Savitri – Eine Legende und ein Symbol. Sri Aurobindo
Читать онлайн книгу.geglaubten und gelobten Lehre,
Schien die Tafel von hohen Himmels heiligem Gebot.
Ein förmlicher Brauch, gepanzert und eisenbesohlt,
Gab einem rohen und unbarmherzigen Kriegergeschlecht,
Den wilden Eingeweiden der Erde entsprungen,
Eine hochmütige strenge Haltung von herbem Adel,
Eine gesellschaftliche Stellung, unnachgiebig und furchtgebietend.
Doch all ihr privates Tun widersprach der Position:
Macht und Eigennutz waren ihre Wahrheit und ihr Recht,
Eine adlerhafte Raubgier krallte sich in ihr begehrtes Gut,
Schnäbel zerhackten und Klauen zerrissen jede schwächere Beute.
In der süßen Heimlichkeit ihrer vergnüglichen Sünden
Gehorchten sie der Natur und nicht einem moralischen Gott.
Als nichtbewusste Händler bündelweiser Gegenteile
Taten sie das, was sie bei anderen ahndeten;
Wenn ihr Auge auf das Laster eines Mitmenschen fiel,
Flammte Empörung auf, ein tugendhafter Zorn;
Vergessend ihren eigenen tief verborgenen Verstoß,
Steinigten sie pöbelhaft einen bei der Sünde ertappten Nachbarn.
Ein pragmatischer Richter im Inneren sprach falsche Urteile aus,
Stellte schlimme Ungerechtigkeiten auf den Sockel der Gerechtigkeit,
Räsonierte schlechte Taten als Recht, sanktionierte die Waage
Des Händlers Eigeninteresse und Eigenbegehren.
So hielt sich ein Gleichgewicht, konnte leben die Welt.
Ein fanatischer Eifer forcierte ihre erbarmungslosen Kulte,
Als Ketzerei geißelten sie den Glauben, der nicht ihrer war;
Sie verhörten, inhaftierten, folterten, verbrannten oder steinigten
Und zwangen die Seele vom Recht zu lassen oder zu sterben.
Inmitten ihrer widerstreitenden Konfessionen und bekriegenden Sekten
Saß die Religion auf einem blutbefleckten Thron.
Hunderte von Tyranneien unterdrückten und erschlugen
Und gründeten Einheit auf Betrug und Gewalt.
Nur der Schein wurde dort als Wirklichkeit geschätzt:
Das Ideal war eine Zielscheibe zynischen Spotts;
Verschrien von der Menge, verhöhnt von aufgeklärtem Verstand,
Schweifte spirituelle Suche ausgestoßen umher, –
Als das selbst-betrügerische Hirngespinst eines Träumers
Oder als verrückte Chimäre oder Schwindel eines Heuchlers erachtet,
Kroch ihr leidenschaftlicher Instinkt durch obskure Gemüter,
Verloren in den Kreisbahnen der Unwissenheit.
Eine Lüge war dort die Wahrheit und Wahrheit eine Lüge.
Hier muss der Wanderer auf dem ansteigenden Wege –
Denn der Weg zum Himmel windet sich kühn durch die Reiche der Hölle –
Innehalten oder langsam gehen durch diesen gefährlichen Raum,
Auf seinen Lippen ein Gebet und den großen Namen.
Hätte die scharfe Speerspitze der Unterscheidung nicht alles geprüft,
Könnte er in das endlose Netz der Unwahrheit stolpern.
Oft musste er über seine Schultern nach hinten schauen
Wie jemand, der den Atem eines Feindes im Nacken spürt;
Von hinten könnte sonst ein tückischer Stoß
Ihn niederstrecken und auf ruchlosem Boden festnageln,
Sein Rücken durchbohrt vom spitzen Pfahl des Bösen.
So könnte man auf dem Pfad des Ewigen fallen,
Verwirkend die einzige Gelegenheit des Geistes in der Zeit,
Und keine Kunde würde die wartenden Götter erreichen,
Im Verzeichnis der Seelen als „verschollen“ vermerkt,
Sein Name ein Hinweis auf eine Hoffnung, die sich zerschlug,
Die Position eines in Erinnerung gebliebenen erloschenen Sternes.
Gefeit waren nur jene, die Gott in ihrem Herzen trugen:
Mut ihre Rüstung, Glaube ihr Schwert, so müssen sie vorwärtsschreiten,
Die Hand zum Schlagen bereit, das Auge zum Erkunden,
Vorauswerfend einen durchdringenden Speeresblick,
Helden und Soldaten der Streitmacht des Lichts.
Aber auch so, wenn vorbei die grässliche Gefahr
Und entlassen in eine ruhigere reinere Luft,
Wagten sie kaum wieder frei zu atmen und zu lächeln.
Einmal mehr schritten sie unter einer wirklichen Sonne.
Obwohl Hölle Herrschaft beanspruchte, hatte doch Geist noch Macht.
Dies Niemandsland durchschritt er ohne Streitgespräch;
Ihn sandten die Höhen, der Abgrund begehrte ihn:
Keiner stand ihm im Wege, keine Stimme verbot.
Denn rasch und leicht ist der Weg nach unten,
Und jetzt war der Nacht sein Antlitz zugewandt.
Eine tiefere Dunkelheit wartete, eine schlimmere Herrschaft,
Wenn schlimmer es noch geht, wo alles das Extrem des Bösen ist;
Doch für das Verhüllte ist das Unverhüllte nackter Graus.
Dort waren Gott und Wahrheit und das höchste Licht
Niemals gewesen oder besaßen keine Macht mehr.
Als ob man in einem tiefen Moment der Trance
Über die Grenze des Mentals in eine andere Welt hinübergleitet,
Überschritt er eine Grenze, deren verstohlene Spur
Das Auge nicht sehen, sondern nur die Seele fühlen konnte.
In einen gerüsteten grimmigen Herrschaftsbereich gelangte er
Und sah sich wandern, verlorener Seele gleich,
Zwischen dreckigen Wänden und barbarischen Slums der Nacht.
Um ihn herum drängten sich graue und verwahrloste Hütten
In Nachbarschaft zu prunkvollen Palästen pervertierter Macht,
Unmenschliche Viertel und dämonische Bezirke.
Ein Stolz auf das Böse umarmte dessen Erbärmlichkeit;
Ein Prunk heimsuchend Elend lag schwer auf jenen gefallenen
Graubraunen Vororten der Städte eines Traum-Lebens.
Dort zeigte die Lebensmacht der Zuseherin Seele
Die schattigen Tiefen ihres seltsamen Wunders.
Eine starke und gefallene Göttin ohne Hoffnung,
Verfinstert, entstellt durch einen grässlichen gorgonischen Bann,
Gleich einer Dirnenkönigin in einem Freudenhaus,
Hob