Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge


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Videothek, den darfst du angucken. Aber Derrick und alle anderen Sendungen, die nach zwanig Uhr laufen, sind gestrichen.«

      »Mama«, Sandra kam näher und schmiegte ihre Wange an Nathalies Schulter. »Wenn du ausgehst, darf ich dann auch mal weggehen?« Nathalie öffnete die Lippen zum Protest, aber Sandra sprach rasch weiter. »Bitte, bitte, Mutsch, Mutschilein, ich bin auch ganz bestimmt pünktlich zu Hause. Aber im Planet läuft morgen abend eine Big-Rave-Party. Alle meine Freundinnen gehen hin. Bitte, Mutsch, laß mich auch.«

      Nathalie begann der Kopf zu schwirren. Es war gar nicht so einfach, sich mal für ein paar Stunden von der Familie abzusetzen.

      »Schluß«, bestimmte sie schließlich. »Wir reden nachher über alles. Jetzt mache ich erst einmal Abendessen. Regina, wie ist es, magst du mitessen?«

      Regina lehnte dankend ab. Ihr Mann Tom würde in einer Stunde nach Hause kommen und hungrig wie ein Löwe nach seinem Schnitzel verlangen.

      »Es wird Zeit, daß ich mich darum kümmere.« Sie schmatzte Steffi noch einen dicken Kuß auf die Wange, winkte Sandra und Nathalie zu und verließ das Wohnzimmer.

      Sandra sah ihr sehnsüchtig hinterher.

      »Das müßte meine Mutter sein«, bemerkte sie mit einem lauernden Seitenblick auf Nathalie, die sich anschickte, das Chaos im Raum einzusammeln. »Regina würde mir bestimmt erlauben, in die Disco zu gehen.«

      »Ich erlaube dir, den Tisch zu decken«, versetzte Nathalie ungerührt und drückte Sandra einen Stoß Jugendhefte in die Arme. »Und ich erlaube dir, ganz alleine und ohne genauere Anweisungen diese Zeitungen auf dein Zimmer zu tragen. Ende der Diskussion.«

      Ärgerlich vor sich hinmaulend schlurfte Sandra davon.

      *

      Nathalie schlief schlecht in dieser Nacht. Immer wieder mußte sie an Clemens Hochdahl denken, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, dann stand sein Bild vor ihr. Sein Gesicht mit den markanten, männlichen Zügen, das Lächeln, das stets in den Mundwinkeln lauerte, der Blick seiner dunklen, unergründlichen Augen, all das hatte sich bereits in ihre Erinnerungen geprägt.

      Die Gefühle, die er in ihr geweckt hatte, verwirrten sie. Damals, als Werner und sie noch glücklich miteinander gewesen waren, hatte sie sich nicht mal im Traum vorstellen können, einen anderen Mann lieben zu können.

      Werner war ihr Traumprinz gewesen. Sie hatte ihn wirklich von ganzem Herzen geliebt. Als er sich entschloß, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen, hatte sie sich kopfüber in die Arbeit gestürzt. Mehrere Jahre war sie als seine »rechte Hand« im Betrieb tätig gewesen, hatte sich um die Kinder und den Haushalt gekümmert und versucht, allen und allem gerecht zu werden.

      Sie hatte es trotzdem nicht verhindern können, daß ihre Beziehung zu bröckeln begann. Um ihre Ehe zu retten, hatte Nathalie sich schließlich aus dem Betrieb zurückgezogen. Es war auch nicht mehr nötig, daß sie sich ständig darum kümmerte. Werner beschäftigte indessen mehrere Angestellte, die die vielfältigen Aufgaben übernehmen konnten.

      Zuerst hatte Nathalie die Zeit, die ihr nun zur Verfügung stand, sehr genossen. Endlich konnte sie mit den Kindern all die Dinge unternehmen, auf die sie früher wegen ihrer Berufstätigkeit verzichten mußten. Aber Werner entglitt ihr mehr und mehr. Er kam immer später nach Hause, war beruflich viel unterwegs, und wenn er einmal ein Wochenende daheim verbrachte, dann war er gereizt, die Kinder gingen ihm auf die Nerven, und er wollte einfach nur seine Ruhe haben.

      Irgendwann hatten sie sich zusammengesetzt und über ihre Probleme geredet. Immer wieder hatte Werner beteuert, daß er bei seiner Familie bleiben wollte, nicht daran dachte, sich scheiden zu lassen.

      Sie hatten die Kinder zu Nathalies Mutter nach Frankfurt gebracht und waren zusammen nach Lanzarote geflogen. Dort, in der locker-heiteren Urlaubsatmosphäre, war ihre Liebe neu erwacht. Alles schien wieder gut zu sein, Nathalie schöpfte Hoffnung.

      Aber dann, kurz nach ihrer Rückkehr, hatte sie begonnen, sich unwohl zu fühlen. Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie erneut schwanger war, hatte Nathalie sich riesig gefreut. Daß Baby sollte ihre neue Liebe besiegeln, so dachte sie, naiv wie sie damals war.

      Werner hatte die selige Stimmung dann sofort zunichte gemacht. Er wollte kein weiteres Kind, hatte er seiner Frau erbost mitgeteilt. O Gott, Nathalie schauderte heute noch, wenn sie sich an die Szene erinnerte, die Werner ihr damals gemacht hatte. Er war so wütend gewesen, daß er für mehrere Wochen ins Hotel zog und sich weigerte, mit ihr zu sprechen.

      Er war zurückgekommen, aber er hatte sich nie ganz mit Steffis Geburt abfinden können. Der mühsam gekittete Riß zwischen den Eheleuten wurde zur Kluft, die Werner unter keinen Umständen überbrücken wollte. Und dann hatte Nathalie eines Tages diesen Brief in seiner Hosentasche gefunden.

      Wener hatte sich nicht die Mühe gemacht zu leugnen. Er hatte sofort alles zugegeben. Ja, das Verhältnis bestand seit zwei Jahren. Nein, er wollte nicht länger bei Nathalie bleiben. Marlies sei seine große Liebe. Mit ihr wollte er noch einmal ganz von vorne anfangen und alles anders machen als zuvor.

      Er war noch am selben Tag ausgezogen.

      Nathalie hatte die Trennung trotz aller Widrigkeiten, die zwischen ihnen standen, unheimlich geschmerzt. Aus dem Schmerz war Wut und schließlich eine Art Resignation geworden, mit der sie einigermaßen leben konnte. Daß das Leben weiterging, auch ohne Werner, davon war sie indessen überzeugt. Sie hatte neue Kräfte aufgebaut, war nicht mehr verletzt und gedemütigt. Aber daß sie sich noch einmal verlieben würde, das hatte sie sich bis vor wenigen Stunden nicht vorstellen können.

      Und jetzt war es passiert!

      Sie war verliebt wie ein Teenager. Die Freude auf das Wiedersehen ließ sie nicht schlafen, genauso wie die Frage, wie es weitergehen sollte. Würde sich ein Mann wie Clemens Hochdahl mit einer ganzen Familie abfinden können? Nathalie konnte es sich nicht vorstellen, je länger sie darüber nachdachte.

      Himmel, du willst ihn ja nicht gleich heiraten! rief Nathalie sich zur Ordnung. Erstens bist du noch verheiratet und zweitens – ja sag’ mal, bist du denn von allen guten Geistern verlassen, überhaupt an so was zu denken? Du bist achtunddreißig, hast drei Kinder, eine gescheiterte Ehe hinter dir und da schwelgst du vor dich hin wie eine Siebzehnjährige. Nimm Vernunft an, altes Mädchen. Der Mann will nur mit dir ins Kino.

      Aber vielleicht wird ja mehr draus, wagte die Stimme der Hoffnung einzuwenden. Dieses dumme Ding wollte einfach nicht schweigen. Bloß weil du achtunddreißig bist und drei Kinder hast, muß doch nicht alles vorbei sein.

      Sagt ja auch niemand, es warten bestimmt noch schöne Dinge auf dich aber für eine neue Liebe bist du noch lange nicht bereit.

      Blödsinn! schimpfte das andere Stimmchen und dann stritten sich die beiden, so daß Nathalie den Gedanken an Schlaf aufgeben mußte.

      Sie erhob sich und ging in die Küche hinunter, um sich eine Tasse heiße Milch zuzubereiten. Dann saß sie am Küchentisch, rauchte eine Zigarette nach der anderen und dachte an Clemens.

      Als die ersten, zarten Sonnenstrahlen über den Horizont krochen, war Nathalie, den Kopf auf den Tisch gelegt, endlich über ihren Grübeleien eingeschlafen.

      *

      »Wie ist es, bist du heute abend nun mit von der Partie oder nicht?« Maggy – eigentlich hieß sie Margarete, was sie ihren Eltern nie verzeihen würde – stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor Sandra und sah sie auffordernd an. »Mann, du mußt schon wissen, was du willst. Wenn du wie ein Baby um zehn ins Körbchen mußt, wirst du nie Karriere machen.«

      Sandra zog unangenehm berührt die Schultern hoch. Sie hatte Nathalie gestern mit Engelszungen beschwatzt, sie doch zu dieser Rave-Party gehen zu lassen. Aber Natty war der hoffnungslos altmodischen Ansicht, daß eine Vierzehnjährige nach zehn Uhr abends nichts mehr in der Disco zu suchen habe.

      »Du weißt genau, daß ich bei Privatpartys nicht auf die Uhr schaue«, hatte Nathalie argumentiert. »Und wenn du nachmittags oder abends, von acht bis zehn, sagen wir mal, in die Disco willst, habe


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