Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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      »Nix leichter wie dös! D' Frau Petri hat die größte Freud, wann einer kommt und die Sachen anschaut.«

      »Sind die Bilder verkäuflich?«

      »Na, Duhrlaucht, da wird sich nix machen lassen. Es hätt schon oft a Sommerfrischler so a Taferl gern mitgnommen. Aber was vom Herrn Petri noch da is, dös halten die zwei Frauenleutln fest wie mit eiserne Händ.«

      »Also ist die Familie in guten Verhältnissen und hat ohne Sorge zu leben?«

      »Aber gwiß. Erstens amal sind s' zfrieden mit allem und verstehen sich drauf, wie man 's Leben schön sparsam einrichten muß. Und nacher haben s' auch a bißl was. Der Herr Petri is a fleißigs Mannsbild gwesen. Der hat sich in die fufzehn Jahr bei uns da schön was verdient. So gut wie der hat's net leicht einer verstanden, wie man die Marterln macht, die Votivitaferln und die Heiligen an die Häuser. Von der ganzen Gegend hat er die Kundschaft kriegt und is gut zahlt worden, acht Gulden für a Marterl, zwölfe für an ganzen Heiligen. Freilich, diemal hat er seine narrischen Zeiten ghabt und hat wochenlang bloß für ihm selber gmalen. Da hat er Sachen gmacht, auf die der Herr Pfarr net gut zum reden war. Und ich muß selber sagen – ich bin keiner von die Mucker, die meinen, es müßt alles zuknöpfelt sein bis zum Nasenspitzl – aber da hat er vor drei, vier Jahr so an Endstrumm Tafel gmalen: die Versuchung Christi – und da hat er a Frauenzimmer vor unsern Heiland hingstellt – Kreuzsakra, die hätt a Gwandl brauchen können! Und so was hängt er mitten in d' Wohnstuben eini, daß 's jeder Mensch gleich sehen hat müssen. Was sagen S' jetzt zu so was, Duhrlaucht?«

      Ettingen schwieg.

      »Aber da is der Pfarr eingruckt über ihn! Da hat's in dem stillen Häuserl a hitzigs Stündl geben! Z'erst is der Herr Petri grob worden. Und 's Grobsein, dös hat er doch sonst net in der Manier ghabt, is allweil a guter, freundschäftlicher Patron gwesen. Aber selbigsmal hätt er den Pfarr bald zur Tür aussigworfen. Der hat aber net auslassen und hat ihm androht, daß er ihn aussidruckt zum Dorf, wann dös Bild net wegkommt. Da müssen dem Herrn Petri doch die Grausbirn aufgstiegen sein. Gahlings hat er 's Gsicht in d' Händ einidruckt und hat zum weinen angfangen.«

      In Gedanken nickte Ettingen vor sich hin, als verstände er diese Tränen und die zerbrochene Seele, aus der sie geflossen waren. »Und das Bild?«

      »Dös is verschwunden. Was er angstellt hat damit, dös weiß ich net. Gsehen hab ich's nimmer derzeit. Und a Glück war's für'n Herrn Petri, daß er selbigsmal in der Feuerkapellen den schönen heiligen Laurenzi am Bratspieß gmalen hat, dem aus'm Göscherl raus a Bandl geht, wo draufgeschrieben is, was der Heilige im Martyri gsagt hat zu die Schindersknecht: ›Schüret das Feuer noch heißer, es brennt mich nicht, denn mir ist kühl!‹ Ja, der schöne Laurenzi, der hat den Pfarr wieder ausgsöhnt. Aber wissen S', Duhrlaucht – der Pfarr hat mir's selber gesagt – dös unschenierte Frauenzimmer hätt ihn noch gar net amal so arg verdrossen. Was den Pfarr am schiechsten g'ärgert hat, dös war der Teifel. Der is viel schöner gmalen gwesen als wie der Heiland. Und dös geht ja doch net, daß eim der höllische Versucher besser gfallt als wie der Herrgott. Na, na! Der Herr Petri wär gscheiter bei seine Heiligen blieben. Auf die hat er sich verstanden. Schauen S', Duhrlaucht, da kommt grad so a Haus, dös er gmalen hat!«

      Ein großer Bauernhof trat mit der fensterreichen Giebelfront an die Straße vor. Bis unter das Dach war die Wand mit Darstellungen aus dem Leben der heiligen Maria geschmückt.

      Ettingen mußte etwas anderes erwartet haben, als es hier zu sehen gab; der erste Blick auf die bunte Bilderei enttäuschte ihn so sehr, daß er schweigend den Kopf schüttelte. Diese Heiligen mit ihren blauen und grünen Mänteln, mit ihren roten Gesichtern und schwefelgelben Strahlenkronen, mit ihren eckigen Bewegungen und grellen Farben unterschieden sich wenig von den handwerksmäßigen Malereien, die in den Gebirgsdörfern zahlreich auf den Wänden der Häuser zu finden sind. Hatte der Künstler seine Sache nicht besser verstanden? War er von jenen Unglücklichen einer, die zum Schaffen allen Willen haben, und denen nur eines fehlt: die Kraft? Hatte er sich, ein schwärmerischer Stümper, in die Rolle des verkannten Genies hineingeredet, für dessen Geisteshöhe und Seelentiefe der »Unverstand des Pöbels« zu kurze Augen hat – eine Rolle, in der ihn alle verlachten, zwei Menschen ausgenommen: die Frau, die in ihm den Gatten liebte, und das Kind, das in ihm den Vater vergötterte?

      Während Ettingen in Gedanken diese Fragen stellte, fiel seinem Blick ein nebensächliches Detail auf, das ihn fesselte: ein kleines, stilisiert geflecktes, drolliges Hündchen, das die flüchtende Maria am Mantel zurückhalten will – ein Hündchen von einer Rasse, die der Natur nicht eingefallen war, nur der spielenden Laune einer krausen Künstlerphantasie. Und wie dieses unmögliche Tierchen lebte! Wie es die Füße zornig in den Sand stemmte! Wie es an dem Mantel zerrte, als ob es sagen wollte: »Du heilige Frau, wenn auch die Menschen dich verkannten, ich, das Tier, ich fühle, wer du bist, und möchte dich bitten, dich zwingen: bleib!«

      Und dort das kosende Taubenpaar! Oder waren es weiße Raben? Wie natürlich ihre Schwingen sich bewegten! Mit wie zärtlichem Leben sie sich aneinanderschmiegten! Und jener Star? Oder war's ein Spatz, der in die Tinte gefallen? Wie er wütend eine Blumenknospe der Girlande zerzauste, die sich in sonderbaren Schlangenwindungen um alle figuralen Szenen ringelte! Das waren Blätter von seltsamer Form, Blumen von merkwürdiger Farbe und wunderlicher Gestalt – Blumen, die sich ansahen wie werdende Vögel und Schmetterlinge –, und dennoch waren es Blumen, die auf gesunder Erde gewachsen und nicht nur zu blühen, auch zu duften schienen.

      Wer dieses naiv gedankenvolle, so unwirkliche und doch so lebendig berührende Beiwerk schaffen konnte, mußte auch die künstlerische Kraft besessen haben, um die Gestalten dieser Heiligen leben und sprechen zu machen. Und wenn er sich selbst verleugnet und diesen schreienden Unwert gepinselt hatte, weshalb tat er es? Weil er sich nach dem Geschmack der Besteller richten mußte, um zu verdienen? Oder weil er in Selbstironie sich sagte: »Jene anderen, die mich verstießen, mußten nehmen, was ich zu geben hatte – euch aber, ihr Einfältigen des Geistes, will ich geben, was ihr verlangt von mir!« Ob nun das eine oder das andere der Fall war – die Arbeit, die der weltflüchtige Künstler auf der Wand dieses Bauernhauses geleistet hatte, mußte ein Martyrium gewesen sein.

      Je länger Ettingen die grellen Schildereien und ihr schönes Beiwerk betrachtete, desto deutlicher erwachte in seiner Erinnerung jedes Wort, das er draußen am Sebensee gehört hatte. Und aus dem Anblick dieser Farben floß eine Stimmung auf ihn über, die er empfand wie einen Schmerz. Er wandte sich ab und folgte schweigend der Straße.

      Der Förster musterte das nachdenkliche Gesicht seines Herrn. »Mir scheint, Duhrlaucht, die Heiligen haben Ihnen net gefallen?«

      Da lächelte Ettingen wieder. »Sie gefallen doch dem Pfarrer und gewiß auch dem Bauer, der sie bezahlte. Da sind sie wohl so, wie sie sein müssen. Aber sagen Sie, lieber Förster – der Teifel auf jenem Bilde war so schön, daß er den Pfarrer ärgerte?«

      »Ja! A bißl a verruckts Frauenzimmer hätte sich in so an Satanas über Hals und Kopf verlieben können!«

      »Sie sind doch ein guter Christ?«

      »Ich?« der Förster war über diese Frage ganz verblüfft. »No ja, es tut's! Der Mensch is a schwachs Röhrl. Aber gar so leicht laß ich mich net biegen von der Sünd, und mit Wissen tu ich nix Unrechts.«

      »Wenn nun der Teufel erschiene, um Sie zu versuchen?«

      »Mar und Joseph! Duhrlaucht! Malen S' ihn net an d' Wand!«

      »Und er käme, wie ihn der Pfarrer von der Kanzel herab den Bauern schildert: mit schwarzer Kaminfegerfratze und langer Zunge, mit Ziegenhörnern, Kuhschweif und Pferdefüßen? Würden Sie sich von dem verführen lassen?«

      »Na, Duhrlaucht! Da möcht ich gschwind sagen: ›Pfui Teufel, fahr ab, du!‹«

      »Nun also? Muß denn die Versuchung nicht schön sein, wenn sie uns gewinnen will? Zu unterlassen, was wir selbst für abscheulich halten, das ist doch kein Verdienst. Wenn wir uns einer Sünde in die Arme werfen, welche Entschuldigung hätten wir denn, wenn nicht die eine: daß die Sünde schön war?« Ettingens Stimme bebte, als hätten seine Worte noch einen anderen


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