TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2). Stephen England
Читать онлайн книгу.Kamera ein, dann hob er das Telefon an sein Ohr.
»Harry«, begann die Stimme eines Mannes. So vertraut. David Lay. »Wenn du das hier hörst, bin ich wahrscheinlich bereits tot. Meine Feinde haben ihren Zug gemacht und ich habe die Schlacht verloren. Ich wusste, dass es einmal so kommen würde, aber ich hatte immer Hoffnung, dass ich ihnen stets einen Schritt voraus sein würde. Vielleicht war das töricht, aber ich bereue nichts. Es war der einzige Weg – für das Wohl der Nation. Vor ein paar Jahren hätte nichts von dem eine Rolle gespielt und ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dich in diese Sache hineinzuziehen. Aber das war, bevor Carol wieder in mein Leben trat.«
Eine Pause. Die eiserne Stimme wurde kaum merklich ein wenig brüchiger. »Sie ist alles, was mir noch geblieben ist, und ich habe mir geschworen, sie nie wieder im Stich zu lassen. Sie werden auch hinter ihr her sein – denn sie können nicht mit Sicherheit sagen, wie viel sie weiß. Die Agency wird sie beschützen, wenn ich nicht mehr lebe, aber das wird nicht genügen. Das Böse lauert in den höchsten Positionen in Langley, und niemand ist davor sicher. Finde sie, Harry, und verschwindet – so schnell wie möglich, so weit weg wie möglich. Taucht unter. Vertraue niemandem. Denke an die Moskauer Regeln, Harry. Jeder könnte unter der Kontrolle des Feindes stehen.«
Jeder. Irgendwo hinter sich hörte er, wie sich eine Fahrstuhltür öffnete. Aus der Richtung, aus der er gekommen war. Eine Bedrohung?
»Der Grund, der mich in diese Situation gebracht hat … es muss hier enden. Mit mir. Mit großem Wissen wächst die Gefahr.«
Es war ein Büroangestellter. Eine der über hundert männlichen Arbeitsbienen, die das Hauptquartier bevölkerten, der mit einem Koffer in der Hand zu seinen Wagen schlenderte. Harry hielt den Atem an und presste seine Hand auf den Lautsprecher des Handys, als der Mann an ihm vorüberlief. »Dir kann ich vertrauen, Harry. Ich kenne dich. Ich weiß, was du tun wirst. Vaya con Dios.«
Geh mit Gott.
Und dann Stille. Harry klappte das Telefon zu. Sein Gesicht nahm einen kalten, harten, entschlossenen Ausdruck an.
Er hatte seine Befehle. Dass sie von einem Toten stammten, machte keinen Unterschied.
Es war an der Zeit, sie auszuführen.
07:55 Uhr
»Ich weiß, ich weiß … Michelle soll sich darum kümmern«, erklärte Carter und schob einen USB-Stick seitlich in Daniel Laskers Terminal. »Ich brauche Sie, um die Comm für die Extraktion zu überwachen.«
Mit seinen achtundzwanzig Jahren wirkte der kleine, blonde Lasker eher wie eine Bürohilfskraft als der Kommunikationschef der CLANDOPS, aber so lautete seine Amtsbezeichnung in Langley. Und er war einer der Besten. »Haben wir je versucht, eine Operation dieser Größenordnung durchzuziehen, Ron?«
Carter antwortete mit einem Kopfschütteln. »Zwölf Agenten. Neun Länder. Und das ist erst der Anfang.«
Er spürte die plötzliche Anwesenheit von jemanden, und erblickte Harry, als er sich umdrehte. »Wie geht’s voran?«
»Wir positionieren unsere Teams im Mittleren Osten«, antwortete Carter. »Versuchen unsere Leute herauszuholen, bevor sie erwischt werden.«
»Das Loch, das sie in unserem HUMINT-Netzwerk hinterlassen werden, dürfte so groß sein, dass ein Auto hindurchpasst«, kommentierte Harry grimmig. Menschliche Aufklärung, das Ass im Ärmel eines jeden Staates.
»Ich weiß. Aber bis wir den Director finden … bleibt uns keine andere Wahl.« Der Analytiker hob die Schultern. »Wollten Sie etwas Bestimmtes?«
»Ja, wollte ich tatsächlich. Ich muss mit Carol sprechen.«
Ron runzelte die Stirn. »Das halte ich nicht gerade für die beste Idee. Wieso?«
»Sie konnte ihre Nachforschungen in Bezug auf Korsakov noch nicht beenden. Ich muss nur ein paar Minuten mit ihr reden und herausfinden, welche Hinweise sie bisher ausgraben konnte, besonders im Hinblick auf mögliche Verbindungen in die Vereinigten Staaten. Wo ist sie?«
»Unten in Vernehmungsraum A-13«, antwortete Carter nach einer langen Pause. Er griff nach dem Telefon auf Laskers Tisch. »Ich sage Bescheid, dass Sie kommen.«
06:03 Uhr Ortszeit
Ein Flughafen in Albuquerque, New Mexico
Der Abschied von seinem Bruder war nicht gerade das Highlight von Richards Reise gewesen, aber das war nichts Neues. Ihre Beziehung war angespannt gewesen, seit er mit neunzehn die Ranch der Familie in Texas verlassen und sich dem Marine Corps angeschlossen hatte.
Seine Arbeitskraft fehlte ihnen in jenem Sommer, der von einer großen Dürre und einer grassierenden Krankheit unter den Rindern geprägt war. Dagegen hätte er nicht viel unternehmen können, selbst wenn er bei ihnen geblieben wäre, aber es gab einige in seiner Familie, die der Ansicht waren, er hätte sie im Stich gelassen.
Fünf Jahre später war die Ranch pleite gewesen, und seine Familie war ins Mescalero-Reservat in New Mexico zurückgekehrt. Ende der Geschichte.
Er seufzte und betrachtete dabei die Gulfstream IV, die von Westen herangerollt kam. Ein ungewöhnlicher Anblick auf dem kleinen Rollfeld. Er trug nur eine Tasche bei sich, reiste mit leichtem Gepäck, wie er es die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens getan hatte.
Ein kalter Dezemberwind wehte über den kleinen Flughafen hinweg, ließ sein Jackett im Wind flackern und offenbarte die Glock in ihrem Holster an seinem Gürtel. Er war bereit. Zeit, aufzubrechen.
08:05 Uhr Ortszeit
CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia
Der Bereitschaftsraum des NCS war verlassen, genau wie Harry es vermutet hatte. Er ließ die Lampen ausgeschaltet und bewegte sich schnell auf seinen Spind am hinteren Ende des Raumes zu.
Er fuhr mit seinem CIA-Ausweisschild über das Schloss, um die Tür zu entsperren, griff hinein und holte eine Colt 1911 und eine weitere Waffe in der Größe einer Pistole daraus hervor.
Die Colt war geladen, das war sie immer. Er schob den Lauf zurück, lud eine Patrone in die Kammer, dann legte er sorgfältig den Sicherungshebel um, bevor er sich die große Pistole in das Holster an seinem Gürtel steckte. Geladen und gesichert.
Er durchquerte den Raum, dann legte er die zweite Waffe, einen Taser X3, auf den Tisch. Die Elektroschockwaffe, die ein wenig so aussah, als wäre die Vorstellung des Designers von einer Laserpistole mit ihm durchgegangen, war 2009 als Reaktion auf den Hauptkritikpunkt der Polizeikräfte an dem Originalmodell X26 entwickelt worden – nämlich deren Eigenschaft, nur einen einzigen Schuss abfeuern zu können.
Der neue und verbesserte Taser hatte sich dieses Problems angenommen, mithilfe eines neuromuskulären Impulses, der auf mehrere Ziele abgefeuert werden konnte. Die Waffe war in der Lage, drei Schüsse abzugeben, nacheinander. Dann war sie leer, aber das störte Harry nicht im Geringsten. Ausgehend von den Überwachungsaufnahmen des Vernehmungsraumes würde er es nur mit drei Zielobjekten aufnehmen müssen.
Nachdem er die Waffen überprüft hatte, steckte er sich den Taser in die Innentasche seiner Lederjacke, gegenüber der Pistole. Acht Minuten nach acht Uhr. Ihm blieben noch etwa fünfzehn, vielleicht zwanzig Minuten, bevor jemand bemerken würde, dass er die Aufnahmen aus dem Vernehmungsraum in einer Schleife ablaufen ließ.
Doch das sollte genügen.
07:12 Uhr Ortszeit
Ein Appartement
Dearborn, Michigan
»Wie viele starben?«
Nasir al-Khalid sah von dem Frühstücksgeschirr auf und erblickte seinen Bruder Jamal in der Küchentür des kleinen Appartements, das sie miteinander teilten.
»Darüber