Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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weil er dich dafür will. Aber was kann ein Kind seim Vater oder seiner Mutter geben? Wenn's brav is, haben die alten Leut ihr Freud, es is schon wahr, wenn's Kind die alten Leut recht liebhat, wenn's sie hegt und pflegt, wie's im vierten Gebot steht, es tut ihnen wohl, aber's Rechte und 's Ganze is das noch allweil net. Die größte Freud, die man an Kindern erleben kann, das is, wenn s' glücklich werden. 's Glück von die Kinder is d' Seligkeit von die Eltern.«

      Mit großen, verwunderten Augen blickte Loni auf den Alten. »Aber Lehnl?« sagte sie langsam, jedes Wort betonend. »Ich schau nur grad und frag mich, wo bei dir das alles herkommt? So kann ein Mensch net reden von der Lieb, wenn er s'net selber gspürt hat.«

      »No mein, freilich hab ich's gspürt!«

      »'s erste Wörtl, seit ich dich kenn!«

      »Was hätt ich für ein Grund ghabt zum Reden?« Das klang ausweichend --- und mit umflorten Augen blickte Lehnl in die graue Dämmerung hinaus.

      »Wenn auch sonst kein«, drang Loni schmeichelnd in den Alten, »nachher doch wenigstens den Grund, den ich hab, wenn ich dir mein Herz ausschütt ... daß mir leichter wird.«

      »Du mein Gott, was wär auch am End an der Gschicht zu erzählen? So ebbes gschieht alle Tag!« Ein paar Sekunden schwieg der Alte, dann begann er zu erzählen. Stoßweise kam es hervor, Wort für Wort; dem Klang der Stimme merkte man's an, wie tief das alles, was er sagte, jahrelang begraben war in einer verschlossenen, schmerzgewohnten Brust. »Gern haben wir uns ghabt, 's Madl und ich, aber ghabt haben wir nix, drum haben's dem Deandl seine Leut auch net zuglassen, daß wir Hochzeit gmacht haben. 's Madl war ein folgsams Kind, so haben wir halt gwart, bis die Alten gstorben sind. Es hat ein bißl lang dauert! Ich war schon in die Vierzig und 's Madl net weit vom Dreißiger. In der Früh sind wir kopuliert worden, und am Nachmittag bin ich holzen gangen und mein junges Weib auf d' Alm. Aber wir haben uns gern ghabt und waren z'frieden, wenn's gleich oft kimmen is, daß wir bloß über den andern Tag warm gessen haben. Zur richtigen Zeit war auch's Kind da. jetzt hat's Unglück angfangt. Mein Weib hat sich nimmer erholt, und net lang hat's dauert, da hat man's eingraben.« Der Alte fuhr sich mit dem Rücken der Hand über die Augen; dann sprach er hastig weiter. »Mich hat's an dem Ort nimmer glitten ... von Arbeiten war kein Red mehr ... jeden Tag hat's mich ans Grab trieben ... und ich hab doch was verdienen müssen, schau, schon wegen dem Kind. Vielleicht wird's besser, hab ich mir denkt, wann ich anderswo bin ... und so bin ich halt einmal fort, 's war ein eisig kalter Wintertag ... 's Kleine am Arm ... da bin ich in d' Nacht eini kommen. 's Kind hat's Wimmern angfangt, daß ich gmeint hab, es zerreißt mir's Herz ... meine eigenen Kräft haben mich verlassen ... und ... wie's wieder Morgen worden is, hab ich kein Kind mehr ghabt!« Lehnls Stimme verlor sich in einem schweren Schluchzen.

      Regungslos hatte Loni der Erzählung gelauscht, und ihre Augen waren feucht, als sie mit leiser Stimme fragte: »Dein Kindl is gstorben in der Nacht?«

      Ein Schauder überlief den Alten. »Gstorben ... ha ... gstorben!« murmelte er dumpf in die Hände, während ihm die Tränen durch die Finger rieselten.

      »Arms Würmerl!« seufzte Loni und strich dem Alten mit linder Hand über das weiße Haar. Plötzlich sprang sie auf. »Lehnl! Aus jedem Wort, was du da gredt hast, hört man den Kummer und den Schmerz um deine verlorenen Lieben. Und wenn ich bedenk, wie lieb und gut du zu mir schon bist, wie gern mußt du dein eigenes Kindl ghabt haben! Lehnl ... sag mir: Hättest du dein Kind weggeben können, so wie meine Eltern mit mir gmacht haben? Sag ja ... und ich kann vielleicht den Groll und Haß gegen meine Eltern ersticken, der mir so schwer am Herzen liegt!«

      »Madl ... das is eine schwere Frag!« klang Lehnls zögernde Antwort. »Ich kann net ja sagen und will's auch net. Aber eins weiß ich gwiß: Wann ich in jener Nacht mein Kind unserm Herrgott anvertraut und braven Leuten vor die Tür glegt hätt ... und wenn ich's auch net haben könnt und dürft net zu ihm sagen: mein Kind ... es wär ein Trost für mich, wann ich wüßt, daß es jetzt besser dran is, als wie's es je bei mir hätt haben können!«

      »Ich dank dir, Lehnl, für das Wort!« sagte Loni tief atmend und streckte dem Alten die beiden Hände hin.

      Lehnl hatte sich erhoben, die Hände des Mädchens ergriffen, und als er nun sprach, blickte er ernst in Lonis tränenfeuchte Augen. »Wenn's dich trösten kann, soll mir's wohltun. jetzt sag ich dir halt gut Nacht ... und wenn du dich niederlegst und kannst net gleich einschlafen, so denk halt ein bißl nach über das, was ich dir gsagt hab. Gut Nacht.«

      Langsam wandte er sich ab, schritt auf die Tür des Schuppens zu und verschwand, um sich im Heu ein Lager zu suchen. »Gute Nacht, Lehnl!« rief ihm Loni nach. Aber das hörte er nimmer.

      6

       Inhaltsverzeichnis

      Mit dem Rücken an den Zaun gelehnt, der die Hütte umzog, und die beiden Arme auf die rauhe Stange gestützt, so stand Loni mit gesenktem Kopf und hing ihren Gedanken nach. Lehnl war ihr schon immer lieb gewesen. Seit sie aber jetzt wußte, daß er ebenso verlassen und allein in der Welt stand wie sie selbst, seitdem war es ihr, als hätte ein unsichtbares Band ihre Herzen noch näher aneinandergeschlossen. Wie kühlender Tau waren die Worte des Alten auf ihr heißes, unruhiges Herz gefallen, und sie fühlte sich jetzt so leicht und ruhig wie noch nie. Fast fremd standen ihr die bitteren Gedanken des Hasses und des Vorwurfs gegenüber, die sie in verschlossener Brust gegen ihr herbes, durch die eigenen Eltern verschuldetes Schicksal genährt hatte. Und sie fühlte sich fast überzeugt, daß all dies dunkel Vergangene genauso gewesen sein müßte, wie es ihr Lehnl als möglich dargestellt hatte; und statt mit ziellosen Vorwürfen das gequälte Herz zu betäuben, fing sie an, das Schicksal ihrer Eltern zu betrauern und zu beklagen. Freilich machte sich auch der Gedanke geltend, daß an den Tatsachen selbst wenig sich ändere, wenn nicht herzlose Gleichgültigkeit, sondern Unglück und Liebe sie in die Hände fremder Leute gelegt hätten.

      Loni richtet sich auf. »In Gotts Namen«, seufzte sie, »unser Herrgott wird wissen, wie's gewesen is, und wird schon alles recht machen.« Dann trat sie in die Hütte.

      Hinter dem kleinen Fenster der Almstube schimmerte ein matter Lichtschein auf.

      Längst hatte der Mond sich wieder hinter den Wolken verborgen. Ein kühler Nachthauch zog vom Tal herauf und machte die Wipfel der schwarzen Tannen schwanken; doch so leise klang ihr Rauschen, daß es die knisternden Tritte nicht zu übertönen vermochte, die sich vom Waldsaum hören ließen. Vorsichtig trat neben dem Brunnen eine dunkle Gestalt aus dem Gebüsch, lautlos schlich sie über den Hügel zur Hütte hinauf und näherte sich vorsichtig der Bank unter dem Fenster. Da bewegte sich das Licht, und ein voller Strahl fiel auf das Gesicht des späten Besuchers. Es war Muckl.

      Nun saß er auf der Bank, die Wange an die Wand gedrückt, und blickte durch die erleuchteten Scheiben. Was er sah, machte einen eigentümlichen Eindruck auf ihn. Vor dem Tische, über dem ein kleines Kruzifix an der Wand befestigt war, kniete Loni mit gefalteten Händen und betete. Dann erhob sie sich, schritt ihrer Lagerstätte zu und begann das Mieder aufzuschnüren. Fast bis an die Scheiben rückte Muckl sein Gesicht, auf die Gefahr hin, von innen erblickt zu werden. Plötzlich fuhr er zurück --- Loni war zum Tisch gegangen, und gleich darauf erlosch das Licht. »Du hast den Teufel!« zischte es ärgerlich durch die Zähne des Burschen. Unschlüssig saß er und überlegte, was er tun sollte. Minute um Minute verrann. Eben wollte Muckl die Hand erheben, um an das Fenster zu klopfen, als er die Tür des Schuppens knarren hörte.

      »Loni!« klang gedämpft die Stimme Lehnls. »Sie wird schon schlafen!« murmelte der Alte vor sich hin, als er keine Antwort erhielt. Er hatte weder Ruhe noch Schlaf finden können. Dazu war ihm die Hitze, die auf dem Heuboden herrschte, unerträglich geworden, und so kam er nun heraus, um in der kühlen Nachtluft Erfrischung zu finden.

      Muckl war beim ersten Geräusch, das er vernommen, von der Bank aufgesprungen. Eng an die Wand gedrückt, hatte er sich Schritt für Schritt gegen die Ecke der Hütte fortgeschlichen. Plötzlich stieß er mit dem Fuß gegen ein am Boden liegendes Brett.

      »Halt!« fuhr Lehnl auf, der zur Bank gegangen


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