Tod in Rothenburg. Barbara Edelmann

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Tod in Rothenburg - Barbara Edelmann


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»Du solltest doch immer dein Lasso dabei haben, für den Fall, dass du mal ein Pferd triffst.«

      »Rein berufliche Gründe, Mama.« Dodo klopfte sich auf die Hüfte. »Damit man meine Knarre nicht sieht. Soll ich dir ein Stück Apfelkuchen vom Kopf schießen? Wenn ich treffe, darf ich es behalten. Deal?«

      »Du bist wirklich unmöglich.« Brigitte sah ihre Tochter strafend an. »Dieser gerade Schnitt trägt fürchterlich auf, und ich finde es gruselig, dass du eine Waffe trägst. Aber nun gut, musst du wissen.«

      Geißler rührte gedankenverloren in seinem Cappuccinorest. »Würde mir eine jüngere Frau meinen langjährigen Lebenspartner vor der Nase wegschnappen, ich wäre stinksauer. Sie nicht, Dorothea?«

      »Jetzt bin ich mal gespannt.« Brigitte lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Mama, ich würde mich einfach vors Amtsgericht stellen und warten, bis mir da ein frisch geschiedener Mann vor die Füße stolpert. Herr Geißler, was bedeutet konkret: ›Sie war am Boden zerstört‹?«

      »Na ja …«, Geißler machte eine vielsagende Pause. »Neulich war Wilbold mit seiner neuen Flamme im ›Eisenhut‹.«

      »Gute Adresse«, bemerkte Kurti anerkennend.

      »Plötzlich tauchte Daniela auf«, redete Geißler weiter. »Sie stürmte am Personal vorbei und machte eine schlimme Szene. Es wird behauptet, sie sei angetrunken gewesen. Dann hat sie Wilbolds Neuer ein Glas Wein über das Kleid geschüttet.«

      »Ist nicht wahr!«, entfuhr es Dodo.

      »Bordeaux, habe ich gehört«, mischte sich Brigitte ein. »Vierundachtzig Euro die Flasche. Viel Kleidung kann sie da aber nicht getroffen haben, bei den fünf Quadratzentimetern Stoff, die Sandra normalerweise trug. Der materielle Schaden hielt sich also in Grenzen.«

      »Diese Daniela war wütend auf die neue Freundin ihres Ex.« Dodo kratzte mit der Kuchengabel die letzten Reste der Käsesahne vom Teller, missbilligend beobachtet von ihrer Mutter. »Die besten Jahre ihres Lebens an einen Mann vergeudet, der sie von heute auf morgen sitzenlässt. Wie alt ist sie jetzt?«

      »Ich würde schätzen, Mitte vierzig.« Brigitte stellte die leeren Kaffeetassen auf ein Tablett. »Das geht schnell, meine Liebe, immer dran denken. Die Wäsche kannst du dir morgen abholen. Und such den Schlüssel für deine Waschmaschine, sonst kaufe ich dir eine neue, dann hast du keine Ausrede mehr. Von wegen ›die schleudert nicht mehr‹.«

      »Mach ich. Danke, Mama. Kommst du, neuer Kollege?« Dodo erhob sich, Geißler stand ebenfalls auf. Er war und blieb ein Gentleman.

      »Wenn Sie Hilfe benötigen …« Er sah sie treuherzig an. »Ich stehe zu Ihrer Verfügung.«

      »Sehr nett von Ihnen.« Dodo lächelte ihn strahlend an. »Aber ich und der König der Pfadfinder hier, wir schaffen das schon. Sagt auch unser Chef.«

      »Können Sie es sich wirklich leisten, auf die Kenntnisse eines erfahrenen Ermittlers zu verzichten? All dieser digitale Kram«, Geißler winkte verächtlich ab, »der führt doch zu nichts. Ich komme schneller als Sie zu einem schlüssigen Ergebnis, da wette ich mit Ihnen jeden Betrag.«

      »Wenn ich mit Ihnen wetten könnte, müsste ich nicht arbeiten.« Dodo drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Lassen Sie es lieber. Und Ihren Informanten finde ich auch noch. Ich bin sicher, dass Sie einen haben.« Sie winkte noch einmal zum Abschied und machte sich mit Kurti auf den Weg.

      »Warum habe ich mich nur von dir überreden lassen, am Schrannenplatz zu parken? Dieser Gesundheitswahn ist nervtötend, das nächste Mal fahren wir mit dem Auto vor«, hörte man sie im Weggehen schimpfen.

      »Von mir hat sie das nicht, diese Vorliebe für Waffen und Schimpfwörter.« Brigitte blickte den beiden Ermittlern nach, wie sie durch das gemauerte Tor auf die Straße verschwanden. »Ich habe mir immer gewünscht, dass sie ihr Potenzial ausschöpft, aber doch nicht mit Mord und Totschlag.«

      »Jede Wette, dass ich das schneller gelöst hätte«, wiederholte Geißler gedankenverloren. »Brigitte, ich habe da so eine Idee. Lassen Sie uns darüber sprechen, sobald Sie Zeit haben.«

      »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diese Idee hören möchte.« Brigitte blickte ihn zweifelnd an. »Andererseits hätte meine Tochter mal einen Dämpfer verdient.« Eilig huschte sie zurück ins Café, denn es waren neue Gäste eingetroffen.

      Geißler setzte sich wieder an seinen Stammplatz, starrte versonnen in die leere Tasse und dachte nach.

      Montagmorgen, Rothenburg ob der Tauber

      Gleißendes Sonnenlicht verwandelte die spitzen Dächer Rothenburgs nach und nach in ein funkelndes rotes Meer. Dodo und Kurti waren unterwegs zum Schrannenplatz, wo ihr Fahrzeug stand, und hielten kurz inne, um eine voll besetzte Pferdekutsche passieren zu lassen. Zwei Italiener in mittleren Jahren schossen im Vorbeifahren ein Foto von Dodo, die ihnen lächelnd zuwinkte.

      »Ich sollte mir vielleicht noch schnell so eine mit Nugat gefüllte Rothenburger Spezialität holen«, sagte Dodo gedankenverloren. »Von einem Stück Kuchen wird man nicht satt.«

      »Du meinst sicher einen Schneeballen«, antwortete Kurti entsetzt. »Allmecht, die werden doch in schwimmendem Fett rausgebacken!«

      »Deswegen mag ich sie ja«, antwortete Dodo. »Du würdest sie natürlich lufttrocknen und mit Algen bestreuen.«

      Sie setzte sich wieder in Bewegung. »Aber gut, ich lasse es, wir haben es eilig.«

      Mittlerweile hatten sich die Gassen mit Touristen gefüllt. Straßencafés luden zum Verweilen unter überdimensionalen Sonnenschirmen ein. Besucher aus allen Nationen fläzten in bequemen Stühlen auf Kopfsteinpflaster und frühstückten oder studierten ihre Stadtpläne. Einheimische führten Hunde aus und betrachteten das bunte Treiben mit der ihnen eigenen Gelassenheit. Schon um diese Uhrzeit war es sehr warm.

      Kurz vor dem Schrannenplatz gerieten Dodo und Kurti in eine Busladung japanischer Touristen, die jede steinerne Hausbank und jeden Brunnen fotografierten, derer sie ansichtig wurden. Alle wischten hektisch auf ihren Handydisplays herum und schnatterten wild durcheinander. Ein junger Japaner schaute Dodo mit leuchtenden Augen hinterher und stolperte dabei über einen uralten Poller an einer Hauswand.

      »Domo arrigato!«, schrie Dodo ihm nach, ehe sie mit Kurti zum Parkplatz lief.

      »Du sprichst Japanisch?«, wunderte er sich.

      »Natürlich nicht«, sagte sie unbekümmert. »Mann, ich würde heute nach Dienstschluss so gern baden gehen, aber das wird wohl nicht klappen.«

      »Bei dem Kaloriengehalt der Käsesahne, die du soeben verdrückt hast, müsstest du ohnehin mindestens durch den Ärmelkanal schwimmen. Also kannst du es auch gleich lassen«, stellte Kurti fest.

      »Bist du eigentlich auch Single?«, erkundigte sich Dodo säuerlich. »Schätze, ja. Dir bleibt garantiert nichts anderes übrig.«

      Kurti nickte. »Momentan schon. Allerdings freiwillig. Und selbst?«

      Dodo wich aus. »Was machen wir mit dem Kater?«, fragte sie. »Ich hatte gehofft, ich könnte ihn meiner Mutter andrehen, aber ihre beiden leben noch.«

      »Wir?«, wiederholte Kurti erstaunt. »Das war allein deine Idee. Die Mutter von Sandra Kaiser nimmt ihn vielleicht, ansonsten: Glückwunsch zum neuen Hausgenossen. Am besten legst du dir noch eine zweite Katze zu, damit er sich nicht so einsam fühlt, wenn du zum Aufreißen gehst. Oder fährst. Laufen tust du ja nicht so gern.«

      »Und wenn die Mutter ihn nicht will, muss er ins Tierheim? Kommt nicht in Frage. Heute bist übrigens du dran. Mein Thunfisch ist alle.«

      »Kann man kaufen.« Kurti blieb unentschlossen vor dem Kofferraum stehen. »Die Praxis von Wilbold liegt ganz in der Nähe, zu schade, dass ich mein Rad nicht dabeihabe.«

      »Träum weiter.« Dodo warf einen sehnsüchtigen Blick zum Gasthof »Schranne«, der aber um diese Uhrzeit noch geschlossen war. Sie öffnete


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