Der Kaiser. Geoffrey Parker

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Der Kaiser - Geoffrey  Parker


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Korrespondenz birgt große Gefahren«, schrieb Adrian im Juni 1520; sechs Monate später behauptete er, »alle Welt« sei »schockiert und bestürzt« darüber, dass der König noch auf keinen einzigen seiner neun (!) vorangegangenen Briefe geantwortet hatte; und im Januar 1521 äußerte er seine Entrüstung darüber, nun schon seit zehn Wochen keine Zeile mehr von Karl erhalten zu haben. Es ist bestimmt nicht ohne Aussagekraft, dass kaum einer der 105 Briefe, die Adrian während der Comuneros-Krise an Karl sandte, Anstreichungen oder Anmerkungen des Empfängers oder seiner Ratgeber aufweist.28 Adrian tadelte seinen früheren Zögling ferner dafür, dass er seine Versprechen nicht hielt: »Man sagt hier: ›Der König verspricht viel und hält nichts.‹« In Zukunft, schimpfte er, »solltet Ihr, auch wenn es später böse Folgen haben sollte, um Euer Majestät Ehre und Gewissen willen die Versprechungen einhalten, die Ihr Euren Untertanen in den Cortes gegeben habt«.29

      Vor allem aber, ermahnte Adrian den König, müsse dieser umgehend nach Spanien zurückkehren. Im April 1521 teilte er Karl in weiser Voraussicht mit, dass »die Ressourcen Spaniens stets noch eingesetzt werden können, um die Niederlande und Deutschland zu stützen, aber deren Ressourcen nicht Spanien stützen können«. Drei Monate später stellte er Karl ein ganz außergewöhnliches Ultimatum:

      »Alles ist nun in so beträchtliche Verwirrung geraten und befindet sich auf dem besten Weg in den völligen und irreparablen Untergang, und aus diesem Grund sind einige der führenden Adligen ganz und gar fassungslos. Ich muss Euer Hoheit daher mitteilen, dass, wenn Ihr nicht bis zum Monat Mai hier eingetroffen seid, sie absolut entschlossen sind, sich den Comuneros anzuschließen und ihre Ländereien zu schützen, und Euer Majestät Ihrem Schicksal überlassen werden.«30

      Es sollte jedoch anders kommen. Am 23. April 1521, drei Wochen nachdem Adrian die obige Drohung an seinen einstigen Schüler gesandt hatte, stellten die von den führenden kastilischen Adligen ausgehobenen Truppen eine große Anzahl von Comuneros-Anführern und ihren Anhängern nahe dem kleinen Ort Villalar in der Gegend von Tordesillas. In der kurzen Schlacht, die sich anschloss, wurden einige Hundert Rebellen getötet; etliche Hundert mehr wurden gefangen genommen. Darunter waren auch einige Anführer, die am Morgen darauf von den Siegern hingerichtet wurden. In den lapidaren Worten, mit denen Joseph Pérez seine Darstellung beschloss: »Und das machte den Comuneros ein Ende.« Bis Mai 1521 war Toledo als einziges Widerstandsnest übrig geblieben.31 Bald darauf gelang es auch in Valencia den vom Adel aufgestellten und angeführten Truppen, die Kräfte der Germanías zu schlagen und die Kontrolle über die Residenzstadt zurückzuerlangen.

      Karl und die Comuneros

      Welchen Anteil hatte Karl selbst an dieser dramatischen Schicksalswende? Keinen sonderlich großen. Erste Nachrichten davon, dass »in Spanien irgendein Aufruhr losgebrochen« sei, erreichten den König und sein Gefolge am 19. Juni 1520 in Brüssel, ganze zwei Monate nach Beginn des Aufstands. Da sie auf »dem Bericht von Fremden« beruhten, »schenkten sie ihnen keinen Glauben«, bis dann eine Woche später Briefe von Karls spanischen Ministern eintrafen, die von Unruhen in nicht weniger als siebzehn kastilischen Städten Nachricht gaben. Karl erkannte den Ernst der Lage jedoch noch immer nicht, weil (in den Worten des englischen Botschafters Thomas Spinelly) die Aufständischen »trotz all ihrem Aufruhr … die Einkünfte des Königs weiter fließen lassen, sodass sie den gewohnten Empfängern ohne jegliche Einschränkung gezahlt werden können«. Außerdem »scheint es bislang, dass noch kein großer Herr oder Edelmann sich öffentlich als Anhänger jener Umtriebe zu erkennen gegeben hat«, was nach Spinellys Meinung wohl auch so bleiben werde. Den Grund hierfür sah er in »den alten Streitigkeiten, Feindschaften und Neidereien, die unter den spanischen Herren herrschen, ja so sehr, dass der eine dem anderen nicht trauen kann. Aus diesem Grund glaube ich, dass die Abwesenheit des Kaisers zwar einige Verstimmung hervorrufen mag, aber doch keine ernsthaften Probleme.« Schließlich hielt Spinelly gleichwohl noch fest, dass ihm alle Forderungen der Aufständischen »gerecht und vernünftig« erschienen: dass die Städte ihre Einnahmen aus den Verkaufssteuern selbst und direkt verwalten sollten, dass in Kastilien keine auswärtigen Kandidaten mehr auf weltliche oder geistliche Posten berufen werden sollten, dass kein Gold oder Silber mehr außer Landes gebracht werden sollte, dass die königlichen Gerichte alle Verfahren zügig bearbeiten und abschließen sollten. Auch Adrian von Utrecht riet zu einem Kompromiss, da »es an diesem Punkt nötig ist, die Städte und ihre Bürger beinahe so wie rohe Eier zu behandeln, die zerbrechen, wenn man sie zu unsanft anfasst«. Er warnte zudem, dass »die Dinge nun auf des Messers Schneide stehen, sodass die kleinste unvorsichtige Bewegung alles aufs Spiel setzen mag«. Da in dieser frühen Phase des Aufstandes Karl die Beschwerden durchaus hätte aus der Welt schaffen können – »ehrenvoll und ohne seinen guten Ruf im Ausland zu beschädigen« –, zeigten sich sowohl Adrian als auch Spinelly fassungslos, als der Kaiser Zugeständnisse rundweg ablehnte.32

      Eine solche Sturheit blieb nicht ohne Folgen, denn Karl hatte bei der Ernennung Adrians zu seinem Statthalter in Kastilien einige entscheidende Befugnisse ausgespart. Insbesondere konnte nur der König selbst Begnadigungen aussprechen. Das erwies sich als fatal, als im Juni ein führender Comunero von Toledo anbot, den Rebellen seine Unterstützung aufzukündigen, wenn man ihm im Gegenzug Straffreiheit zusagte: Als Adrian endlich die königliche Erlaubnis erhalten hatte, selbst Begnadigungen vorzunehmen, war es schon zu spät.33 Außerdem sprach sich zwar Adrian für Milde im Umgang mit den Aufständischen aus, der Präsident des Kronrates, Antonio de Rojas, jedoch nicht.

      In seiner mehr oder minder letzten Mitteilung an Karl hatte Kardinal Cisneros diesen vor Rojas gewarnt. Der sei »ein böser Mann mit bösen Absichten, der es liebt, Zwietracht zu säen«. Aber der Tod des Kardinals hatte dann zur Folge, dass niemand seine Warnung beachtete. Dabei äußerte sich der Condestable von Kastilien, immerhin der ranghöchste Adlige des Königreiches, in einem Brief nun ganz ähnlich: »Der Präsident des Kronrates ist sehr wütend auf mich, weil ich die Meinung vertrete, durch Begnadigungen und milde Strafen werde das Königreich zur Ruhe kommen. Er aber will verbrannte Erde sehen, will den Leuten den Hals abschneiden, sodass, wenn unsere jetzigen Probleme schwerer wiegen als die vergangenen, unsere künftigen Probleme sogar noch schwerwiegender sein werden.«34 Karl ignorierte den Condestable genauso, wie er zuvor Cisneros ignoriert hatte – vielleicht weil das brutale Vorgehen, für das Rojas und der restliche Kronrat eintraten, eine Zeit lang erfolgreich schien. Am 6. Juli 1520 meldete der Botschafter Spinelly, dass »der Kaiser aus Spanien gute Nachricht bekommen hat und hört, der Aufruhr sei vorüber«; drei Wochen darauf folgte noch die Versicherung, es habe »keinerlei offene Unterstützung [der Aufständischen] seitens hochgestellter oder einflussreicher Personen« gegeben. Vielmehr sichere das Volk nun zu, »es wolle dem Kaiser in allen Dingen treu und gehorsam sein, außer dass kein Geld mehr aus dem Königreich fließen und keine Fremden mehr in Amt und Würden« gesetzt werden sollten.35 Obgleich die Anführer der Comuneros einen zentalen Ausschuss einrichteten, die sogenannte Junta, um ihre Aktivitäten zu koordinieren, entsandten anfänglich nur vier Städte eine offizielle Abordnung.

      Im August änderte sich alles. Adrian hatte Truppen in Marsch gesetzt, um die in Medina del Campo eingelagerte königliche Artillerie gefechtsbereit zu machen, die er gegen die Hochburgen der Aufständischen einsetzen wollte. Als seine Soldaten dort jedoch auf Widerstand stießen, legten sie ein Feuer, das weite Teile der Stadt zerstörte. Der große Brand von Medina gab der Sache der Comuneros wieder Aufwind. In Scharen strömten ihnen nun die Anhänger zu, und zehn weitere Städte entsandten Delegierte in die Junta, die nun nach Tordesillas zog in der Hoffnung, die Königin Johanna zur Machtübernahme und zur Legitimierung ihres Ungehorsams bewegen zu können. Und auch eine »einflussreiche Person« ergriff nun für die Comuneros Partei: Antonio de Acuña, der Bischof von Zamora.

      Die Nachricht von diesen Entwicklungen sorgte am Brüsseler Hof für Fassungslosigkeit. Am 6. September diskutierten, das berichtet jedenfalls Spinelly, Karl und sein Rat zwei »Meinungen« hinsichtlich des weiteren Umgangs mit der »Unannehmlichkeit«, wie es etwas verschämt hieß, in Kastilien. Eine Gruppe von Räten sprach sich dafür aus, dass Karl unter allen Umständen nach Aachen weiterreisen solle, um sich dort wie geplant zum römisch-deutschen König krönen zu lassen. Anschließend sollte er »seine Reise nach Deutschland hinein« fortzusetzen, »um mit Umsicht und gutem


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