World Runner (1). Die Jäger. Thomas Thiemeyer

Читать онлайн книгу.

World Runner (1). Die Jäger - Thomas Thiemeyer


Скачать книгу
Locken und öffnete die Tür. Der Mann vor ihr trug einen roten Overall, auf dem in Türkis ein Firmensymbol prangte: SE. Der Kleintransporter, der auf ihrer Zufahrt stand, war ebenfalls rot.

      »Annika Siebert?«

      »Das bin ich, ja.«

      Der Mann hielt ein Gerät in der Hand, auf dem sich ein hell leuchtendes Display befand. War sie das auf dem Bild? Der Bote sah sie prüfend an, verglich sie mit dem Bild auf seinem Display und nickte dann.

      »Alles klar. Zweifelsfrei identifiziert. Hier ist deine Sendung.« Er drückte ihr ein schuhkartongroßes Päckchen in die Hand, das überraschend schwer war. »Wenn du mir den Erhalt bitte hier quittieren würdest?« Er hielt ihr das Gerät hin. Statt des Fotos befand sich dort jetzt ein Eingabefeld für Unterschriften. Annika nahm den Stift und unterzeichnete unsicher. »Von welchem Paketdienst sind Sie eigentlich?«

      Der Mann tippte auf das Emblem. »Stevenson-Enterprises.«

      »Nie gehört. Sind die neu?«

      »Speziallieferungen«, sagte er, als ob das irgendetwas erklären würde. Er deutete auf das Paket und grinste. »Viel Spaß damit.«

      Annika blickte ihm hinterher, bis er hinter den Bäumen verschwunden war. Sie schüttelte das Paket. Der Typ hatte ausgesehen, als wüsste er, was sich dadrin befand.

      Sie konnte sich nicht erinnern, irgendetwas bestellt zu haben. Auch der Aufkleber ließ keine Rückschlüsse zu. Als Absender stand da nur Stevenson-Enterprises. Annika runzelte die Stirn. Scheinbar war das gar kein normaler Paketdienst gewesen, sondern ein privater Firmenbote.

      Stevenson-Enterprises. Annika beschloss, das später mal zu googeln. Komisch auch, dass da nichts klapperte. Fühlte sich an wie ein einziger schwerer Gegenstand.

      Ihr war nicht ganz geheuer bei der Sache. Wer weiß, was dadrin ist, dachte sie etwas unbehaglich und versuchte, sich allzu wilde Spekulationen zu verkneifen.

      Auf dem Weg durchs Haus achtete Annika darauf, ihren Eltern aus dem Weg zu gehen. Was sie jetzt am wenigsten brauchen konnte, waren neugierige Fragen. Doch zum Glück telefonierte ihre Mama und ihr Papa war hinterm Haus mit dem Rasenmäher zugange.

      In ihrem Zimmer angekommen, schloss sie vorsichtshalber hinter sich ab. Dann startete sie den Laptop und klemmte sich hinter die Tastatur.

      Es dauerte nicht lange, bis sie die Website gefunden hatte. Stevenson-Enterprises – building a better tomorrow. Was auf der Seite zu lesen stand, beeindruckte Annika. Inhaberin des Konzerns war eine gewisse Shenmi Stevenson. Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln. Eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen der Welt. Ihr Konzern umfasste Firmen, die modern und zukunftsgerichtet waren. Eine Firma für den Bau moderner Roboter war dabei. Elektroautos, ein Raumfahrtunternehmen sowie …

      Annika stockte der Atem.

      Sie ging näher an den Bildschirm heran, um sicherzugehen, dass sie sich nicht irrte. Hier stand, dass GlobalGames ebenfalls zum Portfolio von Stevenson-Enterprises gehörte.

      Annikas Blick wanderte vom Bildschirm zum Paket. Täuschte sie sich oder sah es auf einmal anders aus? Es erschien größer als vorhin, bedeutungsvoller. Wie etwas, das seine Form nach Belieben verändern konnte. Es sah aus wie etwas, dass das Zeug hatte, ihre Welt gehörig auf den Kopf zu stellen.

      7

      Nimm Zwei«, murmelte Tim.

      Die Worte leuchteten in gelber Schrift vor dunkelblauem Hintergrund. Tim fokussierte sie, als könne er das Rätsel durch bloßes Anstarren lösen. Doch er bekam nur Kopfschmerzen.

      »Noch immer keine Idee?« Farid blickte ihn enttäuscht an.

      »Nö, du?«

      Kopfschütteln.

      Tim fühlte sich ausgelaugt. Es war Samstagmittag und er wäre am liebsten gleich wieder ins Bett gekrochen. Manchmal kam er sich richtig alt vor.

      »Ich habe das Rätsel bestimmt schon hundertmal durchgelesen«, sagte er. »Nicht der geringste Hinweis, was die beiden Worte bedeuten sollen. Ich bin echt am Ende mit meinem Latein.«

      »Zumal du kein Ass in Latein bist«, sagte Farid mit schiefem Grinsen. »Und in den Beschreibungen ist auch nichts zu finden?«

      Er bezog sich dabei auf die Userkommentare, die häufig unter den Rätseln zu finden waren. Kurze Texte von Runnern, die den Claim geborgen hatten und die manchmal kleine Tipps streuten. Tims größte Sorge war, dass Arrow oder irgendein anderer vor ihm das Rätsel gelöst hatte, weshalb er ständig auf der Internetseite nachschaute. Doch »Nimm Zwei« widerstand allen Bemühungen. Die Box war anscheinend immer noch ungeöffnet.

      »Nope.«

      »Hm.« Farid strich über sein Kinn. »Ich bin sicher, dass es weit weniger schwierig ist, als wir denken. Am besten fangen wir noch mal ganz von vorne an. Das Zahlenschloss hat vier Stellen sagst du?«

      »Vier Stellen und eine unvorstellbar große Anzahl von Möglichkeiten«, sagte Tim gereizt. »Ich habe das mal durchgerechnet. Es sind zehntausend Einstellungen. Vorausgesetzt, ich bin schnell und brauche für die nächste Einstellung nur zwei Sekunden, wären das weit über fünf Stunden. Und das, während ich unter einem Stahlträger hänge. Statistisch gesehen wird die Zahl irgendwo in der Mitte liegen …«

      »… was bedeutet, du würdest nur die halbe Zeit benötigen …«

      »… wofür es aber keine Garantie gibt«, sagte Tim. »Theoretisch könnte es auch die 9999 sein.«

      »Und die Box ist nur eine halbe Stunde aktiv …«

      »So ist es.« Tim seufzte. »Nur mit Ausprobieren werden wir das Ding nicht lösen. Außerdem steigt jeden Tag die Chance, dass ein anderer Runner uns zuvorkommt.« Tim ballte seine Hände. »Unser Vorsprung schrumpft immer weiter.«

      »Recht hast du«, sagte Farid. »Wenn wir das Rätsel heute nicht gelöst bekommen, dürfte es zu spät sein.«

      »Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Lösung direkt vor unserer Nase liegt.« Tim ließ seine Faust auf den Tisch krachen. »Ich könnte durchdrehen! Sakura ist wirklich ein Biest. Hätte sie es nicht ein bisschen einfacher machen können?«

      Farid grinste. »Nanu, ist es auf einmal nicht mehr die große Liebe?«

      »Sei bloß still …«

      In diesem Moment ging die Tür auf. Emily schaute besorgt in den Raum. »Was war denn das für ein Knall eben? Ist bei euch irgendwas runtergef…?« Als sie den Bildschirm sah, wurden ihre Augen groß. »Oh, ihr seid wieder beim Rätseln.«

      Rätseln, pah! Tim presste die Lippen aufeinander. Hätte er Emily doch nur niemals eingeweiht.

      »Raus mit dir«, befahl er barsch. »Und mach die Tür hinter dir zu.«

      Emily beachtete ihn gar nicht, sondern trat vor den Computer. Das Display spiegelte sich in ihren Augen. »Seid ihr schon weitergekommen?«

      »Nein.« Tim wich Farids fragendem Blick aus. »Wir sind gerade dabei, es zu lösen, und – falls du es nicht mitbekommen hast – du störst.«

      »Ich habe mir auch schon Gedanken gemacht, weißt du?«

      Hörte sie ihm überhaupt zu? Emily konnte erstaunlich taub sein, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte. »Eine Sache ist auffällig«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist.«

      »Was denn?« Tim wurde immer gereizter. Ausgeschlossen, dass sie etwas herausbekommen hatte. Sie kannte das Spiel doch überhaupt nicht.

      »Na, die Zwei.« Sie deutete auf den Monitor. »Für mich sieht das aus, als wäre es das Lösungswort.«

      »Blödsinn …«

      »Könnte doch sein. Nimm Zwei, steht da. Normalerweise wird zwei kleingeschrieben. Außerdem hast du gesagt, das Zahlenschloss hätte vier Ziffern. Das Wort Zwei hat vier Buchstaben. Na, was sagst du?«

      Tim


Скачать книгу