Dunkle Träume. Inka Loreen Minden

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Dunkle Träume - Inka Loreen Minden


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gerade noch hinein, obwohl sie bloß das Nötigste mitgenommen hatte. Die Handtasche behielt sie bei sich.

      Bis jetzt hatte Kyr Jenna kaum einen Blick geschenkt, sie lediglich mit einem Nicken begrüßt. Warum war der Kerl so seltsam? Oder lag es an ihr? Noir sprach ja nur in den höchsten Tönen von ihm. Selbst dem Hund schenkte er mehr Beachtung. Räuber schlich ständig um seine Füße und wurde dafür hinter den Ohren gekrault. Offensichtlich mochte Kyrian Tiere lieber als Menschen. Normalerweise gaben Gargoyles ihr Leben dafür, Menschen zu beschützen. Das lag in ihrer Natur. Aber wie viel davon steckte in diesem Goyle? Jenna musterte ihn unauffällig.

      Während sie sich für ein dunkelrotes Trägerkleid entschieden hatte, weil für heute herrlichstes Spätsommerwetter angesagt war, trug er dieselben Sachen wie immer: Einsatzstiefel, Cargohose, eng anliegendes Shirt. Gut, er war im Dienst, ihr Leibwächter. Insgeheim hatte sie gehofft, ihn legerer zu sehen. Er war auf gewisse Weise viel zu steif, obwohl er sich wie ein Panther bewegte.

      Jenna verabschiedete sich von den Umstehenden, umarmte Noir als Letzte und dankte ihr für alles. Dann stieg sie ins Auto. Kyrian hingegen nickte den anderen bloß zu – bis auf Räuber, der bekam noch einmal seine Streicheleinheiten – und hockte sich ans Steuer.

      Jennas Anspannung wuchs. Tat sie das Richtige? Hinter dem Rücken ihres Vaters Nachforschungen anzustellen, dazu mit einem attraktiven Mann verreisen, obwohl sie erst vor Kurzem mit Ben Schluss gemacht hatte?

      »Wohin musst du denn genau?«, fragte Nicolas durch das geöffnete Fenster.

      »Weißt du, wo Bridlington ist?«

      Er kratzte sich am Kinn. »Tut mir leid, keine Ahnung.«

      Sie überlegte, welche größere Stadt in der Nähe lag. »York? Ansonsten irgendwo an der Küste von Yorkshire, im Norden Englands.«

      »York kenne ich.«

      Sofort steuerte er auf eine freie Betonwand in der Garage zu. Er sah wild aus mit seinen langen Zöpfchen und den Schwingen, die bei diesem Dämmerlicht wie ein Mantel wirkten. Nick hatte was von einem Cowboy.

      Als Kyr die Viper startete, um ihm langsam hinterherzufahren, gingen ihr das Geräusch und die Vibrationen des Motors durch und durch. Sie bekam eine Gänsehaut und lehnte sich in den bequemen Schalensitz zurück.

      Nicolas zeichnete einen kleinen Kreis an die Wand. Er leuchtete blau auf und Jenna erkannte durch das Guckloch grüne Hügel und Felder. Nicolas öffnete das Portal weiter, steckte den Kopf hindurch und schaute nach links und rechts. »Okay, die Luft ist rein.« Schnell zog er mit Jamies Hilfe das Dämonentor so weit auf, dass sie mit dem Auto hindurchpassten. »Ab mit euch und gute Reise!«

      Jenna winkte ihnen, während Kyrian Gas gab und durch das Portal fuhr, bis sie auf einer Landstraße herauskamen. Kyr machte eine scharfe Kurve und brachte die Viper in die Spur. Als Jenna sich umdrehte, sah sie noch kurz das Tor auf einer riesigen Werbetafel am Straßenrand, bevor es sich schloss. Jetzt war sie viele Meilen von London und ihren Freunden entfernt. Allein mit dem unnahbaren Goyle. Starr blickte er auf die Straße und sagte kein Wort, wirkte kühler als zuvor. Seine Hand krampfte sich ums Lenkrad. Der Roadster passte zu ihm. Als ob er bewusst dieses Auto gewählt hatte, um andere auf Abstand zu halten. Es gab eine durchgehende Mittelkonsole, die so breit war, dass sie niemals miteinander in direkten Körperkontakt kamen.

      »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte sie.

      Er tippte auf dem Navigationsgerät herum, das sich ebenfalls in der Konsole befand. »In der Nähe von York.«

      »Perfekt.« Das war von ihrem Zielort nicht allzu weit weg, etwa 60 Meilen. »Lass uns zuerst nach Bridlington fahren.«

      Kyr gab den Namen der Stadt in das Navi ein, wobei Jenna seine schlanken Finger bewunderte. Er besaß keine Krallen, wie manch andere Goyles. Obwohl sie diesen Mann von Kopf bis Fuß durchleuchtet hatte, blieb er undurchsichtig. Sie wollte zu gern wissen, was er dachte. Konzentrierte er sich voll auf seinen Job oder war ihm ihre Anwesenheit unangenehm?

      Sie schielte auf seine Beine, die im relativ engen Cockpit gut Platz fanden. Jenna hatte ohnehin keine Probleme, ihre Füße auszustrecken, doch Kyrian war größer. Größer noch als Ben, und der war nicht klein für einen Mann. Himmel, verglich sie jetzt ihren Ex mit Kyrian? Die beiden waren allein von der Art grundverschieden. Ben hätte mit ihr geplaudert, das Radio angeschaltet und zur Musik gesummt. Eigentlich war Bens Anwesenheit im Gegensatz zu Kyrians angenehm gewesen. Leider hatte er zu sehr geklammert und es war meistens nach seinem Kopf gegangen.

      War sie vielleicht zu anspruchsvoll?

      Gab es überhaupt den perfekten Mann?

      Was wollte sie wirklich?

      Erneut fühlte sie diese innere Zerrissenheit. Vielleicht sollte sie zuerst mit sich ins Reine kommen, bevor sie eine neue Beziehung begann. Daher sollte sie anfangen, Kyrian nur als ihren Fahrer und Bodyguard zu sehen.

      Schweigend fuhren sie einige Meilen. Sich zu unterhalten wäre sowieso nur in Geschrei ausgeartet, denn der Wind, der um das Stoffverdeck flatterte, erzeugte Lärm, der an Jennas Nerven zerrte. Das Auto war also doch nicht so perfekt wie der erste Eindruck.

      »Kannst du das Verdeck öffnen?«, fragte sie nach geschätzten weiteren drei Meilen. Das Cockpit kam ihr mit einem Mal bedrückend vor und Kopfschmerzen kündigten sich durch ein sanftes Pochen in ihren Schläfen an. Kyr nickte und fuhr einen kleinen Rastplatz an. Zu dieser vormittäglichen Zeit waren ein paar Reisende unterwegs, die jedoch lediglich die öffentlichen Toiletten benutzten. Niemand saß an den Picknicktischen.

      Nachdem Kyrian ausgestiegen war, hantierte er am Kofferraum und öffnete das Dach. Mit wenigen Griffen hatte er das Verdeck verstaut, und sie fuhren auf die Straße zurück. Es entstanden verhältnismäßig wenig Luftwirbel, und die Fahrt war viel angenehmer als zuvor. Lächelnd sah sie zu Kyr, an dessen schwarzem Haar der Wind spielte.

      Plötzlich drehte er den Kopf und schenkte ihr einen kurzen, aber so durchdringenden Blick, dass es ihr trotz Fahrtwind in ihrem Sommerkleid zu heiß wurde.

      War das Blau seiner Augen eine Nuance dunkler geworden?

      Er betrachtete ihre Knie, die unter dem Saum hervorspitzten, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Sein Mundwinkel zuckte, sein Gesicht entspannte sich. Ach, wenn sie doch nur Gedanken lesen könnte wie ihre Freundin. Wobei das bei ihm leider nicht funktionierte, dazu war er wohl zu wenig Mensch.

      Jenna rutschte tiefer in den gemütlichen Sitz und genoss die Sicht auf die herrliche Landschaft. Grüne Wiesen, sanfte Hügel, Felder, Kühe. Nur Natur. Tief atmete sie durch und fühlte sich seit langem frei.

      Kapitel 9 – Provokation

      Nick wollte Jamie nicht daran hindern, ins Desiderio zu gehen, denn ein wenig Vergnügen stand ihm schließlich zu. Vielleicht würde es dem Kleinen guttun. In diese Dämonenbar kehrte er selbst öfter ein, um sich ein bisschen Spaß zu gönnen und sich zugleich mit der nötigen Energie aufzuladen, die er für sein Dämonendasein brauchte. Also folgte er Jamie durch ein Portal nach Florenz, wo sich in den Kellergewölben eines verlassenen Gebäudes das Etablissement befand, in dem sich alle möglichen Kreaturen vergnügten – bis auf Vampire, die hatten wegen einer alten Fehde Hausverbot.

      Wie immer, wenn er den Türsteher passiert hatte, schlug ihm feuchtwarme Luft entgegen, die mit süßlichem Rauch getränkt war. Dafür sorgten zahlreiche Räucherstäbchen. Leise Musik spielte im Hintergrund – tiefe Schwingungen ähnlich dem Zusammenspiel mehrerer Didgeridoos, die Nicks Brustkorb zum Vibrieren brachten.

      Das italienische Flair der Stadt hatte auch auf das Desiderio abgefärbt. Marmorne Säulen und Bögen stützten die hohen Wände; die Mauern besaßen Natursteinoptik und waren mit künstlichem Efeu verziert. Den Mittelpunkt des Raumes bildete ein großer Brunnen mit scharlachroten Wein-Fontänen. Satyrn und Nymphen badeten mit Vorliebe darin.

      Weiter hinten befanden sich zahlreiche Nischen, in die sich die Besucher zurückziehen konnten, um sich lustvollem Treiben hinzugeben. Einige der schwarzen


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