Der dicke Mann. Wolfgang Armin Strauch

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Der dicke Mann - Wolfgang Armin Strauch


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Sachen von meinem Großvater, die ich immer einmal abholen wollte. Leider ist aber alles anders gekommen.

       Ich liebe Dich.

       Deine Mama,

       Krakow, den 17. August 1948“

      Auf einem Zettel stehen Namen und Adressen von zwei Menschen, von denen ich noch nie gehört habe: Jolanda Michalska aus Graudenz und Martin Bauer aus Frankfurt (Oder).

      Langsam lege ich die Kette um den Hals und küsse den roten Glasstein. Danke, Mama!

      4. Kapitel

      Die Wohnung lag an einer viel befahrenen Straße, die von alten Bäumen gesäumt war. Ein Gewitter kam auf und es begann zu regnen. Alina setzte sich ans Fenster, um wieder und wieder den Brief ihrer Mutter zu lesen. Blitze zuckten und Donner grollten. Doch sie nahm es nicht wahr. Abwesend starrte sie hinaus in die Welt und fühlte sich unendlich einsam. Es war das Gefühl, hilflos zurückgelassen zu sein, in einer fremden Welt. Mit beiden Händen drückte sie die Kette an sich, als würde sie so den Herzschlag ihrer Mutter spüren.

      Es schien ihr, als sei da noch ein Quäntchen Leben in dem roten Stein, der wie ein Tropfen Blut aussah. Sie hatte ihn auf ihrer Brust getragen – dort, wo das Herz seinen Platz hat. Es dauerte lange, ehe sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte. Sie war wütend auf ihren Großvater.

      Warum hatte er ihr den Brief vorenthalten? Sie war jetzt einundzwanzig und ihr schien es so, als hätte er Jahre ihres Lebens gestohlen. Alina verstand es nicht. Nun konnte sie ihn nicht mehr fragen. Er war tot.

      Zwar hatte Jadwiga ihr gesagt, dass er Unterlagen von ihr hatte. Doch warum hat sie nicht stärker darauf gedrungen, dass er sie herausgab?

      Sofia kam zu ihr ins Zimmer. Ohne ein Wort nahm sie Alina in den Arm.

      „Ist ja gut. Wir trinken jetzt einen Tee! Vielleicht findet sich auch noch ein Gläschen Likör.“

      Alina ging ins Bad und wusch sich das Gesicht, um die Spuren ihrer Tränen zu beseitigen.

      Als sie wieder herauskam, schaute Adam sie mitfühlend an.

      „Alles klar?“

      In der Küche war kein Tee zu finden und den Schnaps ihres Großvaters wollte sie nicht.

      „Wir könnten ja in das Café gehen. Vielleicht haben sie ein paar Krakauer. Ich habe Hunger. Seit 06: 00 Uhr morgens habe ich nichts mehr gegessen.“

      Adam zeigte auf das Haus auf der anderen Straßenseite. Sie verließen die Wohnung. Aufräumen würde sie später. Das Kuvert ihrer Mutter und den Brief des Rechtsanwaltes nahm sie mit.

      Die Luft war nach dem Gewitter herrlich klar. Adam hatte wohl mit Sicherheit gewusst, dass es hier Krakauer gab, denn er ging selbstbewusst zur Theke.

      „Möchtet ihr auch welche?“

      Alina wollte ablehnen. Sofia sagte: „Kind, du musst was essen!“

      Sie gab Adam ein Zeichen. Alinas Aufregung legte sich. Sie holte den Brief ihrer Mutter aus der Tasche und gab ihn Sofia. Sie zog die Kette aus dem Ausschnitt und zeigte sie stolz. Die beiden Frauen sahen sich an. Dann umarmten sie sich. Ein kleines Lächeln huschte über Alinas Gesicht.

      Adam kam zum Tisch und bewunderte das Schmuckstück.

      „Ein hübsches Teil.“

      „Sie ist von meiner Mutter.“

      Nach einigen Minuten servierte die Kellnerin die Würstchen und Kaffee. Sie zögerte etwas und sah Alina an.

      „Darf ich Sie etwas fragen?“

      Alina nickte nur.

      „Sie sind doch aus der Nummer 32. Früher waren sie manchmal mit Jadwiga hier und haben rote Brause getrunken. Es tut mir leid, was da mit ihr passiert ist. So etwas wünscht man niemanden. Ist der Mörder gefunden? Es stand bisher nichts in der Zeitung.“

      Statt Alina antwortete Adam:

      „Nein, wir haben ihn noch nicht. Aber er wird uns nicht entgehen. Haben Sie irgendwelche Hinweise, die uns helfen könnten? Wir suchen auch doch den Einbrecher, der meinen Kollegen niedergeschlagen hat.“

      „Nein, ich wurde schon befragt. Leider konnte ich nicht helfen.“

      Nach einer Pause sagte sie dann: „Worüber ich mich aber gewundert habe, ist, dass Ihr Kollege den Einbrecher nicht gesehen hat.“

      „Welcher Kollege?“, fragte Krawczyk erstaunt.

      „An dem Tag hat er die ganze Zeit das Haus beobachtet.“

      „Warum soll es ein Kollege von mir gewesen sein?“

      „Na, dann kommen Sie doch mal mit!“

      Die Frau führte ihn an einen Zweiertisch.

      „Jetzt setzen Sie sich mal hier her!“

      Adam tat es.

      „Was stellen Sie fest?“

      „Das Fenster zeigt genau in die Richtung des Hauses Nr. 32.“

      „Und was merken Sie noch?“

      „Ich merke nichts.“

      „Riecht es nicht aufdringlich nach WC?“

      „Stimmt.“

      „Normalerweise bleibt dieser Tisch immer leer. Nur wenn es voll ist, sitzt hier jemand. Weil man nur von hier aus die Nummer 32 sehen kann, nahm ich an, dass der Mann das Haus beobachten sollte.“

      Krawczyk testete es. Es stimmte.

      „Warum haben Sie das nicht meinen Kollegen gesagt? Die haben doch alle umliegenden Häuser abgeklappert.“

      Die Frau stellte sich selbstbewusst vor ihm hin.

      „Man hat mich nicht danach gefragt. Die wollten nur wissen, ob ich jemanden gesehen habe, der aus der 32 geflüchtet ist. Und ich konnte natürlich nichts sehen.“

      „Wie lange war der Mann hier?“

      „Das kann ich nicht sagen. Mit Sicherheit war er nicht mehr da, als der Rettungswagen kam, denn da bin ich vor die Tür gegangen.“

      Adam wurde mit einmal rot vor Aufregung.

      „Können Sie mir sagen, wie der Mann aussah? Das ist jetzt wichtig.“

      „Klar. Er war groß und ausgesprochen fett. Er hatte einem Anzug an. Sonst hätte ich vermutet, dass er Fleischer oder so was ist.“

      „Ich habe eine Bitte. Würden Sie mich in der Dienststelle aufsuchen, damit wir eine Zeichnung anfertigen?“

      „Klar. Man hilft ja gern. War das etwa der Mörder?“

      „Warten Sie einen Moment, ich rufe meinen Kollegen an. Der kommt gleich vorbei und macht hier das Phantombild. Haben Sie ein Telefon?“

      Die Kellnerin wies auf den Tresen.

      Die beiden Frauen saßen wie versteinert auf ihren Stühlen. Krawczyk ließ sie nach Hause fahren. Janek wartete schon.

      „Was ist denn los?“

      Seine Mutter sagte: „Wir waren mit Adam in der Wohnung und danach in dem Café auf der anderen Straßenseite. Vielleicht hat die Kellnerin den Mörder gesehen.“

      Andrzej stand auf und wollte los. Alina hielt ihn fest.

      „Lass Adam seine Arbeit machen. Du weißt, was der Arzt gesagt hat.“

      „Aber ich wollte nur …“

      Sie zog ihn zu sich heran. „Dein Platz ist jetzt hier.“

      „Hast du eigentlich etwas im Panzerschrank gefunden?“

      „Ja. Auch wenn der Inhalt nicht alle meine Fragen beantwortet.“

      Sie griff zur Kette und spielte mit


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