Slayer - Warrior Lover 13. Inka Loreen Minden
Читать онлайн книгу.Sofort kroch sie in die Ecke und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand, weil sie befürchtete, er würde jetzt einfordern, was er in der Arena nicht vollzogen hatte – doch er näherte sich ihr nicht weiter. Stattdessen hörte sie, wie er sich ein paar Schritte entfernte, dann polterte es ordentlich, sodass der Holzboden bebte, und … es herrschte absolute Stille. War er irgendwo dagegen gerannt? Hatte er ihr Heim verlassen?
»Slayer?«, wisperte sie. »Bist du noch da?«
Mary hörte nur das Herz in ihren Ohren pochen. Durch die offene Tür drang kein Mondlicht, weshalb sie nicht einmal die Hand vor Augen sah, als sie sich an der Wand bis zum Esstisch vortastete, um dort mit einem Streichholz eine Kerze zu entzünden. Auf der Platte stand noch ihr gläserner Wasserkrug von vorgestern, als sie das Haus verlassen hatte. Mary setzte ihn an ihre Lippen und trank gierig mehrere Schlucke, bis sich ihr Magen schmerzhaft verkrampfte. Sie hatte im Gefängnis nichts zu trinken bekommen und ihre Kehle war schon ganz trocken gewesen.
Ihre Hände zitterten, als sie den Krug abstellte – dann drehte sie sich um und stieß einen kleinen Schrei aus. Slayer lag reglos vor dem Kamin in der Mitte des Hauses auf dem Bauch.
Sofort donnerte ihr Herz wieder mit voller Wucht los. War er tot?
Sie nahm die Kerze und näherte sich langsam der riesigen Gestalt auf dem Boden, Schritt für Schritt, aber Slayer rührte sich nicht und schien auch nicht zu atmen. Leider konnte sie sein Gesicht nicht sehen, denn seine dichten Haarsträhnen lagen darüber. Als Mary direkt neben ihm stand, erkannte sie drei Einschusslöcher an seinem Rücken und eine Schusswunde am Oberarm, die jedoch alle nicht mehr bluteten.
»Hallo?« Mit ihrem Fuß stupste sie vorsichtig gegen seinen Unterschenkel, und als Slayer leise, aber bedrohlich knurrte, machte sie einen Satz zurück und hätte beinahe die Kerze fallen gelassen.
Ihr Herz raste schon wieder. Ein paar Sekunden lang stand sie einfach nur reglos da und lauschte, ob er noch atmete, beobachtete, ob er sich bewegte. Erneut tat sich nichts.
Sie spielte mit dem Gedanken, wegzulaufen, doch ihn derart hilflos am Boden liegen zu sehen, berührte etwas in ihrem Herzen. Sollte sie ins Dorf laufen, um Hilfe zu suchen?
Nein, das wäre gerade die dümmste Idee überhaupt … Die Leute dort würden Slayer töten.
Mary überlegte. Auch wenn er ein Biest war, hatte er sie gerettet. Nun musste sie ihn retten.
Da sie keine Blutpfütze auf dem Boden sah, verschaffte ihr das etwas Zeit. Schnell entzündete sie mit der Kerze das Holz im Kamin, nahm ihren Eimer, der neben der Tür stand, und ging zum Brunnen. Sie band den Eimer dort an dem Seil fest, um ihn herunterzulassen und Wasser zu schöpfen. Mit dem vollen Gefäß kehrte sie zurück, schob von innen den dicken Holzriegel vor die Tür, da ja nun ihr Schloss kaputt war, und schüttete anschließend etwas Wasser in ihren alten Kessel. Diesen hängte sie ans Feuer. Danach holte sie ein sauberes Leinentuch aus dem Regal – es war ihr Ersatzbettlaken – und riss es in Streifen. Zuerst verband sie damit ihren Arm, weil die winzige Wunde durch ihre Bewegungen leicht blutete. Anschließend hockte sie sich neben Slayer, um im Schein des Kaminfeuers seine Wunden am Rücken zu betrachten. Der Schnitt an seinem Hals war bereits leicht verkrustet. Dort hatte er sich wohl sein Implantat herausgeholt. Hier musste sie nichts machen.
Zwei Kugeln waren in seine Schulter gedrungen und schienen im Knochen zu stecken. Darum würde sie sich später kümmern. Am meisten Sorge bereitete ihr das Einschussloch in seiner Nierengegend und der Durchschuss an seinem Oberarm. Aber auch diese Wunden bluteten nicht mehr, sondern nässten nur leicht.
Während Mary wartete, bis das Wasser kochte, knabberte sie an einer harten Scheibe Brot und strich Slayer die verfilzten Haare aus dem Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und die Lippen leicht geöffnet. Seine Fänge blitzten jedoch nicht hervor. Auch die Krallen an seinen Fingern waren verschwunden! Stattdessen fand Mary dort fast ganz normale Nägel vor. Doch wenn sie genau hinsah, erkannte sie die Klauen, die sich darunter verbargen. Slayer hatte sie lediglich eingezogen, genau wie die Krallen an seinen Zehen. Nun sah er beinahe wie ein normaler Mann aus. Ob sich unter seinem Bart und dem Gestrüpp auf seinem Kopf tatsächlich ein Mensch verbarg?
Als das Wasser endlich kochte, tauchte Mary mehrere saubere Stoffstreifen ein. Damit reinigte sie zuerst alle Wundränder und wischte auch das getrocknete Blut von Slayers breitem Rücken.
Den Durchschuss am Oberarm konnte sie sofort verbinden; als Nächstes widmete sie sich den zwei Kugeln, die nebeneinander in seinem Schulterblatt steckten. Mary warf ihre Pinzette in den heißen Wasserkessel und wartete eine Minute, bevor sie diese mit einer Zange herausholte. Alle Keime darauf würden nun hoffentlich abgetötet sein. Die Pinzette stammte noch von ihrer Mutter, die sich damit die Augenbrauen gerupft hatte – oder Vater einmal sogar mehrere Schrotkugeln aus dem Gesäß geholt hatte, als er aus Versehen von einem Dorfbewohner angeschossen worden war.
Mary bekam die beiden Kugeln auch relativ schnell zu fassen, säuberte die Wunde erneut und drückte dann frische, zusammengefaltete Leinenstreifen darauf, um die leichte Blutung zu stoppen. Es wunderte sie, warum Slayer nicht mehr blutete.
Nun blieb noch die Kugel übrig, die in seiner Taille steckte. Oder war sie vielleicht auch durchgegangen?
Mary schob eine Hand seitlich unter Slayers Bauch, um zu ertasten, ob es dort eine Austrittswunde gab. Als sie außer harten Muskeln nichts spürte, versuchte sie, Slayer auf die gesunde Seite zu drehen. Doch er lag auf dem Boden wie ein Felsen! War er gestorben?
Während sie an ihm zog, vibrierte ein neues Knurren in seiner Kehle – und sie wich sofort zurück.
»Was tust du da?«, fragte er leise mit rauer Stimme.
»I-ich kümmere mich um deine Wunden.« Er lebte also noch. »Kannst du dich bitte auf die gesunde Seite legen?«
Seine Arme zuckten und die Muskeln an seinem Rücken spannten sich an, bevor er sich mühsam halb herum drehte und schwer atmend liegen blieb. Seine Lebensgeister schienen wieder ein bisschen zurückgekehrt zu sein, denn er blickte sie aus glasigen Augen an. Sie waren nicht mehr geschlitzt und gelb, sondern schimmerten im Schein des Feuers goldbraun. Diese Farbe hatte sie bereits kurz in der Arena bei ihm gesehen. Seine Iris war wirklich wunderschön. Sie strahlte Wärme aus und Güte. Doch sie durfte sich nicht täuschen lassen! Vor ihr lag ein mörderisches Biest.
Vorsichtig kniete sie sich wieder zu ihm, um seinen steinharten Bauch zu begutachten. Jeder einzelne Muskel war ganz genau zu erkennen, Slayer schien kein Gramm Fett zu besitzen.
»Hast du nicht genug zu essen bekommen?«, fragte sie, weil er nicht nur einen verwahrlosten Eindruck auf sie machte, sondern – trotz all der Muskeln – unterernährt wirkte. Normalerweise könnte ein Mann, der hungerte, nie so viele Muskeln haben! Doch das war kein normaler Mann. Womöglich besaß Slayer einfach einen anderen Körperbau.
Nicht menschlich … Ein Monster, hallte durch ihren Kopf, aber sie verdrängte die warnende Stimme sofort. Im Moment konnte sich Slayer kaum bewegen und ihr auch nichts tun.
Auf ihre Frage erntete sie nur ein Brummen, und sie wusste nicht, ob es bedeutete: Ja, ich habe nicht genug zu essen bekommen, oder: Lass mich in Ruhe.
Wahrscheinlich beides.
Dennoch tastete sie unbeirrt seinen Bauch an der Stelle ab, an der die Kugel hätte austreten müssen. Dort war aber nur ein Bluterguss zu erkennen. Mist! »Die Kugel steckt noch in dir.«
»Hast du keinen Strom? Keinen Wundlaser?«, fragte er müde.
»Nein.« Sie wusste nicht einmal, was ein Wundlaser war. Sie lebte hier draußen wie früher die Menschen im Mittelalter, während das »Volk« im Bunker des Königs im futuristischen Luxus schwelgen durfte. Aus diesem Grund zog es auch so viele aus ihrem Dorf zum Arbeiten unter die Erde. Dort fehlte es an nichts. Mary hatte dort zwar einiges über moderne Technik erfahren, aber alles wusste sie auch nicht.
Ein wenig verzweifelt schaute sie zu Slayer herab. Er würde sterben, wenn die Kugel in ihm blieb. Es könnte zu einer Infektion kommen. »Was soll ich jetzt tun?«
Als er nichts erwiderte und