DAS HERZ-SUTRA. Osho

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DAS HERZ-SUTRA - Osho


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      Das Höchste, was der Intellekt tun kann, ist, Selbstmord zu begehen; das Größte, das größte Crescendo, das dem Intellekt begegnen kann, ist, über sich selbst hinauszuwachsen. Und genau das hat Nagarjuna getan. Er hat alle Bereiche des Intellekts durchwandert – und überschreitet die Grenze.

      Die logischen Positivisten sagen, das Wort „nichts“ sei nur die Verallgemeinerung von lauter Einzelbeispielen negativer Aussagen, von Negierungen … etwa wie: „dies ist nicht süß; ich bin nicht gesund; ich war nicht da; er mochte mich nicht“ und so weiter. Solche Aussagen enthalten keine Substanz – sagen die logischen Positivisten.

      Buddha ist da anderer Meinung. Nagarjuna ist anderer Meinung. Martin Heidegger, einer der scharfsinnigsten Intellekte der Neuzeit, ist da anderer Meinung. Heidegger sagt, es gibt eine unmittelbare Nichts-Erfahrung, es ist nicht nur etwas rein sprachlich Erfundenes. Es gibt eine tatsächliche Erfahrung des Nichts, sie ist untrennbar mit dem Sein verknüpft. Die Erfahrung, die das untermauert, ist die des Grauens. Kierkegaard, der dänische Philosoph, fragt ebenfalls: „Was bewirkt das Nichts?“, und antwortet: „Es bewirkt Grauen.“

      „Das Nichts“ ist eine konkrete Erfahrung. Entweder kannst du ihm in tiefer Meditation begegnen oder wenn der Tod kommt. Tod und Meditation sind die zwei Möglichkeiten, es zu erfahren. Ja, manchmal kann man es auch in der Liebe erfahren. Wenn du dich in tiefer Liebe auflöst in jemandem, kannst du eine Art Nichts erfahren. Das ist es, warum Menschen Angst vor der Liebe haben – sie gehen nur bis zu einem bestimmten Punkt, dann kommt Panik, dann sind sie verschreckt. Darum sind nur sehr wenige Menschen orgasmisch geblieben. Der Orgasmus beschert euch nämlich eine Erfahrung des Nichts. Ihr verschwindet, ihr schmelzt in irgendetwas dahin, aber ihr wisst nicht, was es ist. Ihr geratet ins Undefinierbare – Avyakrit. Ihr verlasst das Gesellschaftliche. Ihr fallt in eine Vereinigung, wo keine Trennung mehr gilt, wo Ego nicht existiert. Und das macht Angst, denn es ist wie der Tod. Es ist also eine Erfahrung.

      Entweder in der Liebe – was die Leute zu meiden gelernt haben … Wie viele Leute verzehren sich nicht ständig nach Liebe, zerstören aber aus dieser Angst vor dem Nichts jegliche Möglichkeit, dass sie kommen kann! Oder in tiefer Meditation, wenn das Denken stillsteht: Du siehst einfach, dass innen nichts ist, aber dies Nichts eine Präsenz hat, nicht einfach eine Abwesenheit von Denken ist, sondern eine Anwesenheit von etwas Unbekanntem, Mysteriösem, etwas Riesigem ist. Oder aber im Tod – wenn du wach dabei bleibst. Die Leute sterben meist in Unbewusstheit. Aus ihrer Angst vor dem Nichts werden sie unbewusst. Wenn du bewusst stirbst … Und du kannst nur dann bewusst sterben, wenn du das Phänomen des Todes akzeptierst; aber dazu muss man sein Leben lang lernen, muss sich vorbereiten. Man muss lieben können, um zum Sterben bereit zu sein, und man muss meditieren können, um zum Sterben bereit zu sein. Nur ein Mensch, der geliebt und meditiert hat, wird bewusst sterben können. Und wenn du einmal bewusst stirbst, dann brauchst du nicht wieder zurückzukehren, weil du die Lektion des Lebens gelernt hast. Dann löst du dich im Ganzen auf: Das heißt Nirvana.

      Die logischen Positivisten erscheinen sehr logisch, aber sie übersehen etwas – weil die Wirklichkeit sehr viel mehr ist als Logik. In der gewöhnlichen Erfahrung kommen wir nicht über Logik hinaus. Sie sagen: „Dieser Sessel ist da. Nehmt ihn weg, und ihr werdet sagen, es ist kein Sessel da. Also wird damit eine bloße Abwesenheit bezeichnet. Der Sessel ist fortgenommen worden.“ Dies sind gewöhnliche Beispiele für „nichts“ – einst war hier ein Haus, dann wurde es abgerissen, jetzt ist es nicht da. „Nicht da“ bezeichnet nur eine Abwesenheit.

      Aber es gibt Formen des Nichts, tief in eurem Sein, mitten im Kern … Im genauen Kern des Lebens existiert der Tod. Der Tod ist das Auge des Zyklons. In der Liebe kommt ihr ihm nahe, in der Meditation kommt ihr ihm nahe, im körperlichen Tod kommt ihr ihm ebenfalls nahe. Im Tiefschlaf, wenn die Träume verschwinden, kommt ihr ihm nahe. Es ist sehr lebensspendend, es ist lebensbestärkend. Ein Mensch, der nicht tief schlafen kann, wird krank werden, weil er nur im tiefen Schlaf, wenn er in seine tiefsten Tiefen hineinstirbt, wieder Leben, Energie, Vitalität schöpft. Am Morgen ist er wieder frisch und voller Saft und Kraft – pulsierend, wieder pulsierend. Lernt zu sterben! Das ist die größte Kunst, die es zu lernen gilt, das größte Know-how.

      Heidegger sagt … Sein Standpunkt kommt demjenigen Buddhas sehr nahe, aber seine Sprache ist sehr modern. Das ist der Grund, warum ich ihn hier zitiere: „Jedes Sein, insofern es ein Sein ist, besteht aus nichts.“ Es gibt dazu auch eine parallele christliche Doktrin, wenn auch sehr gemieden – denn die christlichen Theologen können nichts damit anfangen, sie fühlen sich von ihr überfordert: nämlich die Doktrin der creatio ex nihilo – dass die Schöpfung aus dem Nichts kommt.

      Fragt ihr den modernen Physiker, wird er Buddha recht geben: Je tiefer man in die Materie eindringt, desto mehr löst sich alles auf. Es kommt der Moment – wenn man das Atom spaltet –, wo die Dinglichkeit vollends verschwindet. Dann gibt es noch Elektronen, aber das sind keine Dinge mehr, sondern Nichtse. Es ist sehr schwierig zu verstehen. Aber die Physik, die moderne Physik, ist der Metaphysik sehr nahe gekommen – weil sie mit jedem Tag der Wirklichkeit immer näher kommt. Sie nimmt ihren Weg durch die Materie, aber kommt beim Nichts an. Ihr wisst, es gibt in der modernen Physik keine Materie mehr.

      Materie ist nur eine Illusion: Sie scheint nur da zu sein, ist es aber nicht. Ihre ganze Solidität, ihre ganze Stofflichkeit – alles nur Illusion, nichts ist stofflich, alles ist Fluxus und Energie. Die Materie ist nichts als Energie. Und je tiefer man in die Energie hineingeht, desto mehr ist Energie nicht ein Etwas, sondern ein Nicht-Etwas.

      Der Tod ist der Punkt, wo alles Wissen scheitert und wir offen werden für das Sein. Das ist auch seit Jahrhunderten die buddhistische Erfahrung. Buddha schickte seine Jünger, wenn jemand gestorben war, immer zum Zuschauen – sie sollten sich anschauen, wie die Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrennt: „Meditiert dort, meditiert über die Nichtigkeit des Lebens.“ Der Tod ist der Punkt, an dem alles Wissen scheitert, und wo das Wissen scheitert, scheitert der Verstand. Und wenn der Verstand scheitert, besteht eine Möglichkeit, dass die Wahrheit zu dir durchdringt. Aber die Leute wissen es nicht. Wenn jemand stirbt, wisst ihr nicht, was ihr tun sollt, werdet ihr sehr verlegen. Wenn jemand stirbt, ist das ein großartiger Moment zu meditieren.

      Ich denke immer, dass jede Stadt ein Sterbezentrum braucht. Wenn jemand stirbt und sein Tod ganz, ganz nah ist, sollte er ins Sterbezentrum gebracht werden. Es sollte ein kleiner Tempel sein, wo Menschen, die tief in Meditation gehen können, um den Sterbenden herumsitzen sollten, ihm helfen sollten zu sterben und an seinem Sein teilhaben sollten, wenn es ins Nichts übergeht. Wenn jemand sich ins Nichts auflöst, wird eine enorme Energie freigesetzt. Die Energie, die da war, die ihn umgab, wird freigesetzt. Wenn ihr in schweigendem Zustand um ihn herumsitzt, werdet ihr auf eine phantastische Reise gehen. Kein psychedelisches Mittel kann euch da hinbringen. Der Sterbende setzt auf natürlichem Wege eine enorme Energie frei. Wenn ihr diese Energie absorbieren könnt, werdet auch ihr quasi mit ihm sterben. Und ihr werdet das Höchste sehen – den Ursprung und das Ziel, den Anfang und das Ende.

      „Der Mensch ist dasjenige Wesen, durch das das Nichts in die Welt kommt“, sagt Jean-Paul Sartre. Bewusstsein ist nicht dieses oder jenes Objekt, es ist überhaupt kein Objekt. Aber es ist doch zumindest es selbst? „Nein“, sagt Sartre, „genau das ist es nicht. Bewusstsein ist nie identisch mit sich selbst. Daher ist das reflektierte Selbst, wenn ich über mich selbst reflektiere, etwas anderes als das reflektierende Selbst. Wenn ich versuche auszusprechen, was ich bin, scheitere ich, weil das, worüber ich spreche, während des Sprechens in die Vergangenheit entgleitet und zu dem wird, was ich war. Ich bin meine Vergangenheit und meine Zukunft, und dennoch bin ich nicht. Ich war das eine, und ich werde das andere sein. Aber in der Gegenwart ist da ein Nichts.“

      Wenn jemand dich fragt: „Wer bist du?“, was wirst du sagen? Entweder wirst du aus der Vergangenheit heraus antworten – die nicht mehr ist; oder du kannst aus der Zukunft heraus antworten – die noch nicht ist. Aber wer bist du genau in diesem Moment? – ein Niemand, ein Nichts. Dieses Nichts ist der wahre Kern, das Herz … das Herz deines Seins.

      Der Tod ist nicht die Axt, die den Baum des Lebens umhaut, sondern die Frucht, die an ihm heranwächst. Der Tod ist die eigentliche Substanz, aus der du gemacht bist. Das Nichts ist dein eigentliches Sein. Dringe zu diesem


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