen Hause und seinen Verwandten und stieg den Berg von Moserrat hinan, nicht in Zerknirschung über seine Sünden, noch von eigentlich religiösem Bedürfnis angetrieben, sondern, wie er selber gesagt hat, nur in dem Verlangen, so große Taten zu vollbringen wie diejenigen, durch welche die Heiligen so berühmt geworden, ebenso schwere Bußübungen zu übernehmen oder noch schwerere, und in Jerusalem Gott zu dienen. Vor einem Marienbilde hing er Waffen und Wehr auf, die ritterliche Kleidung, in der er gekommen, gab er weg, er versah sich mit dem rauhen Gewand der Eremiten, deren einsame Wohnung zwischen diese nackten Felsen eingehauen ist. Nachdem er eine Generalbeichte abgelegt, begab er sich nicht gleich, wie seine jerusalemische Absicht forderte, nach Barcelona– er hätte auf der großen Straße erkannt zu werden gefürchtet –, sondern zuerst nach Manresa, um nach neuen Bußübungen von da an den Hafen zu gelangen.

      Hier aber erwarteten ihn andere Prüfungen: die Richtung, die er mehr wie ein Spiel eingeschlagen, war gleichsam Herr über ihn geworden und machte ihren ganzen Ernst in ihm geltend. In der Zelle eines Dominikanerklosters ergab er sich den härtesten Bußübungen; zu Mitternacht erhob er sich zum Gebet, sieben Stunden täglich brachte er auf den Knien zu, regelmäßig geißelte er sich dreimal den Tag. Nicht allein aber fiel ihm das doch schwer genug, und er zweifelte oft, ob er es sein Leben lang aushalten werde; was noch viel mehr zu bedeuten hatte, er bemerkte auch, daß es ihn nicht beruhige. Er hatte sich auf Monserrat drei Tage damit beschäftigt, eine Beichte über sein ganzes vergangenes Leben abzulegen, aber er glaubte damit nicht genug getan zu haben. Er wiederholte sie in Manresa, er trug vergessene Sünden nach; auch die geringsten Kleinigkeiten suchte er auf. Allein, je mehr er grübelte, um so peinlicher waren die Zweifel, die ihn befielen. Er meinte, von Gott nicht angenommen,


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