Frankenstein. Мэри Шелли

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Frankenstein - Мэри Шелли


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Sinn führ­te sie oft­mals in die Hüt­ten der Ar­men. Mei­ne Mut­ter emp­fand das nicht nur als eine Pf­licht, es war ihr ein Be­dürf­nis, eine Lei­den­schaft, den Ar­men in ih­rem Elend ein En­gel zu sein, denn sie hat­te selbst viel ge­lit­ten und wuss­te, wie weh das tut. Bei ei­nem ih­rer Spa­zier­gän­ge er­reg­te eine klei­ne Hüt­te ihre Auf­merk­sam­keit, die wie ver­schämt sich in ei­nem Sei­ten­ta­le barg und die, von der Schar arm­se­lig ge­klei­de­ter Kin­der zu schlie­ßen, die vor der Türe sa­ßen, ein gut Teil Not und Elend zu ber­gen schi­en. Als mein Va­ter ei­nes Ta­ges nach Mai­land ver­reist war, be­such­te mei­ne Mut­ter die­se Hüt­te und ich durf­te sie be­glei­ten. Wir tra­fen ein bäue­ri­sches Ehe­paar, von Sor­ge und har­ter Ar­beit nie­der­ge­beugt, das ge­ra­de ein kar­ges Mahl an die fünf hun­gern­den Kin­der ver­teil­te. Un­ter die­sen war ei­nes, das mei­ner Mut­ter be­son­ders auf­fiel, denn es schi­en von ganz an­de­rem Schla­ge. Wäh­rend die üb­ri­gen Kin­der schwarz­äu­gi­ge, der­be Ker­le wa­ren, sah die schlan­ke Klei­ne sehr hübsch aus. Sie hat­te glän­zen­des Gold­haar und trotz der Ar­mut ih­rer Klei­dung brei­te­te sich ein un­ver­kenn­ba­rer Adel über sie aus. Ihre Stirn war breit und hoch, ihre Au­gen leuch­te­ten wie Ster­ne und ihr gan­zes Ant­litz war so lieb­lich, dass man sie nicht an­se­hen konn­te, ohne so­fort das Ge­fühl zu ha­ben, dass sie et­was Be­son­de­res, ein gott­be­gna­de­tes Ge­schöpf sei. Die Bäue­rin hat­te gleich be­merkt, dass mei­ne Mut­ter mit In­ter­es­se und Be­wun­de­rung ihre Au­gen auf der Klei­nen ru­hen ließ, und er­zähl­te so­fort de­ren Le­bens­ge­schich­te. Sie war nicht ihr Kind, son­dern das Töch­ter­chen ei­nes Edel­man­nes aus Mai­land. Ihre Mut­ter, eine Deut­sche, war ge­stor­ben, als sie dem Kin­de das Le­ben ge­ge­ben hat­te. Man hat­te ih­nen das klei­ne We­sen zur Pfle­ge über­ge­ben, sie wa­ren da­mals noch nicht so arm ge­we­sen. Sie wa­ren noch nicht lan­ge ver­hei­ra­tet und ihr ers­tes Kind war da­mals ge­ra­de zur Welt ge­kom­men. Der Va­ter ih­res Pfle­ge­kin­des war ei­ner je­ner Ita­lie­ner ge­we­sen, die in der Erin­ne­rung an die glor­rei­che Ge­schich­te ih­rer Hei­mat auf­ge­wach­sen wa­ren; ei­ner je­ner Män­ner, die sich selbst op­fer­ten, um ih­rem Va­ter­lan­de die Frei­heit zu ver­schaf­fen. Auch er fiel sei­ner Lei­den­schaft zum Op­fer. Ob er starb oder ob er noch in ei­nem der Ge­fäng­nis­se Ös­ter­reichs schmach­te­te, wuss­te man nicht. Je­den­falls wa­ren sei­ne Gü­ter kon­fis­ziert wor­den und sein Kind war ein Bet­tel­kind ge­wor­den. Es blieb bei sei­nen Pfle­ge­el­tern und blüh­te in der rau­en Um­ge­bung schö­ner wie eine Rose zwi­schen dun­kel­far­bi­gem Un­kraut.

      Als mein Va­ter von Mai­land zu­rück­kehr­te, fand er mich auf dem Vor­platz un­se­rer Vil­la mit der Klei­nen spie­lend, die schön war wie ein Che­rub; ein We­sen, aus des­sen Au­gen wun­der­vol­le Strah­len leuch­te­ten und das schlank und be­weg­lich war wie eine Gämse. Die An­ge­le­gen­heit war bald ge­re­gelt. Mit Er­laub­nis mei­nes Va­ters ver­moch­te die Mut­ter die ar­men Leu­te rasch zu be­we­gen, ihr die Ob­hut über das Kind zu über­las­sen. Sie konn­ten die arme, süße Wai­se gut lei­den und sie war ih­nen im­mer wie ein Son­nen­schein im Hau­se ge­we­sen; des­halb hät­ten sie es nicht übers Herz ge­bracht, sie in Not und Elend zu­rück­zu­hal­ten, wäh­rend ihr die Vor­se­hung ein sol­ches Glück be­scher­te. Sie frag­ten noch den Pries­ter des Or­tes um Rat, und das Re­sul­tat die­ser Un­ter­re­dung war, dass Eli­sa­beth La­ven­za ih­ren Ein­zug in das Haus mei­ner El­tern hielt. Sie wur­de mir lie­ber als eine Schwes­ter – die lieb­li­che, an­ge­be­te­te Ge­fähr­tin mei­nes Schaf­fens und mei­ner Er­ho­lung.

      Je­der hat­te Eli­sa­beth gern. Die Lie­be und Ver­eh­rung, mit der sie alle be­dach­ten, die ihr nä­her tra­ten, war mein Stolz und mei­ne Freu­de. Am Vora­bend des Ta­ges, an dem Eli­sa­beth zu uns kam, sag­te mei­ne Mut­ter zu mir: »Ich habe ein rei­zen­des Ge­schenk für mei­nen Vik­tor, mor­gen sollst du es ha­ben.« Und als sie am Mor­gen das Kind mir als die ver­spro­che­ne Gabe zeig­te, fass­te ich voll kind­li­chen Erns­tes ihre Wor­te so auf, dass Eli­sa­beth mein sei, um sie zu schüt­zen, zu lie­ben und zu ver­hät­scheln. Je­des Lob, das der Klei­nen galt, nahm ich so auf, als sei es ein Lob mei­nes Ei­gen­tums. Wir nann­ten ein­an­der beim Vor­na­men. Kein Wort ist im­stan­de zu schil­dern, was wir uns wa­ren, umso mehr als sie bis zu ih­rem Tode mei­ne ein­zi­ge Schwes­ter sein soll­te.

      1 Ein of­fen­sicht­li­cher Wi­der­spruch zu der oben ge­trof­fe­nen Aus­sa­ge, Frank­stein sei in Genf ge­bo­ren. Für den Ver­lauf der Ge­schich­te ist das aber nicht re­le­vant. (Der Ver­fas­ser) <<<

      Wir wuch­sen zu­sam­men auf; ich war nicht ganz ein Jahr äl­ter als sie. Ich brau­che nicht be­son­ders zu be­to­nen, dass uns Un­ei­nig­keit oder Streit fremd wa­ren. Har­mo­nie bil­de­te die Grund­la­ge un­se­rer Freund­schaft, und die Ver­schie­den­heit un­se­rer Cha­rak­tere schi­en uns eher noch fes­ter zu bin­den, als uns zu tren­nen. Eli­sa­beth war ru­hi­ger und ge­sam­mel­ter als ich; aber bei all mei­ner Lei­den­schaft­lich­keit war ich doch ein Freund erns­ter Ar­beit und voll Wis­sens­durst. Ihre Lieb­lings­be­schäf­ti­gung war die Lek­tü­re un­se­rer Dich­ter und die Schön­heit der uns um­ge­ben­den Na­tur, die er­ha­be­nen For­men der Ber­ge, der Wech­sel der Jah­res­zei­ten, die tie­fe Stil­le des Win­ters und das leb­haf­te Trei­ben der Som­mer­sai­son – al­les das gab ih­rer Fan­ta­sie reich­li­che Nah­rung. Wäh­rend mei­ne Ge­spie­lin ernst und stau­nend sich dem Ein­dru­cke der Din­ge hin­gab, woll­te ich ih­rem Ur­sprung auf die Spur kom­men. Die Welt war mir ein Ge­heim­nis, das ich un­ter al­len Um­stän­den zu ent­rät­seln mir vor­ge­nom­men hat­te. Neu­gier­de, der Wunsch hin­ter die ver­bor­ge­nen Na­tur­ge­set­ze zu kom­men, Freu­de, ja Ent­zücken, als sich mir so man­ches Wun­der auf­tat, sind die ers­ten Ge­füh­le, de­ren ich mich er­in­nern kann.

      Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass ein Mensch eine glück­li­che­re Ju­gend ver­brin­gen kann, als wie es mir be­schie­den war. Mei­ne El­tern wa­ren er­füllt vom Geis­te wah­rer Lie­be und Güte. Wir emp­fan­den, dass sie nicht die Ty­ran­nen wa­ren, die uns nach ih­ren Lau­nen lenk­ten, son­dern die Schöp­fer all des Schö­nen und Gu­ten, was wir ge­nie­ßen durf­ten. Wenn


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