Die Blaue Revolution. Peter Staub
Читать онлайн книгу.42 www.srf.ch/news/schweiz/armutsquote-stark-gestiegen-jede-zwoelfte-person-in-der-schweiz-ist-arm ↵
43 www.dw.com/de/armut-in-amerika/g-17392168 ↵
44 «Der Bund», Bern, 27. August 2014 ↵
45 www.sgb.ch/themen/service-public/detail/dem-klima-und-der-klimajugend-zur-seite-stehen ↵
46 https://klimacharta.ch/charta ↵
47 «NZZ am Sonntag», Zürich, 25. Februar 2018 ↵
48 www.srf.ch/news/schweiz/bundesrat-verschaerft-klimaziel-wir-duerfen-keine-zeit-mehr-verlieren ↵
49 «NZZ am Sonntag», Zürich, 20. Oktober 2019 ↵
Wer ist Peter Staub? Erwachen
Wie kommt dieser unbekannte ehemalige Journalist und Gewerkschaftssekretär Peter Staub aus der kleinen Schweiz dazu, zu einer globalen Revolution aufzurufen? Gute Frage.
«Ich weiss nicht, was du genommen hast, aber du solltest unbedingt weniger nehmen», sagte mir vor Jahren ein deutscher Mitsegler. Zusammen mit meiner Ehefrau hatte ich den Törn gebucht, um auf die 1000 Seemeilen zu kommen, die wir brauchten, um den Hochsee-Segelschein zu erhalten. Da kann man sich die Mitsegler*innen nicht aussuchen.
Wir lagen im Hafen von San Miguel auf Teneriffa und sprachen über alles Mögliche. Irgendwann kamen wir auf den Klimawandel, und ich begann über mein Lieblingsthema zu referieren: «Wir brauchen eine globale Demokratie, um die globalen Probleme zu lösen». Bei spanischem Rotwein entwarf ich dem siebenköpfigen Publikum meine Vision einer besseren Welt. Ich sprach davon, wie es wäre, in einer weltweiten Demokratie nach schweizerischem Vorbild zu leben. Ich sprach von einer Welt, in der alle Menschen gleichberechtigt sind, von einer demokratisch legitimierten Weltregierung, einem Weltbundesrat. Und ich sprach von einem Weltparlament, das globale Gesetze erarbeitet und verabschiedet, um die Klimaerwärmung zu begrenzen.
Der Kommentar meines Mitseglers schaffte es dann unter dem Gelächter seiner Kolleg*innen, das Gespräch in eine andere Richtung zu leiten.
Natürlich hinderte mich das nicht daran, weiter über die Welt von morgen nachzudenken. Frei nach einem Refrain von Fleetwood Mac, der mich seit Jahren durch allerlei Krisen begleitet:
«Don’t stop thinking about tomorrow Don’t stop, it’ll soon be here It’ll be, better than before Yesterday’s gone, yesterday’s gone» [1]
Der der Einwand des teutonischen Hobbyseglers war typisch. Erstens wird jeder, der über den politischen Tellerrand hinausschaut und sich auch noch getraut, darüber zu reden, schief angeschaut. Und wenn er oder sie sich das dann noch erlaubt, ohne einen Professorentitel zu tragen oder zumindest einen Doktor in Politologie mitzubringen, ist die Bereitschaft, sich mit den neuen Ideen auseinanderzusetzen oft klein. Schliesslich wusste schon der russische Revolutionär Lenin, «dass nicht jeder Tagelöhner, jede Köchin von heute auf morgen den Staat regieren kann.»[2]
Gut, ich will keinen Staat regieren. Und Leninist war ich auch nie. Auf «–ist» reagierte ich schon immer fast allergisch. Deshalb bezeichne ich mich auch nicht als Atheist, obwohl ich mit der Religion so wenig am Hut habe wie mit autoritären Regierungssystemen.
Wie also kommt also einer, der sich in seinen rund 40 Berufsjahren unter anderem als Dachdecker, Hilfszimmermann, Journalist, Taxichauffeur und Gewerkschaftssekretär durchs Leben schlug und als akademischen Grad ausschliesslich einen Weiterbildungsmaster in Writing and Corporate Publishing vorzuweisen hat, dazu, zu denken, er könne der Menschheit helfen, den nächsten Evolutionsschritt zu schaffen?
Die Freund*innen und Helfer*innen von der Schweizer Bundesanwaltschaft würden wohl auf meine Fiche verweisen. Als Fichen wurden die rund 900 000 Karteikarten bezeichnet, welche die kantonalen Polizeikorps und die Bundesbehörden in den Zeiten des Kalten Krieges über echte und vermeintliche «Staatsfeinde» angelegt hatten. Nachdem Ende der 1980-er Jahre der «Fichenskandal» aufflog, erhielt ich ein paar Jahre später eine Kopie meiner Fiche. Der erste Eintrag stammte vom 28. März 1985 und bezog sich darauf, dass ich von einem verfassungsmässigen Recht Gebrauch machte. Ich war damals 23 Jahre alt.
Der Aktenvermerk lautete (0)936/558. «v. SD SO: Fig. Auf Liste von Personen, die gemäss Bundesblatt Nr 9 als Erstunterzeichner/Urheber der ‹Volksinitiative für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik› aufgeführt sind.» Der Autor der Meldung war mit einem schwarzen Balken unsichtbar gemacht. Genauso wie bei allen anderen Einträgen, die drei Seiten füllten. Im selben Jahr unter demselben Aktenzeichen gab es noch einen Eintrag, diesmal von der Stadtpolizei Zürich: «Dokumentation «Gruppe Schweiz ohne Armee – Entwicklung und Aktivitäten vom März 81 bis August 85. – Daselbst aufgeführt als Redaktionsmitglied der GSoA-Infos.»
Soviel zu meinen Anfängen als amtlich registrierter, politischer Dissident.
Dabei begann alles viel früher: Geboren wurde ich im Januar 1962. Die ersten zehn Jahre lebte ich zusammen mit drei Geschwistern und den Eltern in einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung im Haus der Grosseltern in Trimbach am Fusse des Hauensteins. Die Mutter, gelernte Schneiderin, kümmerte sich um die Kinder und besorgte den Haushalt. Der Vater arbeitete als gelernter Schlosser zuerst als Monteur, bevor er sich zum technischen Verkäufer umschulen liess und sich später in einem Ein-Mann-Betrieb selbstständig machte.
Es war ein damals typischer Arbeiter*innen-Haushalt, pro Woche gab es einmal Fleisch zu essen, für die Kinder je einen halben Cervelat. Später zogen wir in eine Fünf-Zimmer-Wohnung in einem kleinen Wohnblock. Der soziale Aufstieg zeigte sich daran, dass ich bloss noch mit einem Bruder das Zimmer teilte und Schweineschnitzel die Cervelats ablösten.
Nach der achten Klasse wechselte ich von der Bezirkschule in Trimbach ans mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium in Olten. Unterdessen hatte ich begonnen, Handball zu spielen. Um finanziell unabhängiger zu werden, begann ich mit 15 Jahren, in den Frühlings- und Herbstferien jeweils zwei Wochen in der Industrie zu arbeiten. Mit 16 arbeitete ich zudem jeden Mittwochnachmittag in einer Fabrik, in der Dachfenster zusammengesetzt wurden. Im Herbst 1982 erhielt ich mein Maturazeugnis.
Neben Schule, Sport und Arbeit gewann das Thema Politik langsam an Bedeutung. Dafür war eine meiner Grossmütter verantwortlich, die mir zum 18. Geburtstag eine Biografie von Robert Grimm schenkte, der beim schweizerischen Landesstreik von 1918 eine wichtige Rolle gespielt hatte.[3] Die Geschichte Grimms eröffnete mir eine völlig neue Sicht auf die Welt.
Dass es eine Grossmutter war, die mir den Weg zur Politik öffnete, war kein Zufall. Während die Eltern politisch nicht aktiv waren, engagierten sich ihre Mütter. Die eine Grossmutter machte bis ins hohe Alter bei den lokalen SP-Frauen mit, während die andere sich in jüngeren Jahren aktiv für Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland einsetzte und bis ins hohe Alter das politische Denken nie aufgab.
Der Landesstreik von 1918, der die Schweiz nachhaltig veränderte,