Der Marshal kommt: Goldene Western Sammelband 12 Romane. Frank Callahan

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Der Marshal kommt: Goldene Western Sammelband 12 Romane - Frank Callahan


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      Er sah ihre langen, dunklen und ziemlich verklebten Haare und ihre schlanke, hoch gewachsene Gestalt.

      Aber dann war ihm mit einem Mal, als sähe er eine Mähne roter Haare, dazu eine Gestalt, die klein, aber kräftig war …

      „Lynn …“, sagte er plötzlich laut und erschrak über seine eigene Stimme. Er presste die Lippen fest aufeinander, so als wollte er verhindern, dass noch etwas nach außen drang.

      „Ich heiße Jody“, sagte die Frau, ohne sich umzublicken.

      „Jody Lawton. Habe ich Ihnen das eigentlich schon gesagt, Mr. Nelson?“

      14

      Die Frau hatte aus den Wurzeln eine dünne Suppe gekocht, deren Geruch bald die kleine Wohnstube erfüllte.

      Nachdem sie den Tisch gedeckt hatte, ging sie zur Tür und rief den Jungen, der wenig später hereinkam.

      „Das ist Tom“, sagte die Frau. „Mein Sohn. Er hat Sie gefunden, Mr. Nelson.“

      „Oh, dann muss ich mich wohl bei dir bedanken, Tom“, erwiderte Nelson, wobei er den Jungen freundlich anlächelte.

      Der Junge lächelte zurück.

      Nelson sah, dass die Frau drei Teller auf den Tisch gestellt hatte, woraus er schloss, dass sie wahrscheinlich mit dem Jungen allein auf der Farm lebte. Aber er wollte sie nicht danach fragen.

      Nelson schlug die Decke zur Seite, die bislang über seinen Beinen gelegen hatte, und versuchte aufzustehen. Die Wunde an seiner Seite schmerzte dabei höllisch, während es mit der Schulter nicht so schlimm war. Er presste die Lippen angestrengt aufeinander und spürte seine Schwäche umso deutlicher, als er auf seinen wackligen Beinen stand. Mit zwei unsicheren Schritten hatte er den Tisch mit den Stühlen erreicht, wo er sich abstützen konnte. Als er sich niedersetzte, zitterten ihm ein wenig die Knie. Er atmete heftig.

      Verdammt!, dachte er. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich wieder richtig auf die Beine komme!

      Als er mit der Rechten gewohnheitsmäßig den Löffel ergreifen wollte, spürte er einen reißenden Schmerz. Er ließ den Löffel fallen und fluchte leise. Dann aß er mit der Linken.

      „Der Doc hat gesagt, dass Ihr Arm wieder wird, wenn Sie ihn trainieren“, sagte die Frau. „Die Kugel in der Schulter hat Sie wohl ziemlich ungünstig getroffen.“

      Nelson nickte stumm.

      Es war im Moment völlig unmöglich, mit seiner Rechten einen Revolver abzudrücken. Er würde das Schießen wohl völlig neu lernen müssen. Sein Plan, mit Dan McLeish abzurechnen, würde sich verzögern, aber er dachte nicht daran, aufzugeben.

      Er würde so lange üben, bis er schnell und treffsicher genug war, um dem Rancher zu begegnen. Er würde trainieren bis zum Umfallen …

      Gierig schlürfte er die Suppe in sich hinein, und auf einmal wurde ihm bewusst, wie leer sein Magen war. Die Suppe schmeckte fade, aber in diesem Moment war sie für Jesse Nelson eine Köstlichkeit! Er schlang Löffel um Löffel in sich hinein. Nein, eine Mahlzeit, die unter die Rippen geht, wie die Cowboys sagten, war dies nicht. Aber es war allemal besser als nichts. Er fühlte, wie sich sein Magen füllte und neue Kraft in ihm wuchs.

      „Sie werden sicher schon besser gegessen haben, Mr.

      Nelson“, sagte die Frau mit einem entschuldigenden Unterton. Sie zuckte ihre schmalen Schultern. Dann setzte sie noch hinzu: „Sie werden sicher bemerkt haben, in welchen Verhältnissen wir hier leben, mein Sohn und ich!“

      „Ma'am, ich weiß deshalb Ihre Hilfe umso mehr zu schätzen. Und ich will Ihnen keineswegs länger zur Last fallen, als unbedingt nötig. Morgen reite ich.“

      Die Frau winkte ab.

      „Das ist völlig unmöglich, Mr. Nelson. Sie können noch nicht reiten, und das wissen Sie!“

      15

      Am nächsten Morgen erhob Nelson sich in aller Frühe von seinem Lager. Die Sonne war zwar längst aufgegangen, aber die Morgenkühle hatte sich noch nicht unter ihren wärmenden Strahlen aufgelöst.

      Den Rest des vergangenen Tages hatte er verschlafen, war dann gegen Abend noch einmal kurz aufgewacht, um die Nacht durchzuschlafen. Nelson fühlte sich jetzt ausgeruht, wenngleich immer noch etwas schwach. Aber das würde sich in nächster Zeit geben, davon war er überzeugt.

      Er sah seine Sachen auf einer altertümlichen Kommode liegen: seinen Revolvergurt, seine Winchester, die Satteltaschen, seinen Hut und seine Jacke.

      Nelson nahm den Revolvergurt und schnallte ihn sich um die Hüften. Er verzog das Gesicht, als sein rechter Arm wieder zu schmerzen anfing. Aber es war bei weitem nicht so schlimm wie an den vergangenen Tagen.

      Vorsichtig betastete er seine Seite. Der Verband saß noch einigermaßen, aber als er sein Hemd etwas öffnete, sah er, dass er rot durchtränkt war. Das Blut war getrocknet.

      Ich werde die Frau fragen, ob sie mir dabei hilft, den Verband zu wechseln!, überlegte er. Dann knöpfte er das Hemd wieder zu. Fürs erste würde es so gehen.

      Neben der Wohnstube befand sich noch ein anderer Raum. Die Tür, die dorthin führte, stand offen. Nelson trat ein paar Schritte vor und blickte auf zwei Betten. In dem einen lag der Junge, das andere war leer.

      Der Junge schlief noch tief und fest. Sein Gesicht strahlte Frieden aus. Nelson sah das strubbelige Haar, die ebenmäßigen Züge und die schmuddeligen Hände, die er sich natürlich nicht gewaschen hatte. Er hörte das gleichmäßige Atmen des Jungen und sah plötzlich Alice vor sich.

      Sie war jünger gewesen, aber in diesem Moment schien es ihm, als habe sie beim Schlafen ähnlich ausgesehen.

      Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, wusste aber gleichzeitig, dass er diese Bilder aus der Erinnerung nicht verscheuchen konnte. sie würden ihn immer wieder heimsuchen.

      Er wandte sich ab, öffnete die Außentür und trat nach draußen. Am Brunnen sah er die Frau. Sie hatte Wasser geschöpft und schickte sich nun an, den gefüllten Holzeimer ins Haus zu bringen.

      „Guten Morgen, Ma'am.“

      „Guten Morgen!“

      Trotz der Kühle war sie offenbar ins Schwitzen geraten und wischte sich mit dem halblangen Ärmel ihrer Bluse über die Stirn.

      „Man muss früh aufstehen, hat viel Arbeit und am Ende doch kaum genug zum Leben auf so einer Farm!“, meinte sie und atmete dabei deutlich hörbar aus.

      „Ich hatte auch eine Farm“, murmelte Nelson. „Man hat sie mir niedergebrannt!“

      Die Frau runzelte die Stirn. „McLeish?“, fragte sie.

      Nelson nickte und fuhr sich mit der Linken durch das Haar.

      „Ja“, brummte er. „Meine Frau, meine Tochter …“ Er schluckte und wandte den Blick zur Seite. Seine Augen waren rot geworden, die Mundwinkel zusammengekniffen.

      „Ich … ich kann verstehen, wie Sie sich fühlen“, erklärte sie. Nelson blickte sie grimmig an.

      „So, können Sie das? Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn man die Menschen verliert, die einem am wichtigsten sind? Was wissen Sie schon …!“ Die Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, da bereute er sie bereits. Nein, dachte er, das hätte ich nicht sagen sollen!

      „Ich weiß mehr, als Sie denken“, erwiderte die Frau ruhig und ohne Ärger in der Stimme. „Ich habe meinen Mann bei einer Schießerei verloren. Glauben sie mir, ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen. Ich habe das selbst durchgemacht und fast den Verstand darüber verloren!“

      Sie nahm den Eimer mit Wasser, den zu heben ihr kaum Mühe zu machen schien. Sie war sehr kräftig. Bevor sie an Nelson vorbei ins Haus ging, blieb sie kurz stehen


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