Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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Gu­tes re­gel­recht ein­ge­seift und ihm einen gan­zen Wag­gon Erb­sen zu der Hälf­te des re­gu­lä­ren Markt­prei­ses ab­ge­schwatzt hat­te, also am Mor­gen nach die­sem vor­teil­haf­ten Ein­kauf hör­te ich auf­ge­reg­tes Re­den auf dem Hof des Ge­schäf­tes, und als ich ans Fens­ter ging, sah ich dort den jetzt sehr er­nüch­ter­ten In­spek­tor, der wild auf mei­ne Frau und Hinz­pe­ter ein­re­de­te. Ich sah durch die Schei­be eine gan­ze Wei­le zu­frie­den den auf­ge­brach­ten Mann an und dach­te bei mir: ›Ja, rede du jetzt nur und sei so nüch­tern, wie du magst. Dei­ne Un­ter­schrift auf dem Ab­schluss von ges­tern Abend kannst du doch nicht weg­re­den!‹

      Jetzt sprach Mag­da, und der In­spek­tor nick­te und schüt­tel­te den Kopf und trat mit dem Fuß auf, und plötz­lich sah er zu mir her­über und ent­deck­te mich wohl hin­ter dem Glas, und wirk­lich und wahr­haf­tig, der Mann hob den Arm und schüt­tel­te die Faust ge­gen mich, vor den Au­gen mei­ner Frau und Hinz­pe­ters, und nun schrie er so­gar ein Schimpf­wort ge­gen mich, und das lau­te­te nicht an­ders wie: »Ol­ler Leu­te­be­trü­ger!« Ich war­te­te, ich war­te­te dar­auf, dass Mag­da den Frech­ling vom Hof wei­sen wür­de, aber sie re­de­te nur auf ihn ein, und nach ei­ner Wei­le ließ der In­spek­tor die Faust wie­der sin­ken, und sie ver­han­del­ten wei­ter.

      Mich ekel­te vor der Schlapp­heit mei­nes Wei­bes, und nach ei­ner Wei­le, als sie im­mer noch ver­han­del­ten, setz­te ich mich an mei­nen Schreib­tisch nie­der, öff­ne­te das be­wuss­te Fach und stärk­te mich. Wie­der nach ei­ner Zeit, wäh­rend ich da so ge­ses­sen und an nichts ge­dacht hat­te, ging die Tür auf, und Mag­da kam blass her­ein, eine Map­pe in der Hand. Sie leg­te die Map­pe auf den Tisch und fing an, mit den Pa­pie­ren zu ra­scheln, sonst war es ganz still bei uns im Kon­tor, und der Al­ko­hol ging sach­te in mir her­um und mach­te mich fried­lich und zu­frie­den.

      Plötz­lich aber ließ Mag­da die Pa­pie­re fal­len, sie warf den Kopf auf den Tisch und wein­te wild drauf­los. Ich war sehr hilf­los, wuss­te gar nicht, was ich tun soll­te, war auch in dem jet­zi­gen an­ge­neh­men Zu­stand viel zu be­quem, et­was zu tun. So sag­te ich nur et­was matt: »Aber was ist denn nur los? Be­ru­hi­ge dich bloß, Mag­da, es wird ja al­les halb so wild sein!«

      Sie aber warf den Kopf hoch und starr­te mich mit ih­ren trä­nen­über­ström­ten Au­gen an und rief: »Es ist dop­pelt schlimm! Es ist zehn­fach schlimm! Nicht ge­nug, dass du alle Tage stark be­trun­ken bist, bringst du auch noch un­se­re Fir­ma in Ver­ruf. Über­all er­zäh­len sich schon die Leu­te, dass wir un­so­li­de ge­wor­den sei­en und auf Be­trug aus­ge­hen …«

      »Halt, stopp, Mag­da«, sag­te ich lang­sam, und plötz­lich war es mir ganz recht, dass es end­lich zu ei­ner Auss­pra­che zwi­schen uns kam, und ich war fest ent­schlos­sen, ihr nichts zu er­spa­ren … »Halt, stopp, Mag­da«, sag­te ich. »Nicht so viel auf ein­mal! Was das an­geht, dass ich alle Tage stock­be­trun­ken sein soll, so möch­te ich dich wohl fra­gen, ob du mich je ein­mal hast tor­keln se­hen oder lal­len hö­ren? Ich neh­me dann und wann ein Gläs­chen, das gebe ich ohne Wei­te­res zu, aber ich ver­tra­ge es auch. Es macht mich kla­rer. Den Al­ko­hol soll mei­den, wer ihn nicht ver­trägt, das bin aber nicht ich.«

      »Sieh«, sag­te ich lang­sam und schloss wie­der das be­wuss­te Schreib­tisch­fach auf, »hier ha­ben wir eine Fla­sche Ko­gnak, die war heu­te früh um neun Uhr noch voll, und jetzt ist etwa ein Drit­tel her­aus, ein gu­tes Drit­tel, sa­gen wir. Stamm­le ich des­we­gen? Bin ich nicht Herr mei­ner Glie­der? Bin ich un­klar im Kop­fe? Ich bin zehn­mal kla­rer als du! Ich wür­de es nicht zu­las­sen, dass ein her­ge­lau­fe­ner Mist­bock mei­ne Frau Be­trü­ge­rin schimpft, in die Fres­se wür­de ich sol­chem Kerl schla­gen!« schrie ich plötz­lich.

      Und fuhr ru­hi­ger fort: »Du aber ver­han­delst mit ihm und be­gü­tigst ihn, und wenn ich dich und das ängst­li­che Huhn, den Hinz­pe­ter, recht ken­ne, so habt ihr ihm so­gar den gu­ten Erb­sen­ab­schluss ge­stri­chen oder die Prei­se er­höht …« Ich sah sie spöt­tisch an.

      »Ge­wiss ha­ben wir das!«, rief sie, und ihre Trä­nen wa­ren jetzt ver­siegt, und sie sah mich ohne jede Lie­be und Zu­nei­gung an. »Ge­wiss ha­ben wir das. Wir ha­ben den Ab­schluss ge­stri­chen, den gu­ten Kun­den sind wir aber trotz­dem los für alle Zeit.«

      »Soso«, ant­wor­te­te ich noch viel spöt­ti­scher. »Ihr habt den Ab­schluss ge­stri­chen. Ich bin ja hier bloß der letz­te Lauf­bur­sche, und das, wor­un­ter ich mei­nen Na­men set­ze, ist nur ein Wisch! Ich will dir aber eins sa­gen, Mag­da: Wenn der In­spek­tor Schmidt vom Flie­der­hof sei­nen Ab­schluss nicht bis auf den letz­ten Zent­ner er­füllt, so kla­ge ich ge­gen ihn, und ich wer­de recht be­kom­men. Denn ein Ab­schluss ist ein Ab­schluss, das wird dir je­der Rechts­an­walt sa­gen, und wenn er mein nied­ri­ges An­ge­bot an­ge­nom­men hat, so ist das sei­ne Schuld, nicht mei­ne. Ich habe ihn nicht be­sof­fen ge­macht, son­dern er hat mich be­sof­fen ma­chen wol­len, und wenn er da­bei her­ein­ge­fal­len ist, ist es nicht mei­ne Schuld.

      Und, Mag­da«, sag­te ich und stand jetzt auf von mei­nem Stuhl, »ich will dir noch sa­gen, dass ich hier der Chef bin, ich al­lein, und wenn Ab­schlüs­se ge­löst wer­den sol­len, so wer­de ich ge­fragt und kein an­de­rer. Das passt mir nicht mehr, dass du dich hier auf­spielst, und willst mich un­ter dei­nen Fuß tre­ten und re­dest von Stock­be­sof­fen­heit, wo ich nüch­tern bin wie ein Aal im Was­ser und zehn­mal klü­ger und tüch­ti­ger als du. Ich bin hier der Chef, und mich ver­drängst du nicht. Geh wie­der zu dei­nen Kochtöp­fen, da rede ich dir nicht hin­ein. Ich habe dich nicht hier­her ge­be­ten, aber jetzt bit­te ich dich, zu ge­hen.«

      Ich hat­te sehr ernst und über­legt ge­spro­chen, und wäh­rend ich so sprach, war mir im­mer kla­rer ge­wor­den, dass ich wirk­lich in al­lem recht und sie in al­lem un­recht hat­te. Nun setz­te ich mich wie­der.

      Mag­da hat­te mich sehr auf­merk­sam an­ge­se­hen, wäh­rend ich so ge­spro­chen hat­te, gleich­sam als woll­te sie je­des ein­zel­ne Wort von mei­nem Mun­de ab­le­sen. Nun, da ich ge­en­det hat­te, nick­te sie und sag­te: »Ich sehe schon, dass mit dir nicht mehr zu re­den ist, Er­win. Du hast je­des Ge­fühl für Recht und Un­recht ver­lo­ren. Dem In­spek­tor hat sein Graf ge­sagt, er wird die Stel­lung ver­lie­ren, wenn die­ser be­trun­ke­ne Ab­schluss nicht auf der Stel­le rück­gän­gig ge­macht wird, und du sollst we­gen Be­trugs an­ge­zeigt wer­den …«

      »Das soll er nur tun!«, rief ich spöt­tisch. »Dir im­po­niert na­tür­lich solch Graf, bloß weil er sich blau­blü­tig schimpft, mir aber nicht so viel!« Ich schnipp­te mit den Fin­gern. »Er soll mich nur an­zei­gen, er wird schon se­hen, wie er da­bei her­ein­fällt!«

      »Ja«, rief wie­der Mag­da, »dir ist es schon ganz gleich­gül­tig ge­wor­den, ob dein ehr­li­cher Name vor den Ge­rich­ten in den Schmutz ge­zerrt wird, das habe ich jetzt al­les lei­der be­grei­fen müs­sen. Doch ich gebe es auf, mit dir dar­über zu re­den, der Schnaps hat je­des Rechts­ge­fühl in dir zer­stört. – Ich möch­te dich aber et­was an­de­res fra­gen, Er­win …«

      »Fra­ge nur zu«, ant­wor­te­te ich mür­risch, war aber sehr auf mei­nem Pos­ten, denn mir schwan­te schon, dass jetzt nichts Gu­tes kom­men wür­de. »Wer viel fragt, be­kommt viel Ant­wort.«

      »Ich brau­che nicht viel Ant­wort«, sag­te Mag­da wie­der, »ich brau­che nur ein ein­fa­ches, kla­res Ja oder Nein.« Sie hol­te Atem, sie sah mich fest an. Dann sag­te sie: »Bist du noch ein Mann von Wort, Er­win? Ich mei­ne, stehst du noch zu dem, was du mir ein­mal ver­spro­chen hast?«

      »Na­tür­lich tue ich


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