Titain - Warrior Lover 15. Inka Loreen Minden
Читать онлайн книгу.so gewogen war, sollte sie es auch nicht weiter herausfordern. Sie durfte keine Spuren hinterlassen!
Zum Glück fand sie einen Verband, den sie schnell um seinen Unterarm wickelte. Mit dem Rest wischte sie den Boden auf. Den blutigen Stoff stopfte sie in eine Tasche ihres Overalls, den würde sie später irgendwo verschwinden lassen. Anschließend befahl sie Titain sanft: »Leg dich bitte auf die Liege. Ich werde dich jetzt untersuchen, weil ich wissen muss, ob du wirklich ein Mensch bist.«
Er gehorchte prompt und streckte sich auf der Liege aus. Zu gerne hätte Pearl ihn eine Weile angeschmachtet, schließlich trug er nur eine Unterhose, doch dazu hatte sie wirklich keine Zeit. Es könnte jeden Moment jemand hereinkommen – und was machte sie dann? In der Tat hatte sie sich keine Gedanken darüber gemacht. Sollte sie denjenigen etwa umbringen? Titain auf ihn hetzen? Würde er auf ihren Befehl hin so etwas Grausames überhaupt tun?
Hör auf zu denken, ermahnte sie sich wie so oft, begab sich zum Monitor und startete das Programm. Die Liege fuhr automatisch in die große Öffnung hinein und der Magnetresonanztomograf gab klickende Geräusche von sich. Auf dem Bildschirm würde Pearl bald sehen, wie es in Titains Körper aussah. Sie war keine Ärztin, aber sie hatte diese Geräte schon mehrmals warten müssen und wusste, wie sie funktionierten. Jeder Idiot konnte sie bedienen, jeder Schritt wurde im Programm genau erklärt, was auch der Sinn der Sache war. Denn sollte es hier einmal keinen Arzt mehr geben, mussten die Leute selbst klarkommen, beziehungsweise übernahmen dann die Maschinen alle wichtigen Aufgaben. Insofern war Pearls Job hier verdammt wichtig, denn falls die Geräte einmal versagten, egal ob die Wasseraufbereitung, die Sauerstoffversorgung oder die Energiegewinnung, wären hier unten schneller alle tot, als sie bis zehn zählen konnten. Deshalb gab es hier auch mehr als einen Wartungstechniker. Trotzdem war immer sie diejenige, die die wirklich gefährlichen Teile austauschen oder Koa hatte rausschicken müssen.
Sie durfte jetzt nicht an ihn denken, oder sie wäre gar nicht mehr bei klarem Verstand! Sie musste ihre Trauer für später aufheben.
Während Titain Stück für Stück in den Apparat gefahren wurde, fragte sie ihn mehrmals: »Fühlst du dich gut?«, und er antwortete jedes Mal mit »Ja«. Er wirkte auch völlig ruhig, zumindest atmete er nicht hektisch.
Als die ersten Bilder angezeigt wurden, stutzte Pearl. Seine inneren Organe sahen normal aus, wie bei einem Menschen, soweit sie das als Nicht-Medizinerin beurteilen konnte, aber … mit seinen Knochen stimmte etwas nicht. Sie wirkten auf den Bildern völlig schwarz, keine organische Struktur war zu erkennen, nichts Menschliches. Als würde jeder einzelne seiner Knochen aus Metall bestehen! Und diese rautenförmige Platte auf seiner Brust schien mit seinen Rippen verbunden zu sein. Ob sie sein Herz schützen sollte? Zumindest schlug hinter ihr eines. Ein echtes!
Sie versuchte, in die Tiefe zu gehen, um ins Innere eines Knochens zu »sehen«, doch das Bild »flackerte« und nur ganz kurz wurden organische Strukturen sichtbar. Wie seltsam!
Außerdem besaß er in beiden Unterarmen eine Art verlängerten Ellbogenschützer. Wenn er die Arme hob, gaben sie einen hervorragenden Verteidigungsschild ab. Diese Platten waren definitiv nicht auf natürlichem Weg dort hineingekommen. Doch … »Was ist nur mit seinen Knochen?«, murmelte sie.
Ja, er war ein Mensch – zwar modifiziert, aber definitiv kein Roboter! Sie wusste jetzt nur nicht, ob sie das erleichterte, weil sie mit ihrer Vermutung richtig gelegen hatte, oder noch trauriger machte. Denn wenn Titain ein Mensch war, waren Koa und die beiden anderen noch eingefrorenen »Androiden« ebenfalls keine Roboter.
Überleg, Pearl, was jetzt?
Zuerst mussten sie hier raus. Hastig löschte sie sämtliche Aufzeichnungen und fuhr den Magnetresonanztomografen herunter. Was sollte sie nun mit Titain machen? Sie konnte ihn unmöglich in diesem Stadium lassen! Doch wie sollte sie seine Steuerung ausschalten? Die Geräte dazu befanden sich in dem streng bewachten Rau…
Als er plötzlich dicht hinter ihr in einem düsteren Tonfall sagte: »Meine Knochen wurden mit einer Speziallegierung überzogen«, wirbelte sie herum. Dort stand er, groß und bedrohlich, aber auch unglaublich attraktiv.
Wie war er ohne ihren Befehl aus dem Gerät gekommen? Und warum starrte er sie an, als würde er sie gleich auffressen wollen?
Kapitel 9 – Befreit
Titain konnte noch gar nicht fassen, dass er plötzlich volle Kontrolle über seinen Körper besaß. In einem Moment hatte er noch in diesem Röntgengerät gelegen, im nächsten hatte er sich bewegen können – ganz ohne Befehl. Er musste jetzt Ruhe bewahren, durfte nichts überstürzen! Jede falsche Entscheidung könnte ihn wieder zu einem willenlosen Sklaven machen.
»Hast du meine Steuerung deaktiviert?«, fragte er Pearl leise, während er die Hände hob, um sie vor seinem Gesicht zu Fäusten zu ballen. Es schien alles wie früher zu funktionieren, wie … sehr viel früher, in einem anderen Leben.
Pearl riss ihre außergewöhnlich schönen Augen auf. Die Farbe – ein goldgelbes Braun mit einem grauen Kreis um die Iris – erinnerte ihn an das schimmernde Fell einer Wildkatze. »Ich habe nichts deaktiviert«, wisperte sie und wich einen Schritt zurück. »Nicht absichtlich jedenfalls.«
Sofort nahm er die Arme herunter. Machte er ihr Angst?
»Die Warnung an dem Gerät … das starke Magnetfeld«, murmelte sie, wobei ihre Augen noch größer wurden. Dann lächelte sie zittrig. »Es muss die Steuerung deaktiviert haben!«
»Wird das eine Prüfung, Pearl?« Er trat wieder näher, sodass er sie fast berührte und ihm ihr unvergleichlich guter Duft in die Nase stieg. Verflucht, er konnte ihr kaum widerstehen! War es ihre Absicht, ihn zu verwirren? Spielte sie ein gemeines Spiel mit ihm? Hatten die Oberen sie ihm zugeteilt, um irgendwelche perversen Tests mit ihm durchzuführen? Ihre Fürsorge, ihre Freundlichkeit … hatte sie das gespielt, um ihn zu manipulieren? Fuck, er traute einfach niemandem mehr!
»Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass das passieren könnte!«, rief sie, und er roch ein wenig Furcht an ihr. »Wenn ich das schon früher gewusst hätte …« Plötzlich wirkte sie traurig. Verzweifelt. Sie schloss kurz die Lider und atmete zitternd aus. »Dann würde Koa jetzt vielleicht noch leben.«
Es hatte ihm nicht gefallen, wie sehr sie Koa zugetan war. Doch sein Tod hatte auch ihn entsetzt und er hatte Koa während des Haiangriffes wirklich helfen wollen. Schließlich kannten sie sich schon seit ihrer Ausbildung. »Er hat sein Ende selbst gewählt«, erklärte er Pearl und konnte es seinem ehemaligen Waffenbruder nicht verdenken.
»Was?« Schockiert starrte sie ihn an. »Du glaubst, er hat sich umgebracht?«
»Ich war zwar wie gelähmt«, knurrte er, »aber meine Sinne haben alle noch funktioniert.« Es hatte Koa unglaublich viel Willenskraft kosten müssen, gegen seine Steuerung anzukämpfen, doch der Wunsch nach einem schnellen Ende war sicher stärker gewesen.
»Aber … warum hat er das bloß getan?«
Sollte er es ihr erzählen?
Für einen Moment zögerte er, denn diese Frau war furchtbar neugierig und er hatte im Grunde keine Zeit, sich mit ihr abzugeben. Er wollte nur noch von hier weg! Doch er war ihr eine Erklärung schuldig, und sie wirkte ehrlich verzweifelt. Anscheinend hatte sie nicht gelogen, als sie ihm versprochen hatte, ihn von der Steuerung zu befreien – auch wenn sich ihr Versprechen eher zufällig erfüllt hatte. »Hawthorne hat ihn heute vor Schichtbeginn aufgesucht. Da Koas Kammer gleich neben meiner liegt und sie durch dasselbe Belüftungssystem verbunden sind, habe ich gehört, was er zu ihm gesagt hat.«
»Gehört?« Skeptisch runzelte sie die Stirn. »Niemand kann so gut hö…«
»Ich schon«, unterbrach er sie barsch und löste sich aus ihrer Nähe, oder sie würde ihn noch vollends um den Verstand bringen. Dabei gab es jetzt wirklich Wichtigeres als dieses Vollweib. Er musste hier raus oder er würde früher oder später wieder ihr Sklave sein!
In einem anderen Kontext würde er es sogar anregend finden, von ihr gesagt zu bekommen, was er tun, was er mit ihr anstellen